Bauwerk
Ausstellungsgebäude einer Wohnungsbaugesellschaft
Cho Minsuk - Busan (ROK) - 2007
Subversives Raumwunder
Der Architekt Cho Minsuk gehört zu den führenden Vertretern der jungen koreanischen Architekturszene. Nach seinem Studium an der Yonsei University in Seoul und der Columbia University in New York arbeitete er zunächst in verschiedenen Büros, unter anderem bei OMA/Rem Koolhaas in Rotterdam, ehe er sich 1998 in New York selbstständig machte. Gemeinsam mit Park Kisu gründete er 2003 in Seoul das Büro Mass Studies, das mit seinen avantgardistischen Projekten bald weit über Koreas Grenzen hinaus Aufmerksamkeit erregte.
2. Oktober 2007 - Mathias Remmele
So grauenhaft einem aus mitteleuropäischer Perspektive die mitunter riesigen Wohnblocks, die heute das Bild der koreanischen Städte prägen, in gestalterischer und städtebaulicher Hinsicht auch erscheinen mögen – sie gehören zur architektonischen Realität des Landes, ja sie sind ein Teil seiner kulturellen Identität. Kein anderer Architekt in Korea hat sich so intensiv und kritisch mit dem Phänomen dieser Wohnungetüme auseinandergesetzt wie Cho Minsuk, der sie ebenso spöttisch wie treffend als »Hilbersheimer« bezeichnet. Die Zahlen, die er präsentiert, um die Bedeutung dieser Architektur- und Wohnform für die koreanische Gesellschaft zu illustrieren, sprechen für sich: noch 1990 haben erst 30 Prozent aller Südkoreaner in einem Apartmenthaus gelebt, 2006 waren es bereits 70 Prozent. Diese Ziffern belegen einerseits die schier unglaubliche Dynamik des koreanischen Wohnungsbausektors, sie deuten andererseits auf eine allmählich absehbare Sättigung des Marktes hin. Manche Beobachter meinen freilich, der Boom werde noch sehr lange anhalten, denn mittlerweile hat man damit begonnen, die ersten, aus den sechziger und siebziger Jahren stammenden Apartmenthäuser abzureißen und durch modernere Anlagen zu ersetzen. Der Bau (zunehmend luxuriöser) Großsiedlungen mit Hunderten, ja Tausenden von Eigentumswohnungen verspricht weiterhin ein gutes Geschäft zu sein; für ihre Vermarktung allerdings muss mehr getan werden als in den letzten Jahrzehnten. Das ist der wesentliche Grund, weshalb die großen, landesweit agierenden Baugesellschaften, die solche Siedlungen entwickeln, errichten und verkaufen, mehr und mehr in Branding-Maßnahmen investieren.
Ein faustischer Pakt
Vor diesem Hintergrund ist die von Cho Minsuk entworfene Xi Gallery in Busan zu sehen. Denn es handelt sich hier nicht etwa um eine im Kunstbereich tätige Galerie, sondern – zumindest im Kern – um den Showroom einer der großen Baugesellschaften. Ein Gebäude also, in dem das Unternehmen seine Produkte in Form von Musterwohnungen der interessierten Öffentlichkeit vorstellen und verkaufen möchte. Bei der Xi Gallery und einigen artverwandten Projekten, die in jüngster Zeit entstanden sind, geht es nicht mehr allein um den Vertrieb. Um die Attraktivität der Showrooms zu steigern, werden sie mit Zusatzfunktionen aufgeladen – in der Regel kultureller und gastronomischer Art. Das Bauunternehmen tritt dabei als Sponsor auf und lockt so ein größeres Publikum in sein Haus. Das wiederum soll sich positiv auf den »Brand« auswirken; man kennt diese Art von Marketing-Konzept. Bemerkenswert, dass sich die Baugesellschaften, die sich bisher herzlich wenig um die architektonische Qualität ihre Produkte gekümmert haben, auf einmal gezwungen sehen, mit kreativen Kräften zu arbeiten. Für die Architekten wiederum ist die Zusammenarbeit mit den Baugesellschaften ein heißes Eisen, da sie hier mit ihrer Arbeit zur Verbreitung von Bauten beitragen sollen, die ihren eigenen Ansprüchen und Vorstellungen meist diametral gegenüberstehen. Nicht ohne Grund spricht Cho Minsuk bei diesem Projekt von einem »faustischen Pakt« auf den er sich eingelassen habe.
