Bauwerk
CENTRUM-Warenhaus
VEB Hochbauprojektierung - Suhl (D) - 1996
Das CENTRUM-Warenhaus in Suhl
Das ehemalige CENTRUM-Warenhaus in Suhl im Thüringer Wald gilt als Meilenstein der Entwicklung einer modernen Warenhausarchitektur in der DDR. Gleichzeitig ist es ein markantes Beispiel für die Nachkriegsmoderne in Deutschland und, wie viele Vertreter dieser Zeit, akut vom Abbruch bedroht. Wie kam es zur Gestaltung moderner Warenhausbauten und -fassaden in der DDR? Was zeichnet sie aus und wie wird heute mit diesem Erbe umgegangen?
14. Oktober 2006 - Tobias Michael Wolf
Die programmatische Rede Chruschtschows auf der Allunions-Konferenz der Bauschaffenden im Dezember 1954 in Moskau führte auch in der DDR zu einer Abwendung von der Architektur der »nationalen Tradition« und zu einer Hinwendung zur industriellen Bauweise unter dem Primat des Wohnungsbaus. Der neue städtebauliche Leitgedanke folgte der Architektur des Westens unter dem Motto der »gegliederten und aufgelockerten Stadt«. Mit dem Beschluss des fünften Parteitags der SED 1958 zur Neugestaltung der Zentren der Bezirksstädte bis zum Jahr 1965 rückte neben dem typisierten Wohnungsbau auch die individuelle Gestaltung der Innenstädte mit wichtigen Gesellschaftsbauten wieder ins Blickfeld der Planer: zentrale Fußgängerbereiche mit Stadthallen, Kinos, Hotels, Geschäften und Warenhäusern entstanden. Mit ihren Rastergrundrissen und geschlossenen kubischen Fassaden zeigen die Warenhausneubauten dieser Zeit eine starke Orientierung an der westeuropäischen und bundesdeutschen Kaufhausarchitektur. Die geschlossenen Baukörper ermöglichten flexible Grundrisse im Inneren und eine Maximierung der Stellflächen für Regale an den Außenwänden.
Zum 1. Januar 1965 wurde die Handelsstruktur in der DDR auf Grundlage eines Beschlusses des Zentral Komitees (ZK) der SED reformiert, indem alle von der staatlichen Handelsorganisation (HO) betriebenen Warenhäuser zur Vereinigung Volkseigener Warenhäuser (VVW) »CENTRUM« und die konsumgenossenschaftlichen Häuser zum zentralen Unternehmen »konsument« zusammengefasst wurden. Parallel zu dieser neuen Struktur entstand in mehreren Stufen ein neuer Warenhaustyp. Zunächst wurde 1966/67 anhand von Studien für das Warenhaus am Berliner Alexanderplatz versucht, analog zum typisierten Wohnungsbau eine durchbrochene Netzfassade aus Metall zu entwickeln, die dann in der ganzen Republik gleichsam als Markenzeichen ausgeführt werden sollte. Im selben Jahr schlug eine weitere Studie einen anderen gestalterischen Ansatz vor, und die beiden 1968 eröffneten nahezu baugleichen Warenhäuser in Cottbus und Hoyerswerda erhielten Fassaden aus unterschiedlichen Materialien: Der Bildhauer Harry Müller entwarf für das konsument-Kaufhaus in Cottbus eine plastische Vorhangfassade aus Betonplatten, wohingegen das CENTRUM-Warenhaus in Hoyerswerda als erstes in der DDR eine geschlossene Aluminium-vorhangfassade aus konkaven und konvexen Formen mit plastischen Graten erhielt.
Mittel der Identitätsstiftung
Die Abkehr von der typisierten Architektur wird im dritten Neubau des neuen Kaufhauskonzepts deutlich, der nicht etwa in der Hauptstadt Berlin, sondern zwischen 1966 und 1969 in Suhl entstand. Hier wurde im Rahmen der Neugestaltung des Stadtzentrums ein Altstadtquartier nahe dem Marktplatz abgebrochen. Auf dieser Fläche entstand als Verbindung zwischen Altstadt und sozialistischem Zentrum der rechteckige Kubus des Warenhauses. Durch die Lage Suhls im Talkessel war eine Erschließung in zwei Ebenen erforderlich, so dass der Zugang vom »Steinweg« aus ebenerdig erfolgte, während vom Busbahnhof im neuen Zentrum nur die Lebensmittel-Kaufhalle im Sockelgeschoss erreichbar war. Eine wirksame gestalterische und funktionale Lösung zur Erschließung der eigentlichen Eingangsebene des Kaufhauses stellt die an den Talseiten auf Geländehöhe des Steinwegs umlaufende breite Galerie dar, zu der die Schaufenster orientiert sind. Zu ihr führen mehrere Treppen hinauf, darunter die auffällige, doppelläufige Fächertreppe aus Stahlbeton nach einem Entwurf des Bildhauers Waldo Dörsch. Den oberen Abschluss des gläsernen Eingangsgeschosses bildet eine auskragende Betonplatte. Die Fassaden der beiden darüber liegenden Verkaufsetagen sind optisch durch ein um 1,20 Meter vorgehängtes Leichtmetallnetz als futuristischer Solitär zusammengefasst. Es ist der letzte ausgeführte Entwurf des berühmten Metallgestalters Professor Fritz Kühn (1910 – 67). Das zurückgesetzte Dachgeschoss diente als Aussichtsterrasse mit Café und nahm den betriebseigenen Kindergarten auf, der über einen Dachgarten mit Planschbecken verfügte.
Ziel der Planung war es, wie in allen Groß- und Bezirksstädten der DDR durch den Kontrast zwischen den industriellen Wohnbauten und den künstlerisch gestalteten Gesellschaftsbauten, zu denen auch die Warenhäuser zählten, den neuen sozialistischen Städten ein spezifisches Gesicht zu geben, also moderne Architektur als Mittel der Identitätsstiftung einzusetzen.
Umbauten nach 1990
Nach der Wiedervereinigung wurde das Warenhaus zunächst vom Karstadt Konzern übernommen, bevor 1991 die Kaufhof AG Eigentümer wurde. 1996 fanden die ersten tiefer greifenden baulichen Veränderungen statt. Damals wurde die Kühnsche Gitterfassade über dem Haupteingang zum Steinweg entfernt, wodurch die dahinter liegende Verglasung sichtbar wurde; in der Fassadenebene wurde eine Tafel mit dem Firmenzeichen angebracht. Außerdem wurde im Zuge der Errichtung des gegenüber liegenden Lauterbogencenters die Straße verlegt, so dass die breite Treppenanlage an der Talseite abgebrochen werden musste. An ihre Stelle trat eine Fußgängerbrücke über Busbahnhof und Straße. Neben der Brücke wurde dem Kubus ein neues Treppenhaus vorgesetzt, an das sich zur Altstadt hin ein zweistöckiger Geschäftshausbau mit Putzfassade, großen verspiegelten Fensterflächen und angedeutetem Traufgesims anschließt – dieser wird von C&A genutzt. Nach zwei Umstrukturierungen 1998 und 1999, die mit der Überschreibung der Immobilie an zwei Tochtergesellschaften einhergingen, wurde der Kaufhof zum Jahresende 2000 geschlossen.
Aktuelle Pläne
Bis Anfang 2006 suchte man nach neuen Nutzungsmöglichkeiten für das ehemalige CENTRUM-Warenhaus in Suhl. Im Februar legte die Immobilien-Gesellschaft Florana aus Weimar ihre Umbaupläne vor. Für 25 Millionen Euro sollen die oberen beiden Verkaufsetagen abgebrochen und das Haus zu einer Shopping Mall mit benachbartem Parkhaus umgestaltet werden. Dazu soll ab Oktober der Rest der Kühnschen Gitterfassade entfernt werden. Auch die umlaufende Galerie mit der Fächertreppe wird verloren gehen. Gegen die Pläne des Investors wehrt sich eine eigens gegründete Bürgerinitiative, die den Wert des vorhandenen Bauwerks der Nachkriegsmoderne betont und alternative Konzepte erarbeitet hat. Eine von den Bürgern geforderte Unterschutzstellung des Außenbaus lehnt das Thüringische Landesdenkmalamt mit Blick auf die Umbauten der neunziger Jahre ab.
Doch das Vorgehen in Suhl ist in den östlichen Bundesländern kein Einzelfall. Gerade die Architektur der DDR-Nachkriegsmoderne ist vielerorts akut bedroht. Neben den Ensemblen der sozialistischen Innenstädte, die schon jetzt größtenteils nicht mehr existieren, sind nun herausragende Einzelbauten in Gefahr. Dies betrifft vor allem die Warenhäuser, die durch gewandelte Einkaufsgewohnheiten einem erhöhten Veränderungsdruck ausgesetzt sind. Nach der Beseitigung der Netzfassade am Berliner Alexanderplatz stehen in diesem Jahr weitere schwere Verluste bevor. Neben dem hier vorgestellten Suhler Bau ist auch die futuristische Wabenfassade des CENTRUM-Warenhauses an der Prager Straße in Dresden vom Abbruch bedroht. Damit würden in einem Jahr zwei bedeutende Schöpfungen der Nachkriegsmoderne verloren gehen.
Zum 1. Januar 1965 wurde die Handelsstruktur in der DDR auf Grundlage eines Beschlusses des Zentral Komitees (ZK) der SED reformiert, indem alle von der staatlichen Handelsorganisation (HO) betriebenen Warenhäuser zur Vereinigung Volkseigener Warenhäuser (VVW) »CENTRUM« und die konsumgenossenschaftlichen Häuser zum zentralen Unternehmen »konsument« zusammengefasst wurden. Parallel zu dieser neuen Struktur entstand in mehreren Stufen ein neuer Warenhaustyp. Zunächst wurde 1966/67 anhand von Studien für das Warenhaus am Berliner Alexanderplatz versucht, analog zum typisierten Wohnungsbau eine durchbrochene Netzfassade aus Metall zu entwickeln, die dann in der ganzen Republik gleichsam als Markenzeichen ausgeführt werden sollte. Im selben Jahr schlug eine weitere Studie einen anderen gestalterischen Ansatz vor, und die beiden 1968 eröffneten nahezu baugleichen Warenhäuser in Cottbus und Hoyerswerda erhielten Fassaden aus unterschiedlichen Materialien: Der Bildhauer Harry Müller entwarf für das konsument-Kaufhaus in Cottbus eine plastische Vorhangfassade aus Betonplatten, wohingegen das CENTRUM-Warenhaus in Hoyerswerda als erstes in der DDR eine geschlossene Aluminium-vorhangfassade aus konkaven und konvexen Formen mit plastischen Graten erhielt.
Mittel der Identitätsstiftung
Die Abkehr von der typisierten Architektur wird im dritten Neubau des neuen Kaufhauskonzepts deutlich, der nicht etwa in der Hauptstadt Berlin, sondern zwischen 1966 und 1969 in Suhl entstand. Hier wurde im Rahmen der Neugestaltung des Stadtzentrums ein Altstadtquartier nahe dem Marktplatz abgebrochen. Auf dieser Fläche entstand als Verbindung zwischen Altstadt und sozialistischem Zentrum der rechteckige Kubus des Warenhauses. Durch die Lage Suhls im Talkessel war eine Erschließung in zwei Ebenen erforderlich, so dass der Zugang vom »Steinweg« aus ebenerdig erfolgte, während vom Busbahnhof im neuen Zentrum nur die Lebensmittel-Kaufhalle im Sockelgeschoss erreichbar war. Eine wirksame gestalterische und funktionale Lösung zur Erschließung der eigentlichen Eingangsebene des Kaufhauses stellt die an den Talseiten auf Geländehöhe des Steinwegs umlaufende breite Galerie dar, zu der die Schaufenster orientiert sind. Zu ihr führen mehrere Treppen hinauf, darunter die auffällige, doppelläufige Fächertreppe aus Stahlbeton nach einem Entwurf des Bildhauers Waldo Dörsch. Den oberen Abschluss des gläsernen Eingangsgeschosses bildet eine auskragende Betonplatte. Die Fassaden der beiden darüber liegenden Verkaufsetagen sind optisch durch ein um 1,20 Meter vorgehängtes Leichtmetallnetz als futuristischer Solitär zusammengefasst. Es ist der letzte ausgeführte Entwurf des berühmten Metallgestalters Professor Fritz Kühn (1910 – 67). Das zurückgesetzte Dachgeschoss diente als Aussichtsterrasse mit Café und nahm den betriebseigenen Kindergarten auf, der über einen Dachgarten mit Planschbecken verfügte.
Ziel der Planung war es, wie in allen Groß- und Bezirksstädten der DDR durch den Kontrast zwischen den industriellen Wohnbauten und den künstlerisch gestalteten Gesellschaftsbauten, zu denen auch die Warenhäuser zählten, den neuen sozialistischen Städten ein spezifisches Gesicht zu geben, also moderne Architektur als Mittel der Identitätsstiftung einzusetzen.
Umbauten nach 1990
Nach der Wiedervereinigung wurde das Warenhaus zunächst vom Karstadt Konzern übernommen, bevor 1991 die Kaufhof AG Eigentümer wurde. 1996 fanden die ersten tiefer greifenden baulichen Veränderungen statt. Damals wurde die Kühnsche Gitterfassade über dem Haupteingang zum Steinweg entfernt, wodurch die dahinter liegende Verglasung sichtbar wurde; in der Fassadenebene wurde eine Tafel mit dem Firmenzeichen angebracht. Außerdem wurde im Zuge der Errichtung des gegenüber liegenden Lauterbogencenters die Straße verlegt, so dass die breite Treppenanlage an der Talseite abgebrochen werden musste. An ihre Stelle trat eine Fußgängerbrücke über Busbahnhof und Straße. Neben der Brücke wurde dem Kubus ein neues Treppenhaus vorgesetzt, an das sich zur Altstadt hin ein zweistöckiger Geschäftshausbau mit Putzfassade, großen verspiegelten Fensterflächen und angedeutetem Traufgesims anschließt – dieser wird von C&A genutzt. Nach zwei Umstrukturierungen 1998 und 1999, die mit der Überschreibung der Immobilie an zwei Tochtergesellschaften einhergingen, wurde der Kaufhof zum Jahresende 2000 geschlossen.
Aktuelle Pläne
Bis Anfang 2006 suchte man nach neuen Nutzungsmöglichkeiten für das ehemalige CENTRUM-Warenhaus in Suhl. Im Februar legte die Immobilien-Gesellschaft Florana aus Weimar ihre Umbaupläne vor. Für 25 Millionen Euro sollen die oberen beiden Verkaufsetagen abgebrochen und das Haus zu einer Shopping Mall mit benachbartem Parkhaus umgestaltet werden. Dazu soll ab Oktober der Rest der Kühnschen Gitterfassade entfernt werden. Auch die umlaufende Galerie mit der Fächertreppe wird verloren gehen. Gegen die Pläne des Investors wehrt sich eine eigens gegründete Bürgerinitiative, die den Wert des vorhandenen Bauwerks der Nachkriegsmoderne betont und alternative Konzepte erarbeitet hat. Eine von den Bürgern geforderte Unterschutzstellung des Außenbaus lehnt das Thüringische Landesdenkmalamt mit Blick auf die Umbauten der neunziger Jahre ab.
Doch das Vorgehen in Suhl ist in den östlichen Bundesländern kein Einzelfall. Gerade die Architektur der DDR-Nachkriegsmoderne ist vielerorts akut bedroht. Neben den Ensemblen der sozialistischen Innenstädte, die schon jetzt größtenteils nicht mehr existieren, sind nun herausragende Einzelbauten in Gefahr. Dies betrifft vor allem die Warenhäuser, die durch gewandelte Einkaufsgewohnheiten einem erhöhten Veränderungsdruck ausgesetzt sind. Nach der Beseitigung der Netzfassade am Berliner Alexanderplatz stehen in diesem Jahr weitere schwere Verluste bevor. Neben dem hier vorgestellten Suhler Bau ist auch die futuristische Wabenfassade des CENTRUM-Warenhauses an der Prager Straße in Dresden vom Abbruch bedroht. Damit würden in einem Jahr zwei bedeutende Schöpfungen der Nachkriegsmoderne verloren gehen.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel