Bauwerk
Niederländische Botschaft in Addis Abeba
Dick van Gameren, Bjarne Mastenbroek, Abba Architects - Addis Abeba (ETH) - 2005
Roter Monolith
2. Januar 2007 - Pierijn van der Putt
In Lalibela, im Norden Äthiopiens, finden sich mehrere Kirchen, die den Besuchern, gleich welchen Glaubens, den Atem stocken lassen. Die im 13. Jahrhundert in den und aus dem Felsboden gehauenen christlichen Gotteshäuser sind Monolithen im wahrsten Sinne des Wortes – aus einem (mono) Stein (lithos). Dick van Gameren und Bjarne Mastenbroek dienten sie als Inspiration für die Architektur der Niederländischen Botschaft in Äthiopien, die sie noch in ihrer gemeinsamen Zeit bei de architectengroep entwarfen. Die Botschaft sollte, ähnlich den Kirchen, wie aus einem blockhaften Felsen zu bestehen scheinen. Somit fiel die Wahl des Baustoffes auf bewehrten Ortbeton.
Äthiopien kämpft mit einem Imageproblem. Seit Bob Geldof sein »Band Aid«-Konzert organisierte, beschwört jede Erwähnung des Landes automatisch die Bilder von ausgehungerten, von Fliegen umschwirrten Kindern herauf. Und der Krieg mit der Provinz Eritrea, der 1998 eskalierte, hat dieses negative Bild verstärkt. Dabei ist dies nur ein, wenngleich trauriger Teil der Realität. Internationale Diplomaten wissen die zentrale Lage und relative Stabilität des Landes zu schätzen, und Äthiopien, besonders seine Hauptstadt Addis Abeba, entwickelt sich immer mehr zu einem Zentrum für internationale Konferenzen. Nicht nur die African Union, das afrikanische Pendant zur Europäischen Union, hat dort ihren Sitz, sondern auch zahlreiche westliche Länder sind hier mit ihren Botschaften vertreten.
Die Niederländische Botschaft in Addis Abeba befindet sich auf einem acht Hektar großen bewaldeten Gelände am Rande der Stadt. Entlang des Westrands des Grundstücks verläuft die gerade fertiggestellte Ringstraße, im Osten öffnet sich ein Panoramablick auf Berggipfel und grüne Täler. In Nord-Süd-Richtung wird das Gelände diagonal von einem Hügelrücken durchschnitten.
Aus dieser landschaftlichen Zäsur ergab sich die Aufteilung des umfangreichen Raumprogramms in die Wohnbereiche auf der einen und die repräsentativen diplomatische Räumlichkeiten auf der anderen Seite des Grundstücks. Alle Wohnungen liegen in der westlichen Hälfte, während die Kanzlei und das Eingangsgebäude sich in der östlichen Hälfte befinden. Um das beeindruckende Landschaftsbild nicht zu stören, wurden die meisten Gebäude am Rand des Geländes angesiedelt. Bei der Kanzlei und der Botschafterwohnung, die aus Sicherheitsgründen mit großem Abstand zur Grundstücksgrenze zentral platziert werden mussten, entschied man sich dafür, diese als ein eigenständiges Element mit der Landschaft verschmelzen zu lassen. Die restlichen Gebäude – die Wohnung des Vizebotschafters, drei Wohnungen für Angestellte, eine Grundschule, ein Technikraum und das Eingangsgebäude – wurden gemäß dem Wunsch des Auftraggebers, die Qualitäten der Landschaft möglichst gut zur Geltung kommen zu lassen, über das ganze Gelände verteilt.
polderlandschaft in rotem beton
Die Architekten haben Residenz und Kanzlei in einem 14 Meter breiten und 140 Meter langen, massiv erscheinenden »Riegel« zusammengefasst. Durchgänge und Fenster wirken darin wie Einschnitte und die dahinter liegenden Räume, als wären sie aus dem »Block« ausgehöhlt worden. Wie die meisten anderen Gebäude besteht er aus rohem roten Beton. Hierbei von einem Sichtbeton zu sprechen, wäre zu weit gegriffen. Aufgrund der eher einfachen Baustelleneinrichtung waren komplexe Anforderungen an die Oberflächen nicht möglich, und die italienisch-äthiopische Baufirma konnte keine bessere Qualität garantieren. Da dies zu einem sehr frühen Zeitpunkt bekannt war, entschlossen sich die Architekten, dieses »Handicap« als gestaltgebendes Element in den Entwurf aufzunehmen. Der mit einem Pigment rot eingefärbte Ortbeton nimmt Bezug auf seine Umgebung – der Farbton entspricht dem der äthiopischen Erde. Das mit der Landschaft verschmelzende begehbare Dach wurde als Teich gestaltet, in dem äthiopische und niederländische Motive – Fragmente eines ziselierten äthiopischen Kreuzes und einer niederländischen Polderparzellierung – zu einer symbolischen künstlichen Landschaft vereint wurden. Auf typisch niederländische Weise wird hier unter dem Wasserspiegel gelebt und gearbeitet.
Ursprünglich sollte mit dem Regenwasser, das im Teich gesammelt wird, auch noch das Gelände besprengt werden – eine Form von intelligenter Wasserwirtschaft, die als Beispiel dafür hätte dienen können, wie niederländisches Ingenieurwissen eventuell einen Beitrag zur Entwicklung der äthiopischen Landwirtschaft beitragen könnte. Allerdings erwies sich die technische Umsetzung dieser Idee so kostspielig, dass lediglich ein »gewöhnlicher« Teich übrig blieb, in dem sich nur in der Regenzeit Wasser sammelt.
Die räumliche Organisation der Kanzlei ist sehr klar: Zu beiden Seiten eines zentralen, leicht ansteigenden Korridors liegen Büros, Nebenräume und ein Konferenzsaal. Am Ende des Gebäudes kragt das obere der zwei Geschosse weit aus. In diesem Kopf befinden sich die Büroräume des Botschafters. Im Gegensatz zum Korridor, dessen Wände die gleiche raue Betonoberfläche wie die Außenfassade haben, wurden die Büros und Nebenräume mit anderen Materialien, zum Beispiel Holz und Fliesen, verkleidet. Große, öffenbare Fenster sorgen für direkten Kontakt mit den umstehenden Nadelbäumen, Akazien und Eukalyptusbäumen.
Es gibt keinen Flur, der Kanzlei und Amtswohnung miteinander verbindet. Stattdessen kann der Botschafter von seinem Büro aus das Dach betreten und entlang eines Pfads zu seiner Wohnung gehen. Diese hat zwei Geschosse, die mit einer Funktionstrennung einhergehen: Im Obergeschoss befindet sich ein Empfangsraum, ein Speisesaal mit Küche und das Arbeitszimmer des Botschafters. Dort »schleichen« sich seine beruflichen Aufgaben in die Wohnumgebung ein. Drei recht versteckt gelegene Treppen führen in das untere Geschoss, in dem sich der eigentliche Privatbereich befindet.
Genau wie die Kanzlei, besteht er aus drei Teilen: Während im mittleren Bereich viel Beton zu sehen ist, sind die beiden außen liegenden Trakte mit »feineren« Materialien wie Holz und Putz ausgekleidet. Wohnzimmer, Salon und Esszimmer haben eine vollständig verglaste Fassade. Die Schlafzimmer liegen weiter innen im Riegel, sind sozusagen im Hügel vergraben.
Die auskragende Terrasse ist in Form und Größe eine Kopie der Auskragung auf der Kanzleiseite des Gebäudes. Die Botschaft ist kein glattes Gebäude. Im Gegenteil: An der rauen Fassade hat die aufwändig gezimmerte Schalung deutliche Spuren hinterlassen. Vielleicht ist das aber eher ein Vor- als ein Nachteil: Die Fassade der Botschaft erzählt dadurch die Geschichte ihrer eigenen Entstehung.
Diese Geschichte mag nicht so spektakulär sein wie die der Kirchen von Lalibela, aber sie zeugt doch von einer beeindruckenden Leistung. Böden, Wände und Dächer bilden auch hier eine einzige, nahtlose Einheit, die teils wie eine Grotte, teils wie ein skulptural behauener Felsbrocken wirkt. Es sei den Architekten vergeben, dass sie diesen Einheitlichkeitsgedanken noch weitertreiben wollten und dafür versucht haben, die zwei separaten, keilförmigen Gebäude, die mit den Spitzen zueinanderstehen, wie ein einziges Gebäude wirken zu lassen. Die landschaftlichen Qualitäten, die dadurch gewonnen wurden, machen diese kleine Unehrlichkeit mehr als wett.
Äthiopien kämpft mit einem Imageproblem. Seit Bob Geldof sein »Band Aid«-Konzert organisierte, beschwört jede Erwähnung des Landes automatisch die Bilder von ausgehungerten, von Fliegen umschwirrten Kindern herauf. Und der Krieg mit der Provinz Eritrea, der 1998 eskalierte, hat dieses negative Bild verstärkt. Dabei ist dies nur ein, wenngleich trauriger Teil der Realität. Internationale Diplomaten wissen die zentrale Lage und relative Stabilität des Landes zu schätzen, und Äthiopien, besonders seine Hauptstadt Addis Abeba, entwickelt sich immer mehr zu einem Zentrum für internationale Konferenzen. Nicht nur die African Union, das afrikanische Pendant zur Europäischen Union, hat dort ihren Sitz, sondern auch zahlreiche westliche Länder sind hier mit ihren Botschaften vertreten.
Die Niederländische Botschaft in Addis Abeba befindet sich auf einem acht Hektar großen bewaldeten Gelände am Rande der Stadt. Entlang des Westrands des Grundstücks verläuft die gerade fertiggestellte Ringstraße, im Osten öffnet sich ein Panoramablick auf Berggipfel und grüne Täler. In Nord-Süd-Richtung wird das Gelände diagonal von einem Hügelrücken durchschnitten.
Aus dieser landschaftlichen Zäsur ergab sich die Aufteilung des umfangreichen Raumprogramms in die Wohnbereiche auf der einen und die repräsentativen diplomatische Räumlichkeiten auf der anderen Seite des Grundstücks. Alle Wohnungen liegen in der westlichen Hälfte, während die Kanzlei und das Eingangsgebäude sich in der östlichen Hälfte befinden. Um das beeindruckende Landschaftsbild nicht zu stören, wurden die meisten Gebäude am Rand des Geländes angesiedelt. Bei der Kanzlei und der Botschafterwohnung, die aus Sicherheitsgründen mit großem Abstand zur Grundstücksgrenze zentral platziert werden mussten, entschied man sich dafür, diese als ein eigenständiges Element mit der Landschaft verschmelzen zu lassen. Die restlichen Gebäude – die Wohnung des Vizebotschafters, drei Wohnungen für Angestellte, eine Grundschule, ein Technikraum und das Eingangsgebäude – wurden gemäß dem Wunsch des Auftraggebers, die Qualitäten der Landschaft möglichst gut zur Geltung kommen zu lassen, über das ganze Gelände verteilt.
polderlandschaft in rotem beton
Die Architekten haben Residenz und Kanzlei in einem 14 Meter breiten und 140 Meter langen, massiv erscheinenden »Riegel« zusammengefasst. Durchgänge und Fenster wirken darin wie Einschnitte und die dahinter liegenden Räume, als wären sie aus dem »Block« ausgehöhlt worden. Wie die meisten anderen Gebäude besteht er aus rohem roten Beton. Hierbei von einem Sichtbeton zu sprechen, wäre zu weit gegriffen. Aufgrund der eher einfachen Baustelleneinrichtung waren komplexe Anforderungen an die Oberflächen nicht möglich, und die italienisch-äthiopische Baufirma konnte keine bessere Qualität garantieren. Da dies zu einem sehr frühen Zeitpunkt bekannt war, entschlossen sich die Architekten, dieses »Handicap« als gestaltgebendes Element in den Entwurf aufzunehmen. Der mit einem Pigment rot eingefärbte Ortbeton nimmt Bezug auf seine Umgebung – der Farbton entspricht dem der äthiopischen Erde. Das mit der Landschaft verschmelzende begehbare Dach wurde als Teich gestaltet, in dem äthiopische und niederländische Motive – Fragmente eines ziselierten äthiopischen Kreuzes und einer niederländischen Polderparzellierung – zu einer symbolischen künstlichen Landschaft vereint wurden. Auf typisch niederländische Weise wird hier unter dem Wasserspiegel gelebt und gearbeitet.
Ursprünglich sollte mit dem Regenwasser, das im Teich gesammelt wird, auch noch das Gelände besprengt werden – eine Form von intelligenter Wasserwirtschaft, die als Beispiel dafür hätte dienen können, wie niederländisches Ingenieurwissen eventuell einen Beitrag zur Entwicklung der äthiopischen Landwirtschaft beitragen könnte. Allerdings erwies sich die technische Umsetzung dieser Idee so kostspielig, dass lediglich ein »gewöhnlicher« Teich übrig blieb, in dem sich nur in der Regenzeit Wasser sammelt.
Die räumliche Organisation der Kanzlei ist sehr klar: Zu beiden Seiten eines zentralen, leicht ansteigenden Korridors liegen Büros, Nebenräume und ein Konferenzsaal. Am Ende des Gebäudes kragt das obere der zwei Geschosse weit aus. In diesem Kopf befinden sich die Büroräume des Botschafters. Im Gegensatz zum Korridor, dessen Wände die gleiche raue Betonoberfläche wie die Außenfassade haben, wurden die Büros und Nebenräume mit anderen Materialien, zum Beispiel Holz und Fliesen, verkleidet. Große, öffenbare Fenster sorgen für direkten Kontakt mit den umstehenden Nadelbäumen, Akazien und Eukalyptusbäumen.
Es gibt keinen Flur, der Kanzlei und Amtswohnung miteinander verbindet. Stattdessen kann der Botschafter von seinem Büro aus das Dach betreten und entlang eines Pfads zu seiner Wohnung gehen. Diese hat zwei Geschosse, die mit einer Funktionstrennung einhergehen: Im Obergeschoss befindet sich ein Empfangsraum, ein Speisesaal mit Küche und das Arbeitszimmer des Botschafters. Dort »schleichen« sich seine beruflichen Aufgaben in die Wohnumgebung ein. Drei recht versteckt gelegene Treppen führen in das untere Geschoss, in dem sich der eigentliche Privatbereich befindet.
Genau wie die Kanzlei, besteht er aus drei Teilen: Während im mittleren Bereich viel Beton zu sehen ist, sind die beiden außen liegenden Trakte mit »feineren« Materialien wie Holz und Putz ausgekleidet. Wohnzimmer, Salon und Esszimmer haben eine vollständig verglaste Fassade. Die Schlafzimmer liegen weiter innen im Riegel, sind sozusagen im Hügel vergraben.
Die auskragende Terrasse ist in Form und Größe eine Kopie der Auskragung auf der Kanzleiseite des Gebäudes. Die Botschaft ist kein glattes Gebäude. Im Gegenteil: An der rauen Fassade hat die aufwändig gezimmerte Schalung deutliche Spuren hinterlassen. Vielleicht ist das aber eher ein Vor- als ein Nachteil: Die Fassade der Botschaft erzählt dadurch die Geschichte ihrer eigenen Entstehung.
Diese Geschichte mag nicht so spektakulär sein wie die der Kirchen von Lalibela, aber sie zeugt doch von einer beeindruckenden Leistung. Böden, Wände und Dächer bilden auch hier eine einzige, nahtlose Einheit, die teils wie eine Grotte, teils wie ein skulptural behauener Felsbrocken wirkt. Es sei den Architekten vergeben, dass sie diesen Einheitlichkeitsgedanken noch weitertreiben wollten und dafür versucht haben, die zwei separaten, keilförmigen Gebäude, die mit den Spitzen zueinanderstehen, wie ein einziges Gebäude wirken zu lassen. Die landschaftlichen Qualitäten, die dadurch gewonnen wurden, machen diese kleine Unehrlichkeit mehr als wett.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel
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