Bauwerk
Wohnhaus in Oberursel
MEIXNER SCHLÜTER WENDT - Oberursel (D) - 2006
Im Setzkasten
Das knapp achtzig Jahre alte Ferienhaus hatte beim Erwerb des Grundstückes nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Doch dann wurde es zum Ausgangspunkt für den Entwurf eines neuen Familiendomizils. Als Haus im Haus steht es nun wie ein Ausstellungsstück in einem Kasten, auf vielfältige Weise mit diesem verzahnt und doch in auffälligem Kontrast dazu.
31. August 2007 - Rainer Franke
Ein Haus, das man nicht vergisst, wer es einmal gesehen hat, und sei es auch nur auf dem Papier, behält die Idee im Kopf. So ging es wohl auch den Bauherren, einer vierköpfigen Familie, die, wiewohl es eigentlich schon einen Entwurf für einen Neubau gab, auf der Suche nach überzeugenden Alternativen auf das Büro Meixner Schlüter Wendt gestoßen war.
Das Grundstück am Rande von Oberursel liegt in einem Gebiet, das mit seiner lockeren Streubebauung in die allgemeine Verdichtung des Großraumes Frankfurt geriet. Das Ferienhäuschen darauf, Ende der Zwanzigerjahre in Holzständerbauweise erbaut, war in jedem Falle zu klein. Ganz abgesehen von einem Standard, der nicht nur energietechnisch nach Neuanfang rief. Zusammen mit den großen Bäumen muss es jedoch genügend Charme gehabt haben, um den naheliegenden Abriss auch als drohenden Verlust zu empfinden: die breite Veranda, die zur Straße hin grüßte, die rote Bretterschalung, das gut geschnittene Erdgeschoss. Für den Abriss sprachen jedoch das kaum nutzbare Dachgeschoss, die dünnen Wände, die Hellhörigkeit.
Aus dem Dilemma zwischen scheinbar nur durch einen Neubau einzulösenden höheren Komfortansprüchen und dem Wunsch nach Bewahrung der Atmosphäre entsprang die Idee, dem Bau eine Art Käseglocke überzustülpen. Eine neue kubische Hülle, die mit dem Altbau in einen vielfältigen Dialog tritt. Der Dachstuhl wurde entfernt, die Querwände mitsamt den Kehlbalken abgeschnitten. Das Volumen des »Überhauses« ergab sich dann relativ schnell: Die beiden Längswände im Norden und Süden halten den notwendigen Grenzabstand ein, die neue Ostwand ist um die Breite eines Installationsschachtes knapp vor ihr altes Pendant gesetzt. Nur im Westen, vor der Veranda, rückt die neue Glasfront kräftig vom Alten ab, so dass ein großzügiger Wohnbereich entstehen konnte. Die Parallelität zu den Grenzen ergab eine leichte Verdrehung zwischen Alt und Neu. Auf der Südseite reichte der Abstand aus, um eine neue Kellertreppe im Zwischenraum unterzubringen.
Damit ist es schon angedeutet: Die Entwurfsschritte sind sehr gut nachvollziehbar. Das Volumen erscheint vertraut, es passt, im Gegensatz zum Ursprungsbau, zur heutigen Grundstücksgröße. Auch das Flachdach stellte kein Problem dar, denn der Bebauungsplan endet beim Nachbarn, es galt also § 34 BauGB. Was jedoch nachdenklich macht, ist die Ursprungsentscheidung: der radikale Ansatz, den Altbau stehen zu lassen. Denn so archetypisch dies scheint, so kompliziert erweist es sich in der Wirklichkeit dieses Hauses – im Räumlichen, im Konstruktiven; in der Frage nach Aufwand und Ergebnis. Diese stellt sich an allen Ecken und Enden. Dem im Konzept angelegten Diskurs zwischen Alt und Neu kann der Betrachter an keiner Stelle des Hauses entgehen.
Schein und Sein
Ein Holzhäuschen, von einem einfachen Kubus umhüllt – einfach? Schon bei der Hülle ist nichts einfach, denn der Altbau kann keinerlei Lasten aus dem Neubau aufnehmen, eher muss jener den Holzbau noch stützen. Die glatten Mauerwerkswände der neuen Hülle sind für sich genommen nicht aussteifbar, die Dachdecke muss von Außenwand zu Außenwand spannen. Sie konnte nicht einmal geschalt werden, denn worauf bitte hätte das Gerüst stehen sollen? So ist der Kubus, entgegen dem ersten Anschein, eben kein einfacher Mauerwerksbau, sondern eine durch ein verborgenes Stahlbetonskelett ertüchtigte Mischkonstruktion, und das Dach eine Spannbeton-Fertigteildecke, 27 Zentimeter dick. Nur dies war baubar. Sein und Schein, sehr pragmatisch gehandhabt. Die konstruktive Moral wird fast so klein geschrieben wie bei Hobbyarchitekten, denn es musste ja bezahlbar bleiben. Trotz allem »Aber« nicht unsympathisch, schließlich ist auch der zeitgenössische Minimalismus nicht so einfach wie er scheint. So viel Geld jedoch stand hier nicht zur Verfügung.
Das bisherige Markenzeichen der Architekten, die skulpturale Durcharbeitung ihrer Entwurfsideen, zeigt sich an den Fassaden. Es beginnt harmlos mit kleineren Fenstern, die vom Altbau auf die neuen Außenwände übertragen wurden. Daneben gibt es raumhohe oder zweigeschossige Öffnungen, und diese stehen für die so genannten Raum- und Lichtstutzen. Jene Elemente, die zwischen Alt und Neu Belichtung und Raumhöhen korrigieren. Auch das ist durchaus naheliegend, aber eben nur deshalb, weil es alte und neue Hülle nebeneinander gibt.
Die Stutzen entwickeln sich in der Regel von innen nach außen – mit einer Ausnahme: An der Nordfassade verkehrt sich das Prinzip. Dort lag der Eingang in das Haus, er tut es noch, und deswegen zeigen sich nur hier alte Fassadenteile außen. Knapp oberhalb sitzt der Raumstutzen des Kinderzimmers, der sich als Oberlicht ins Dach fortsetzt, so dass eine Art Nahtstelle entsteht. Spannungsreiche Proportionen, die man jedoch eher beiläufig wahrnimmt, denn der Zugangsweg führt knapp an der Putzfassade entlang, Abstand lässt sich keiner gewinnen. Ganz verglast schließlich die Gartenseite.
Der Weg im Innern demonstriert zunächst die Brauchbarkeit des Altbaus: Diele, Küche, Esszimmer, letztere über große Raumstutzen zu den neuen Außenwänden hin erweitert, so dass sie sogar größer wirken als sie eigentlich sind – die Macht des Lichts. Wirklich großzügig der zweigeschossige Wohnraum, den man über die alte Veranda erreicht, und dessen Vexierspiel sich jedem Besucher schon von außen durch die Glasfront ankündigt. Ein Schwenk um 180 Grad führt von der Diele in den geheimnisvoll wirkenden Gang des Obergeschosses, den ein Oberlicht und ein schmaler Luftraum abschließen. Alternativ zweigt man ab zum Arbeitszimmer, als das sich die große im Wohnraum schwebende Kiste entpuppt. Die Nahtstelle zum Luftraum akzentuieren zwei weitere Oberlichter. Der schwierigste Raum ist das Kinderzimmer, um das man dabei herumgeht, denn es konnte, treppenbedingt, nur über einen hochgesetzten Alkoven halbwegs mit der neuen Hülle verbunden werden. Ein Glasdach entschädigt gewissermaßen für diesen Umstand, wobei ein altes Binnenfenster den arbeitenden Eltern prüfende Blicke ermöglicht. Aber was soll’s? Das Holzhaus ist hellhörig wie eh.
Neben der Lichtführung ist das Spiel mit den Raumhöhen prägnant. Das alte Erdgeschoss niedrig, das Obergeschoss zunächst auch, dann aber in den Randbereichen viel höher, schließlich der zweigeschossige Wohnraum. Farbkonzept und Fugenbild zeichnen die verschiedenen Bauteile im Innern nach. Der Altbau cremig, die neue Hülle weiß, die Stutzen, zu denen auch der Arbeitsraum gezählt wird, lichtgrau. Sofern der enge Abstand zwischen Alt und Neu nur für Schränke und Installationen genutzt wird, zeigt dies ein Anthrazit an. Die Konsequenz der Schattenfuge erreicht allerdings nicht Scarpa’sche Perfektion, und die Anschlüsse waren in ihrer Dreidimensionalität oft so kompliziert, dass nur ein Modell oder Erklärungen vor Ort den Beteiligten klarmachte, was mit Holzbalken und Gipskarton zu tun war. Bauleitung selig.
Dass nebenbei ein paar neue Wandteile eingesetzt wurden, merkt man erst bei gründlichem Studium der Pläne. Wenn man dann aber genauer nachschaut, stößt man auch im Innern auf die Grenzen dieses Pragmatismus. Denn manchmal kam, was kommen musste bei solchen Umbauten: zum Beispiel Schadstofffunde oder Bauteile, die nach Maßgabe des Zimmermanns einfacher nachzubauen als zu restaurieren waren. So sind Holzschalung und Verandastützen der Schaufassade inzwischen neu, nur ein paar verräterische Fugen deuten auf aktuelle Verarbeitungsmethoden hin. Auch das alte Bogenfenster im Obergeschoss passte nicht recht, und so tut nun ein neues Fenster neben der Arbeitsbox, als ob es schon immer da gewesen wäre. Lässlicher andere Überraschungen wie das fehlende Fundament an der Südostecke. Dies bot wenigstens gleich Anlass, eine Art Wanne unter den Altbau zu schieben, welche die nicht unproblematischen Dichtungsaufgaben im Anschluss löste. Dass die sich alt gebenden Wände im Bereich der großen Öffnungen mit etlichen Stahlprofilen ertüchtigt werden mussten, ist hingegen wenig überraschend, zumal die alten Fassaden auch noch verspringen.
Aber noch einmal zurück zum Ausgangspunkt: Das alte Ferienhaus war ein bescheidenes. Es stellte weder einen Anspruch an Perfektion oder Luxus, noch war es ein Muster an struktiver Klarheit. Auch hier hatte der Baumeister gelegentlich Lösungen angewandt, die ein Purist nicht goutiert hätte.
Die Haltung, mit der die Architekten auf die Wirklichkeit dieses Altbaus reagierten, war deshalb angemessen. Das Alte zu einem Schmückstück herauszuputzen, das es nie hatte sein wollen, wäre genauso falsch gewesen, wie eine perfekte neue Hülle im Kontrast dagegenzusetzen. Einmal dem Charme des Alten erlegen, gab es also eigentlich keinen anderen Weg als diesen. Aber wie gesagt: So einfach die Idee, so kompliziert die Umsetzung, so einfach es sich die Architekten dabei gemacht haben, um alles bauen zu können – es bleibt letztlich doch ein Dilemma. Dieses zu akzeptieren, erfordert etwas Großzügigkeit. Dafür trägt das neue Ganze ein – sein – Bild in sich, und das ist ein kollektives Bild. Das macht es bei allem Unlösbaren doch vertraut. Einen reinen Neubau dagegenzuhalten, wäre graue Theorie.
Das Grundstück am Rande von Oberursel liegt in einem Gebiet, das mit seiner lockeren Streubebauung in die allgemeine Verdichtung des Großraumes Frankfurt geriet. Das Ferienhäuschen darauf, Ende der Zwanzigerjahre in Holzständerbauweise erbaut, war in jedem Falle zu klein. Ganz abgesehen von einem Standard, der nicht nur energietechnisch nach Neuanfang rief. Zusammen mit den großen Bäumen muss es jedoch genügend Charme gehabt haben, um den naheliegenden Abriss auch als drohenden Verlust zu empfinden: die breite Veranda, die zur Straße hin grüßte, die rote Bretterschalung, das gut geschnittene Erdgeschoss. Für den Abriss sprachen jedoch das kaum nutzbare Dachgeschoss, die dünnen Wände, die Hellhörigkeit.
Aus dem Dilemma zwischen scheinbar nur durch einen Neubau einzulösenden höheren Komfortansprüchen und dem Wunsch nach Bewahrung der Atmosphäre entsprang die Idee, dem Bau eine Art Käseglocke überzustülpen. Eine neue kubische Hülle, die mit dem Altbau in einen vielfältigen Dialog tritt. Der Dachstuhl wurde entfernt, die Querwände mitsamt den Kehlbalken abgeschnitten. Das Volumen des »Überhauses« ergab sich dann relativ schnell: Die beiden Längswände im Norden und Süden halten den notwendigen Grenzabstand ein, die neue Ostwand ist um die Breite eines Installationsschachtes knapp vor ihr altes Pendant gesetzt. Nur im Westen, vor der Veranda, rückt die neue Glasfront kräftig vom Alten ab, so dass ein großzügiger Wohnbereich entstehen konnte. Die Parallelität zu den Grenzen ergab eine leichte Verdrehung zwischen Alt und Neu. Auf der Südseite reichte der Abstand aus, um eine neue Kellertreppe im Zwischenraum unterzubringen.
Damit ist es schon angedeutet: Die Entwurfsschritte sind sehr gut nachvollziehbar. Das Volumen erscheint vertraut, es passt, im Gegensatz zum Ursprungsbau, zur heutigen Grundstücksgröße. Auch das Flachdach stellte kein Problem dar, denn der Bebauungsplan endet beim Nachbarn, es galt also § 34 BauGB. Was jedoch nachdenklich macht, ist die Ursprungsentscheidung: der radikale Ansatz, den Altbau stehen zu lassen. Denn so archetypisch dies scheint, so kompliziert erweist es sich in der Wirklichkeit dieses Hauses – im Räumlichen, im Konstruktiven; in der Frage nach Aufwand und Ergebnis. Diese stellt sich an allen Ecken und Enden. Dem im Konzept angelegten Diskurs zwischen Alt und Neu kann der Betrachter an keiner Stelle des Hauses entgehen.
Schein und Sein
Ein Holzhäuschen, von einem einfachen Kubus umhüllt – einfach? Schon bei der Hülle ist nichts einfach, denn der Altbau kann keinerlei Lasten aus dem Neubau aufnehmen, eher muss jener den Holzbau noch stützen. Die glatten Mauerwerkswände der neuen Hülle sind für sich genommen nicht aussteifbar, die Dachdecke muss von Außenwand zu Außenwand spannen. Sie konnte nicht einmal geschalt werden, denn worauf bitte hätte das Gerüst stehen sollen? So ist der Kubus, entgegen dem ersten Anschein, eben kein einfacher Mauerwerksbau, sondern eine durch ein verborgenes Stahlbetonskelett ertüchtigte Mischkonstruktion, und das Dach eine Spannbeton-Fertigteildecke, 27 Zentimeter dick. Nur dies war baubar. Sein und Schein, sehr pragmatisch gehandhabt. Die konstruktive Moral wird fast so klein geschrieben wie bei Hobbyarchitekten, denn es musste ja bezahlbar bleiben. Trotz allem »Aber« nicht unsympathisch, schließlich ist auch der zeitgenössische Minimalismus nicht so einfach wie er scheint. So viel Geld jedoch stand hier nicht zur Verfügung.
Das bisherige Markenzeichen der Architekten, die skulpturale Durcharbeitung ihrer Entwurfsideen, zeigt sich an den Fassaden. Es beginnt harmlos mit kleineren Fenstern, die vom Altbau auf die neuen Außenwände übertragen wurden. Daneben gibt es raumhohe oder zweigeschossige Öffnungen, und diese stehen für die so genannten Raum- und Lichtstutzen. Jene Elemente, die zwischen Alt und Neu Belichtung und Raumhöhen korrigieren. Auch das ist durchaus naheliegend, aber eben nur deshalb, weil es alte und neue Hülle nebeneinander gibt.
Die Stutzen entwickeln sich in der Regel von innen nach außen – mit einer Ausnahme: An der Nordfassade verkehrt sich das Prinzip. Dort lag der Eingang in das Haus, er tut es noch, und deswegen zeigen sich nur hier alte Fassadenteile außen. Knapp oberhalb sitzt der Raumstutzen des Kinderzimmers, der sich als Oberlicht ins Dach fortsetzt, so dass eine Art Nahtstelle entsteht. Spannungsreiche Proportionen, die man jedoch eher beiläufig wahrnimmt, denn der Zugangsweg führt knapp an der Putzfassade entlang, Abstand lässt sich keiner gewinnen. Ganz verglast schließlich die Gartenseite.
Der Weg im Innern demonstriert zunächst die Brauchbarkeit des Altbaus: Diele, Küche, Esszimmer, letztere über große Raumstutzen zu den neuen Außenwänden hin erweitert, so dass sie sogar größer wirken als sie eigentlich sind – die Macht des Lichts. Wirklich großzügig der zweigeschossige Wohnraum, den man über die alte Veranda erreicht, und dessen Vexierspiel sich jedem Besucher schon von außen durch die Glasfront ankündigt. Ein Schwenk um 180 Grad führt von der Diele in den geheimnisvoll wirkenden Gang des Obergeschosses, den ein Oberlicht und ein schmaler Luftraum abschließen. Alternativ zweigt man ab zum Arbeitszimmer, als das sich die große im Wohnraum schwebende Kiste entpuppt. Die Nahtstelle zum Luftraum akzentuieren zwei weitere Oberlichter. Der schwierigste Raum ist das Kinderzimmer, um das man dabei herumgeht, denn es konnte, treppenbedingt, nur über einen hochgesetzten Alkoven halbwegs mit der neuen Hülle verbunden werden. Ein Glasdach entschädigt gewissermaßen für diesen Umstand, wobei ein altes Binnenfenster den arbeitenden Eltern prüfende Blicke ermöglicht. Aber was soll’s? Das Holzhaus ist hellhörig wie eh.
Neben der Lichtführung ist das Spiel mit den Raumhöhen prägnant. Das alte Erdgeschoss niedrig, das Obergeschoss zunächst auch, dann aber in den Randbereichen viel höher, schließlich der zweigeschossige Wohnraum. Farbkonzept und Fugenbild zeichnen die verschiedenen Bauteile im Innern nach. Der Altbau cremig, die neue Hülle weiß, die Stutzen, zu denen auch der Arbeitsraum gezählt wird, lichtgrau. Sofern der enge Abstand zwischen Alt und Neu nur für Schränke und Installationen genutzt wird, zeigt dies ein Anthrazit an. Die Konsequenz der Schattenfuge erreicht allerdings nicht Scarpa’sche Perfektion, und die Anschlüsse waren in ihrer Dreidimensionalität oft so kompliziert, dass nur ein Modell oder Erklärungen vor Ort den Beteiligten klarmachte, was mit Holzbalken und Gipskarton zu tun war. Bauleitung selig.
Dass nebenbei ein paar neue Wandteile eingesetzt wurden, merkt man erst bei gründlichem Studium der Pläne. Wenn man dann aber genauer nachschaut, stößt man auch im Innern auf die Grenzen dieses Pragmatismus. Denn manchmal kam, was kommen musste bei solchen Umbauten: zum Beispiel Schadstofffunde oder Bauteile, die nach Maßgabe des Zimmermanns einfacher nachzubauen als zu restaurieren waren. So sind Holzschalung und Verandastützen der Schaufassade inzwischen neu, nur ein paar verräterische Fugen deuten auf aktuelle Verarbeitungsmethoden hin. Auch das alte Bogenfenster im Obergeschoss passte nicht recht, und so tut nun ein neues Fenster neben der Arbeitsbox, als ob es schon immer da gewesen wäre. Lässlicher andere Überraschungen wie das fehlende Fundament an der Südostecke. Dies bot wenigstens gleich Anlass, eine Art Wanne unter den Altbau zu schieben, welche die nicht unproblematischen Dichtungsaufgaben im Anschluss löste. Dass die sich alt gebenden Wände im Bereich der großen Öffnungen mit etlichen Stahlprofilen ertüchtigt werden mussten, ist hingegen wenig überraschend, zumal die alten Fassaden auch noch verspringen.
Aber noch einmal zurück zum Ausgangspunkt: Das alte Ferienhaus war ein bescheidenes. Es stellte weder einen Anspruch an Perfektion oder Luxus, noch war es ein Muster an struktiver Klarheit. Auch hier hatte der Baumeister gelegentlich Lösungen angewandt, die ein Purist nicht goutiert hätte.
Die Haltung, mit der die Architekten auf die Wirklichkeit dieses Altbaus reagierten, war deshalb angemessen. Das Alte zu einem Schmückstück herauszuputzen, das es nie hatte sein wollen, wäre genauso falsch gewesen, wie eine perfekte neue Hülle im Kontrast dagegenzusetzen. Einmal dem Charme des Alten erlegen, gab es also eigentlich keinen anderen Weg als diesen. Aber wie gesagt: So einfach die Idee, so kompliziert die Umsetzung, so einfach es sich die Architekten dabei gemacht haben, um alles bauen zu können – es bleibt letztlich doch ein Dilemma. Dieses zu akzeptieren, erfordert etwas Großzügigkeit. Dafür trägt das neue Ganze ein – sein – Bild in sich, und das ist ein kollektives Bild. Das macht es bei allem Unlösbaren doch vertraut. Einen reinen Neubau dagegenzuhalten, wäre graue Theorie.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel
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