Eine abstrakte Landschaft
Die Xi Gallery liegt an der mehrspurigen Hauptstraße eines heterogen bebauten, eher peripheren Stadtquartiers von Busan, der zweitgrößten Stadt Koreas. Zwischen belanglosen Wohn- und Geschäftshäusern ist bereits die ebenso ungewöhnliche wie rätselhafte äußere Erscheinung des Neubaus dazu angetan, die Aufmerksamkeit der Passanten zu erregen. Zunächst nimmt man einen unregelmäßig geformten, kompakten Baukörper von erheblichen Dimensionen wahr, der auskragend auf einem teilbegrünten Sockel sitzt. Dass er trotz seines Volumens keinesweg bedrückend schwer wirkt, verdankt er seiner hellen Farbigkeit und vor allem seiner transluzenten, aus vertikal ausgerichteten Luftkissen bestehenden Fassade. Sie ist das Erkennungszeichen dieses Gebäudes, das vor allem bei Dunkelheit, wenn die Luftkissenfassade von innen beleuchtet in wechselnden Farben erstrahlt, weithin sichtbar ist. Während der kompakte, auf einem annährend quadratischen Grundriss basierende Baukörper wenig über seine mögliche Nutzung verrät, lässt er keinen Zweifel daran aufkommen, wo sich sein Eingang befindet und dass er von vielen Menschen betreten werden will: Eine großzügige, sich nach oben hin verbreiternde Freitreppe markiert an einer straßenseitigen Gebäudeecke den verglasten Haupteingang, über dem das luftkissenverkleidete Volumen in einer dramatischen Geste nach oben schwingt.
Für die Xi Gallery konnte Mass Studies eine klare dreiteilige Gliederung entwickeln: zu unterst eine Sockelzone mit Parkhaus, Lager- und Technikräumen, darauf eine mittlere Ebene mit den gemeinnützig-kulturellen Sondernutzungen, die das Bauwerk für die Allgemeinheit attraktiv machen sollen und zu oberst, in dem mit Luftkissen verkleideten Teil, der Ausstellungsbereich der Baugesellschaft – eine mit einer großen Messehalle vergleichbare, offene Raumstruktur, in die Musterwohnungen eingebaut werden.
Im Zentrum des Gebäudes und der entwerferischen Anstrengungen steht also nicht der Showroom, sondern der Bereich, in dem sich der Bauherr als freimütiger Gastgeber und kultureller Wohltäter präsentiert.
Ein einfaches Landschaftsmotiv hat die Gestaltung der mittleren Ebene inspiriert. Cho Minsuk spricht von einem Tal zwischen zwei Bergen. Das Tal ist die diagonale Hauptachse durch das Gebäude, deren Richtung schon durch die Freitreppe am Außenbau vorgegeben ist. An ihrem, dem Haupteingang gegenüberliegenden Ende erreichen die Besucher eine Fläche für Wechselausstellungen und einen Veranstaltungssaal, der für Vorträge, Filmvorführungen aber auch kleinere Musik- oder Theaterdarbietungen geeignet ist. Auch die dezent im hinteren Teil des Gebäudes situierten Büros und Verkaufsräume der Wohnungsbaugesellschaft werden von hier aus erschlossen. Rechts und links der Hauptachse erheben sich die »Berge«. In ihrem Inneren, das über tiefe Einschnitte in den Berg-Flanken erreichbar ist, befinden sich Räumlichkeiten für eine Koch- und eine Yoga-Schule sowie ein Spielbereich für Kinder. Die Berge sind als komplexe geometrische Körper geformt, deren verschieden geschnittenen Außenflächen auf die vielfältigste Weise gestaltet und genutzt werden. Mal sind die Flanken mit Kakteen bepflanzt, mal werden sie für Wasserspiele genutzt, mal weisen sie eine treppenartige Struktur auf, die sich als Ruheplatz und bei Bedarf auch als Zuschauertribüne anbietet.
