Bauwerk

Wohn- und Bürohaus
Diener & Diener Architekten - Basel (CH) - 2005
Wohn- und Bürohaus, Foto: Christian Richters
Wohn- und Bürohaus, Foto: Christian Richters
Wohn- und Bürohaus, Foto: Christian Richters

Wohn- und Bürohaus in Basel

Eine Baulücke mit einem dahinter liegenden bauhistorischen Kleinod war die Herausforderung, vor die sich die Architekten gestellt sahen. Sie verbanden Neubau und Bestand zu einem harmonischen Ganzen und gaben diesem zur Straßenseite ein neues eigenständiges Gesicht – mit Respekt vor der Substanz.

6. September 2006 - Hans-Jürgen Breuning
»Wenn dein Haus gute Nachbarn hat, bist du zu gleicher Güte verpflichtet, sind sie aber schlecht und aufgeblasen, so kann es nur durch Vornehmheit, die immer in schlichter Größe liegt, gegen jene bestehen.«[1] Diesen wichtigen Hinweis für eine gute Nachbarschaft gab Paul Schmitthenner schon vor mehr als siebzig Jahren. Doch was ist zu tun, wenn sich vor einem historischen Altbauensemble eine äußerst schmale Baulücke auftut? Sollte man auch diese Fuge mit schlichter Größe schließen, um gegen die Nachbarn zu bestehen? Mitten in Basels Altstadt, gegenüber dem Gerichtshof, standen Diener & Diener Architekten genau vor dieser Frage: Ein Haus, dessen lange Geschichte mehr als 700 Jahre zurückreicht, sollte mit zeitgemäßen Mitteln umgebaut und erweitert werden. Die hochaufragenden Brandwände der betagten Nachbarn gaben jedoch nur noch eine knapp acht Meter breite Lücke frei – dazwischen musste mit dem Bestand des historischen Gebäudes ein modernes Wohn- und Bürohaus entstehen. Und die konzeptionelle Herausforderung begann gleich vorne an der Schauseite zur Straße: Das zurückgesetzte Haus wurde dort kaum mehr wahrgenommen, weil ein zweigeschossiger Vorbau aus dem 19. Jahrhundert die Straßenflucht säumte und die schmale Lücke wenig elegant vernähte. Vorne eine große Vitrine, dahinter versteckt die gotische Fassade des Altbaus. Diese merkwürdige Fügung machte schon auf den ersten Blick neugierig: Es schien ein Haus zu sein, das noch mehr Überraschungen bereithielt und immer noch -hält. Heute fällt schon beim Näherkommen in der Bäumleingasse auf, mit welchem Selbstverständnis sich die Architekten dieser diffizilen Bauaufgabe stellten. Eine plastisch gefügte Konstruktion aus braunem, durchgefärbtem Beton bildet den ruhigen homogenen Rahmen der neuen Fassade und schließt den Straßenraum bündig ab. Die farbliche Analogie zu den dunklen Sandsteinbauten der Altstadt trägt mit dazu bei, dass sich der Neubau wie selbstverständlich einfügt. Raumhohe Verglasungen, die den leichten Knick der Bäumleingasse nachempfinden, machen gleichwohl deutlich, dass es sich hier um ein modernes Haus handelt. Der neue, schlichte Baukörper stellt sich vor den 1461 errichteten, mittelalterlichen Teil des Hauses. Erst dahinter liegt der »Nukleus«, ein einst dreigeschossiger Wohnturm aus dem 13. Jahrhundert.

Beim Betreten des Gebäudes treten immer wieder Spuren aus dem Hoch- und Spätmittelalter hervor – auch eine barocke Treppe kann man noch entdecken. Patinierter Kalkputz, Holzdielenboden und Deckenbalken aus Tannenholz dominieren die warme Materialität der Innenräume. Ein schmaler Flur führt durch den historischen Kern des Hauses. Ihm folgt ein kleiner, nur vier Meter breiter Erschließungsbau, der die neue Treppe und den Fahrstuhl aufnimmt und Platz für einen Patio lässt. Dahinter fügten die Architekten einen Baukörper, dessen raumhohe Verglasungen mit dem Vorbau an der Bäumleingasse korrespondieren, passgenau in die Baulücke ein. Während sich im Erdgeschoss an der Straßenseite ein Laden befindet, sind alle weiteren Räume von Büros und zwei großzügig geschnittenen Wohnungen genutzt. Trotz der stets klar begrenzten Raumkanten hat man jedoch nie das Gefühl, dass hier der Denkmalschutz das Alte zwanghaft vor dem Abbruch bewahrt hat, dass ein dunkles, kaum nutzbares Haus entstanden ist. Im Gegenteil, das Miteinander von Alt und Neu wirkt erstaunlich großzügig.

Die Komposition der Räume auf der schmalen Parzelle ist konsequent und schlüssig. Sie lebt von der Dialektik der historischen Schichten des Ensembles. Das Neue geht nicht auf Distanz zur Geschichte, es arbeitet nicht mit Trennungsfugen, die das additive Fügen betonen. Die Architekten bauen vielmehr im Dialog mit dem Alten, ohne dabei einem Historismus zu verfallen. Mit ihrer klaren reduzierten Sprache formulieren sie einen spannungsreichen Kontrast zur Kleinteiligkeit und Detailverliebtheit des Alten: Hier die solide Lochfassade mit den tiefen Fensterlaibungen, die florale Motivik der historischen Stuckdecken und die freigelegten, bemalten Deckenbalken – dort die filigrane Glasfassade, der gefärbte Hartbetonbelag und die homogen verputzten Oberflächen. Dies alles ohne Berührungsängste miteinander verbunden und die Durchgänge nur dort verändert, wo es erforderlich war.

Kein Zweifel, neben der privilegierten Lage in der Stadt verfügt das Haus auch über hohe gestalterische Qualitäten. Kritisch könnte man allenfalls das komplette Verpacken des historischen Kerns betrachten, da dessen Fassade nur noch vom Patio erlebbar wird. Doch beim Blick aus dem Straßenraum blieb der über Jahre leer stehende und marode gewordene Altbau ohnehin schon lange versteckt. Die entscheidende Frage, wie man mit alter Bausubstanz umgeht, wie man diese weiterbaut, ohne mit der Vergangenheit zu kokettieren, wurde überzeugend umgesetzt. Wenngleich die Nachbarn weder schlecht noch aufgeblasen sind, besticht dieses Gebäude durch »schlichte Größe«: Die Schauseite wirkt unprätentiös und zurückhaltend und lässt die Passanten nur erahnen, dass es sich hier um ein ganz besonderes Haus handelt.
[1] Schmitthenner, Paul: Vom Einfügen des Hauses, in: Baugestaltung; Das deutsche Wohnhaus (1932); 3. Auflage, Konrad Wittwer Verlag, Stuttgart 1950, S. 26

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

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Akteure

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Edwin Faeh

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