Bauwerk
Haus Krohmer
Ingo Bucher-Beholz - Ehningen-Mauren (D)
Haus Krohmer in Mauren
13. Oktober 2006 - Brigitte Schultz
Mauren, ein kleiner Weiler in der schwäbischen Provinz, ist in der näheren Umgebung vor allem bekannt wegen eines ruhigen Ausflugslokals und eines Bauernhofs mit angeschlossenem „Lädle“. Die Geschichte des ehemaligen Adelsguts reicht zurück bis zu einer im Flusstal der Würm gelegenen mittelalterlichen Wasserburg, die 1320 erstmals schriftlich erwähnt wurde. Sie wurde Anfang des 17. Jahrhunderts abgerissen zugunsten eines von Heinrich Schickardt entworfenen Neubaus auf dem Hügel, da die feuchte Luft der Talaue für den Tod der Kinder des Ritters verantwortlich gemacht worden war. 1830 gelangte das Schlossgut mitsamt seiner großzügigen Parkanlage in den Besitz der Familie Löwis of Menar, deren Nachfahren es bis zur Bombenzerstörung 1943 bewohnten.
Durch den Brand auf seine Grundmauern reduziert, lagen die Reste des Schlosses danach jahrzehntelang unter einem Behelfsdach, während die ehemaligen Bewohner sich vorerst in der nahe gelegenen Remise einrichteten. Man arrangierte sich mit der denkmalgeschützten Ruine, die nun nur noch als Scheune und Werkstatt genutzt wurde. Ein Wiederaufbau des Familiensitzes in seiner historischen Gestalt, wie ihn das Denkmalamt anstrebte, stand für die Familie selbst nicht ernsthaft zur Diskussion. Dagegen sprach die Größe des Schlosses, die bei einer originalgetreuen Rekonstruktion zu 1500 Quadratmetern Wohnfläche geführt hätte, die man weder hätte bezahlen noch füllen können.
Obwohl die direkten Nachfahren, die Familie Krohmer, sich in den achtziger Jahren ein Wohnhaus im nahen Ehningen errichtet hatte, blieb der Wunsch, sich irgendwann wieder am angestammten Familiensitz niederzulassen. Nachdem der Sohn der Familie Ende der neunziger Jahre mit seiner Frau in die alte Remise zurückgekehrt war, konkretisierte sich der Plan, beide Generationen auf dem drei Hektar großen Grundstück in Mauren zusammenzuführen. Also suchte man nach einem geeigneten Architekten für einen Neubau, der den „toten Raum“ der Ruine wieder ins Familienleben integrieren sollte.
Was folgt, klingt wie der Traum von einer Bauherren-Architekten-Beziehung. Durch zwei Wohnhäuser in der Gegend wurde man auf den Architekten Ingo Bucher-Beholz aufmerksam und bat ihn um einen Entwurf. Dieser sollte in erster Linie finanzierbar und schnell zu realisieren sein sowie die Auflagen des Denkmalamts bezüglich Schutz und Instandhaltung der Ruine erfüllen. Eine Woche nach der Ortsbesichtigung präsentierte der Architekt den Bauherren das Modell zweier über der Ruine schwebender Baukörper, das spontan auf Begeisterung stieß, versprach es doch neben modernem Wohnraum auch den benötigten Wetterschutz für die Ruine. Nach einigen gemeinsamen Änderungen – die Familie wünschte sich statt der vorgeschlagenen Fassade aus Glas- und Holzelementen eine reine Glasfassade sowie eine direkte Verbindung der beiden Wohnebenen – wurde der Bauantrag eingereicht. Er betonte die „endgültige geschichtliche Zäsur“, die „nicht beschönigt, nicht kaschiert“ werden sollte – und wurde sowohl von der Gemeinde als auch vom Denkmalamt überraschend schnell genehmigt.
Schon ein Jahr nach der ersten Präsentation konnten die beiden Generationen Krohmer ihre spiegelsymmetrisch konzipierten Häuser beziehen, die mit Baukosten von 1200 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche den gegebenen finanziellen Rahmen exakt eingehalten haben. Die zwei orthogonalen Wohnboxen stehen in sechs Meter Höhe über der Ruine, zu der sie einen respektvollen Abstand wahren, um diese statisch – und optisch – nicht zu belasten. Getragen werden sie von je vier Stahlprofil-Stützen, die außerhalb der alten Mauern platziert sind, so dass der Raum darunter frei disponierbar bleibt. Er wird im Rahmen von Ausstellungen und Veranstaltungen der Öffentlichkeit regelmäßig zugänglich gemacht.
Die von der Straße gut einsehbare Nordseite macht durch ihre klare, mit Aluminium-Pigment-Farbe beschichtete Holzschalung einen geschlossenen und massiven Eindruck. Die gut sichtbar vor den Schlossmauern verlaufenden Installationsstränge verdeutlichen, dass es sich im Verständnis der Bewohner um die Rückseite des Gebäudes handelt. Zu den übrigen Seiten öffnet es sich mit einer raumhohen Glasfassade in Richtung des anschließenden Schlossgartens. Nach Süden erweitern sich die Räume zu einem um vier Meter auskragenden „Freisitz“, der einen weiten Blick über die denkmalgeschützte terrassierte Parkanlage bietet. Die jeweils 200 Quadratmeter großen Bauten werden über den „Patio“ der Ruine erschlossen, von dem aus eine schlicht verzinkte Stahltreppe auf den Verbindungssteg zwischen den beiden Häusern führt, der von den Bewohnern als zusätzliche Sonnenterrasse genutzt wird.
Im Innenraum, der auf der Seite der Eltern mit Originalstücken aus dem Schloss möbliert wurde, ist die Struktur des Gebäudes durch die offen liegende Stahlkonstruktion jederzeit spürbar. Für den Architekten lag die oberste Priorität in der konsequenten Umsetzung der statischen Anforderungen in eine klare Konstruktion, die seiner festen Überzeugung nach zwangsläufig zu qualitätvoller Architektur führt. Da die sechzehn Meter breite Ruine ohne Zwischenstützen überspannt werden musste, um das alte Gewölbe nicht punktuell zu belasten, bediente er sich des Prinzips des Vierendeel-Trägers – eine Rahmenbinder-Konstruktion, die üblicherweise im Industrie- und Brückenbau zur Anwendung kommt.
Decke und Boden des Gebäudes lagern auf zwei 22 Meter langen Stahlrahmen, deren Ober- und Untergurte im Abstand von vier Metern durch senkrechte Stiele biegesteif verbunden sind. So blieben dem Wohnraum hinderliche diagonale Aussteifungen erspart. Die dadurch allerdings 36 Zentimeter breiten Stützen im Innenraum werden in keinster Weise kaschiert: Mit der gleichen Metallglimmer-Farbe beschichtet wie die übrige Konstruktion, durchbrechen sie im nördlichen Bereich des Gebäudes mittig die weißen Trennwände der vier Zimmer, während sie im südlichen Teil frei im offenen Wohnraum stehen.
Da die Empfindlichkeit der Gewölbe und Mauern der Ruine den Einsatz von Gerüsten oder festen Kränen ausschloss, stellte die schnelle und einfache Montage eine weitere Herausforderung dar. Deshalb wurden alle Teile der Häuser vorgefertigt und an je einem Tag vor Ort zusammengesetzt. Auf die Stützen wurden zuerst die an einem Stück gelieferten Rahmen verschraubt, in die anschließend die vier mal zehn Meter messenden Holzkastenelemente eingelegt wurden. Danach hängte man die sechzehn Meter langen Leimholzprofile der Fassade ein, deren Scheiben zuletzt eingesetzt wurden. Das Gewicht des Gebäudes wird über die Stützen und über schnörkellose Betonfundamente in die Außenbereiche des historischen Gewölbes eingeleitet, das dadurch sein verlorengegangenes Auflager wieder erhält.
Die geschlossenen Seiten der Wohnboxen sind mit einer 30 Zentimeter starken Wärmedämmung versehen, die zu den Rändern hin allerdings auf die Hälfte reduziert wurde. Dies verleiht den Fassaden eine Filigranität, die den leichten Gesamteindruck der „schwebenden Kiste“ auch bei näherer Betrachtung erhält. Auf außenliegenden Sonnenschutz wurde aus ästhetischen Gründen verzichtet. Die erste sommerliche Bewährungsprobe haben die neuen Schlossherren dennoch gut überstanden, verfügt das Haus doch neben einem klimatisch günstigen Gründach in seiner luftigen Höhe auch über eine optimale natürliche Durchlüftung.
Durch den Brand auf seine Grundmauern reduziert, lagen die Reste des Schlosses danach jahrzehntelang unter einem Behelfsdach, während die ehemaligen Bewohner sich vorerst in der nahe gelegenen Remise einrichteten. Man arrangierte sich mit der denkmalgeschützten Ruine, die nun nur noch als Scheune und Werkstatt genutzt wurde. Ein Wiederaufbau des Familiensitzes in seiner historischen Gestalt, wie ihn das Denkmalamt anstrebte, stand für die Familie selbst nicht ernsthaft zur Diskussion. Dagegen sprach die Größe des Schlosses, die bei einer originalgetreuen Rekonstruktion zu 1500 Quadratmetern Wohnfläche geführt hätte, die man weder hätte bezahlen noch füllen können.
Obwohl die direkten Nachfahren, die Familie Krohmer, sich in den achtziger Jahren ein Wohnhaus im nahen Ehningen errichtet hatte, blieb der Wunsch, sich irgendwann wieder am angestammten Familiensitz niederzulassen. Nachdem der Sohn der Familie Ende der neunziger Jahre mit seiner Frau in die alte Remise zurückgekehrt war, konkretisierte sich der Plan, beide Generationen auf dem drei Hektar großen Grundstück in Mauren zusammenzuführen. Also suchte man nach einem geeigneten Architekten für einen Neubau, der den „toten Raum“ der Ruine wieder ins Familienleben integrieren sollte.
Was folgt, klingt wie der Traum von einer Bauherren-Architekten-Beziehung. Durch zwei Wohnhäuser in der Gegend wurde man auf den Architekten Ingo Bucher-Beholz aufmerksam und bat ihn um einen Entwurf. Dieser sollte in erster Linie finanzierbar und schnell zu realisieren sein sowie die Auflagen des Denkmalamts bezüglich Schutz und Instandhaltung der Ruine erfüllen. Eine Woche nach der Ortsbesichtigung präsentierte der Architekt den Bauherren das Modell zweier über der Ruine schwebender Baukörper, das spontan auf Begeisterung stieß, versprach es doch neben modernem Wohnraum auch den benötigten Wetterschutz für die Ruine. Nach einigen gemeinsamen Änderungen – die Familie wünschte sich statt der vorgeschlagenen Fassade aus Glas- und Holzelementen eine reine Glasfassade sowie eine direkte Verbindung der beiden Wohnebenen – wurde der Bauantrag eingereicht. Er betonte die „endgültige geschichtliche Zäsur“, die „nicht beschönigt, nicht kaschiert“ werden sollte – und wurde sowohl von der Gemeinde als auch vom Denkmalamt überraschend schnell genehmigt.
Schon ein Jahr nach der ersten Präsentation konnten die beiden Generationen Krohmer ihre spiegelsymmetrisch konzipierten Häuser beziehen, die mit Baukosten von 1200 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche den gegebenen finanziellen Rahmen exakt eingehalten haben. Die zwei orthogonalen Wohnboxen stehen in sechs Meter Höhe über der Ruine, zu der sie einen respektvollen Abstand wahren, um diese statisch – und optisch – nicht zu belasten. Getragen werden sie von je vier Stahlprofil-Stützen, die außerhalb der alten Mauern platziert sind, so dass der Raum darunter frei disponierbar bleibt. Er wird im Rahmen von Ausstellungen und Veranstaltungen der Öffentlichkeit regelmäßig zugänglich gemacht.
Die von der Straße gut einsehbare Nordseite macht durch ihre klare, mit Aluminium-Pigment-Farbe beschichtete Holzschalung einen geschlossenen und massiven Eindruck. Die gut sichtbar vor den Schlossmauern verlaufenden Installationsstränge verdeutlichen, dass es sich im Verständnis der Bewohner um die Rückseite des Gebäudes handelt. Zu den übrigen Seiten öffnet es sich mit einer raumhohen Glasfassade in Richtung des anschließenden Schlossgartens. Nach Süden erweitern sich die Räume zu einem um vier Meter auskragenden „Freisitz“, der einen weiten Blick über die denkmalgeschützte terrassierte Parkanlage bietet. Die jeweils 200 Quadratmeter großen Bauten werden über den „Patio“ der Ruine erschlossen, von dem aus eine schlicht verzinkte Stahltreppe auf den Verbindungssteg zwischen den beiden Häusern führt, der von den Bewohnern als zusätzliche Sonnenterrasse genutzt wird.
Im Innenraum, der auf der Seite der Eltern mit Originalstücken aus dem Schloss möbliert wurde, ist die Struktur des Gebäudes durch die offen liegende Stahlkonstruktion jederzeit spürbar. Für den Architekten lag die oberste Priorität in der konsequenten Umsetzung der statischen Anforderungen in eine klare Konstruktion, die seiner festen Überzeugung nach zwangsläufig zu qualitätvoller Architektur führt. Da die sechzehn Meter breite Ruine ohne Zwischenstützen überspannt werden musste, um das alte Gewölbe nicht punktuell zu belasten, bediente er sich des Prinzips des Vierendeel-Trägers – eine Rahmenbinder-Konstruktion, die üblicherweise im Industrie- und Brückenbau zur Anwendung kommt.
Decke und Boden des Gebäudes lagern auf zwei 22 Meter langen Stahlrahmen, deren Ober- und Untergurte im Abstand von vier Metern durch senkrechte Stiele biegesteif verbunden sind. So blieben dem Wohnraum hinderliche diagonale Aussteifungen erspart. Die dadurch allerdings 36 Zentimeter breiten Stützen im Innenraum werden in keinster Weise kaschiert: Mit der gleichen Metallglimmer-Farbe beschichtet wie die übrige Konstruktion, durchbrechen sie im nördlichen Bereich des Gebäudes mittig die weißen Trennwände der vier Zimmer, während sie im südlichen Teil frei im offenen Wohnraum stehen.
Da die Empfindlichkeit der Gewölbe und Mauern der Ruine den Einsatz von Gerüsten oder festen Kränen ausschloss, stellte die schnelle und einfache Montage eine weitere Herausforderung dar. Deshalb wurden alle Teile der Häuser vorgefertigt und an je einem Tag vor Ort zusammengesetzt. Auf die Stützen wurden zuerst die an einem Stück gelieferten Rahmen verschraubt, in die anschließend die vier mal zehn Meter messenden Holzkastenelemente eingelegt wurden. Danach hängte man die sechzehn Meter langen Leimholzprofile der Fassade ein, deren Scheiben zuletzt eingesetzt wurden. Das Gewicht des Gebäudes wird über die Stützen und über schnörkellose Betonfundamente in die Außenbereiche des historischen Gewölbes eingeleitet, das dadurch sein verlorengegangenes Auflager wieder erhält.
Die geschlossenen Seiten der Wohnboxen sind mit einer 30 Zentimeter starken Wärmedämmung versehen, die zu den Rändern hin allerdings auf die Hälfte reduziert wurde. Dies verleiht den Fassaden eine Filigranität, die den leichten Gesamteindruck der „schwebenden Kiste“ auch bei näherer Betrachtung erhält. Auf außenliegenden Sonnenschutz wurde aus ästhetischen Gründen verzichtet. Die erste sommerliche Bewährungsprobe haben die neuen Schlossherren dennoch gut überstanden, verfügt das Haus doch neben einem klimatisch günstigen Gründach in seiner luftigen Höhe auch über eine optimale natürliche Durchlüftung.
Für den Beitrag verantwortlich: Bauwelt
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ArchitekturBauherrschaft
Alexandra Krohmer
Ernst Krohmer
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Felix Krohmer
Tragwerksplanung