Unvergleichliches Raumkontinuum
Eine ganze Reihe von »regulären« Treppen und Rolltreppen erschließen den Besuchern die Berggipfel, von denen aus sowohl der Wohnungs-Showroom im Obergeschoss als auch ein weiterer Veranstaltungssaal erreichbar sind, dessen Volumen quasi als umgekehrter Berg in den Luftraum über der Zentralachse hineinragt. Ähnlich komplex geformt wie die das Tal flankierenden Berge sorgt er im Zusammenspiel mit ihnen im Innern der Xi Gallery für jenes ungemein komplexe Raumkontinuum, das jeden Besuch des Gebäudes zu einem unvergleichlichen Erlebnis macht. Wer das Gebäude durchwandert – und dazu packt einen beim Betreten sogleich die Lust – bemerkt, wie sich der Raum Schritt für Schritt verändert, wie er sich verengt und wieder weitet, sich immer wieder neue Perspektiven ergeben, sich die Atmosphäre je nach Licht und in Abhängigkeit von den jeweils vorherrschenden Materialien und Farben wandelt. Das ist ein Vergnügen sondergleichen und eine bewundernswerte entwerferische Meisterleistung, die umso mehr erstaunt, wenn man bedenkt, in welch sagenhaftem Tempo dieser rund 50 Mio $ teure Bau geplant und errichtet wurde: Die Entwurfsphase dauerte gerade einmal von November 2006 bis März dieses Jahres. Und die Bauarbeiten, die im gleichen Monat begannen, konnten schon im August weitgehend abgeschlossen wurden.
Mass Studies haben in der Xi Gallery ein gestalterisches Feuerwerk gezündet, das seinen Besuchern eindrücklich vor Augen führt, was Architektur kann, über welche räumlichen Möglichkeiten sie verfügt, was sich mit Material und mit Farben alles machen lässt. Man kann das als subversive erzieherische Maßnahme begreifen, denn wie fad und geistlos müssen den Besuchern nach diesem Erlebnis die Stangenwaren im Showroom der Wohnungsbaugesellschaft erscheinen.
Ein faustischer Pakt
Vor diesem Hintergrund ist die von Cho Minsuk entworfene Xi Gallery in Busan zu sehen. Denn es handelt sich hier nicht etwa um eine im Kunstbereich tätige Galerie, sondern – zumindest im Kern – um den Showroom einer der großen Baugesellschaften. Ein Gebäude also, in dem das Unternehmen seine Produkte in Form von Musterwohnungen der interessierten Öffentlichkeit vorstellen und verkaufen möchte. Bei der Xi Gallery und einigen artverwandten Projekten, die in jüngster Zeit entstanden sind, geht es nicht mehr allein um den Vertrieb. Um die Attraktivität der Showrooms zu steigern, werden sie mit Zusatzfunktionen aufgeladen – in der Regel kultureller und gastronomischer Art. Das Bauunternehmen tritt dabei als Sponsor auf und lockt so ein größeres Publikum in sein Haus. Das wiederum soll sich positiv auf den »Brand« auswirken; man kennt diese Art von Marketing-Konzept. Bemerkenswert, dass sich die Baugesellschaften, die sich bisher herzlich wenig um die architektonische Qualität ihre Produkte gekümmert haben, auf einmal gezwungen sehen, mit kreativen Kräften zu arbeiten. Für die Architekten wiederum ist die Zusammenarbeit mit den Baugesellschaften ein heißes Eisen, da sie hier mit ihrer Arbeit zur Verbreitung von Bauten beitragen sollen, die ihren eigenen Ansprüchen und Vorstellungen meist diametral gegenüberstehen. Nicht ohne Grund spricht Cho Minsuk bei diesem Projekt von einem »faustischen Pakt« auf den er sich eingelassen habe.
Eine abstrakte Landschaft
Die Xi Gallery liegt an der mehrspurigen Hauptstraße eines heterogen bebauten, eher peripheren Stadtquartiers von Busan, der zweitgrößten Stadt Koreas. Zwischen belanglosen Wohn- und Geschäftshäusern ist bereits die ebenso ungewöhnliche wie rätselhafte äußere Erscheinung des Neubaus dazu angetan, die Aufmerksamkeit der Passanten zu erregen. Zunächst nimmt man einen unregelmäßig geformten, kompakten Baukörper von erheblichen Dimensionen wahr, der auskragend auf einem teilbegrünten Sockel sitzt. Dass er trotz seines Volumens keinesweg bedrückend schwer wirkt, verdankt er seiner hellen Farbigkeit und vor allem seiner transluzenten, aus vertikal ausgerichteten Luftkissen bestehenden Fassade. Sie ist das Erkennungszeichen dieses Gebäudes, das vor allem bei Dunkelheit, wenn die Luftkissenfassade von innen beleuchtet in wechselnden Farben erstrahlt, weithin sichtbar ist. Während der kompakte, auf einem annährend quadratischen Grundriss basierende Baukörper wenig über seine mögliche Nutzung verrät, lässt er keinen Zweifel daran aufkommen, wo sich sein Eingang befindet und dass er von vielen Menschen betreten werden will: Eine großzügige, sich nach oben hin verbreiternde Freitreppe markiert an einer straßenseitigen Gebäudeecke den verglasten Haupteingang, über dem das luftkissenverkleidete Volumen in einer dramatischen Geste nach oben schwingt.
Für die Xi Gallery konnte Mass Studies eine klare dreiteilige Gliederung entwickeln: zu unterst eine Sockelzone mit Parkhaus, Lager- und Technikräumen, darauf eine mittlere Ebene mit den gemeinnützig-kulturellen Sondernutzungen, die das Bauwerk für die Allgemeinheit attraktiv machen sollen und zu oberst, in dem mit Luftkissen verkleideten Teil, der Ausstellungsbereich der Baugesellschaft – eine mit einer großen Messehalle vergleichbare, offene Raumstruktur, in die Musterwohnungen eingebaut werden.
Im Zentrum des Gebäudes und der entwerferischen Anstrengungen steht also nicht der Showroom, sondern der Bereich, in dem sich der Bauherr als freimütiger Gastgeber und kultureller Wohltäter präsentiert.
Ein einfaches Landschaftsmotiv hat die Gestaltung der mittleren Ebene inspiriert. Cho Minsuk spricht von einem Tal zwischen zwei Bergen. Das Tal ist die diagonale Hauptachse durch das Gebäude, deren Richtung schon durch die Freitreppe am Außenbau vorgegeben ist. An ihrem, dem Haupteingang gegenüberliegenden Ende erreichen die Besucher eine Fläche für Wechselausstellungen und einen Veranstaltungssaal, der für Vorträge, Filmvorführungen aber auch kleinere Musik- oder Theaterdarbietungen geeignet ist. Auch die dezent im hinteren Teil des Gebäudes situierten Büros und Verkaufsräume der Wohnungsbaugesellschaft werden von hier aus erschlossen. Rechts und links der Hauptachse erheben sich die »Berge«. In ihrem Inneren, das über tiefe Einschnitte in den Berg-Flanken erreichbar ist, befinden sich Räumlichkeiten für eine Koch- und eine Yoga-Schule sowie ein Spielbereich für Kinder. Die Berge sind als komplexe geometrische Körper geformt, deren verschieden geschnittenen Außenflächen auf die vielfältigste Weise gestaltet und genutzt werden. Mal sind die Flanken mit Kakteen bepflanzt, mal werden sie für Wasserspiele genutzt, mal weisen sie eine treppenartige Struktur auf, die sich als Ruheplatz und bei Bedarf auch als Zuschauertribüne anbietet.
Unvergleichliches Raumkontinuum
Eine ganze Reihe von »regulären« Treppen und Rolltreppen erschließen den Besuchern die Berggipfel, von denen aus sowohl der Wohnungs-Showroom im Obergeschoss als auch ein weiterer Veranstaltungssaal erreichbar sind, dessen Volumen quasi als umgekehrter Berg in den Luftraum über der Zentralachse hineinragt. Ähnlich komplex geformt wie die das Tal flankierenden Berge sorgt er im Zusammenspiel mit ihnen im Innern der Xi Gallery für jenes ungemein komplexe Raumkontinuum, das jeden Besuch des Gebäudes zu einem unvergleichlichen Erlebnis macht. Wer das Gebäude durchwandert – und dazu packt einen beim Betreten sogleich die Lust – bemerkt, wie sich der Raum Schritt für Schritt verändert, wie er sich verengt und wieder weitet, sich immer wieder neue Perspektiven ergeben, sich die Atmosphäre je nach Licht und in Abhängigkeit von den jeweils vorherrschenden Materialien und Farben wandelt. Das ist ein Vergnügen sondergleichen und eine bewundernswerte entwerferische Meisterleistung, die umso mehr erstaunt, wenn man bedenkt, in welch sagenhaftem Tempo dieser rund 50 Mio $ teure Bau geplant und errichtet wurde: Die Entwurfsphase dauerte gerade einmal von November 2006 bis März dieses Jahres. Und die Bauarbeiten, die im gleichen Monat begannen, konnten schon im August weitgehend abgeschlossen wurden.
Mass Studies haben in der Xi Gallery ein gestalterisches Feuerwerk gezündet, das seinen Besuchern eindrücklich vor Augen führt, was Architektur kann, über welche räumlichen Möglichkeiten sie verfügt, was sich mit Material und mit Farben alles machen lässt. Man kann das als subversive erzieherische Maßnahme begreifen, denn wie fad und geistlos müssen den Besuchern nach diesem Erlebnis die Stangenwaren im Showroom der Wohnungsbaugesellschaft erscheinen.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel