Bauwerk
Museum Jasenovac
Helena Paver Njiric, Ana Krstulovic, Marin Kaliterna - Jasenovac (HR) - 2006
Erkenntnis statt Entsetzen
Den Innenräumen der Gedenkstätte liegt ein Gestaltungskonzept zugrunde, das nicht auf die Effekte des Grauens setzt, sondern auf die Idee einer empathischen Beziehung zu den Opfern. Es zählt nicht die an vielen anderen Gedenkstätten praktizierte Inszenierung des schieren Horrors. Die Besucher sollen vielmehr eine aktive und produktive Haltung gegenüber der Geschichte und ihrer eigenen Lebenssituation einnehmen.
3. Januar 2008 - Maroje Mrduljaš
Die Gedenkstätte Jasenovac des Ustascha-Konzentrationslagers aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges zeigt ein kroatisches Geschichtsthema par excellence auf. Dazu gehören zahlreiche Aspekte, die im Wesentlichen die heutige Identität Kroatiens widerspiegeln. Darüber hinaus legt Jasenovac aber auch unmittelbar Zeugnis vom universellen Charakter der Gewalt ab.
Um die Eigenheiten von Jasenovac und die Einzigartigkeit der Projektlösung besser verstehen zu können, hilft ein Rückblick auf das sozialistische Jugoslawien. Das Konzept des »Sozialismus mit menschlichem Antlitz« und die Idee der »Blockfreiheit« sowie der »Bewegung der blockfreien Staaten« hatten sich in Titos Jugoslawien früh als Leitvorstellungen der Staatsidentität entwickelt. Im Gegensatz zu den Ostblockländern und in geringerem Maße den Ländern des Westens wurde in Jugoslawien der ideologische Feind nicht so sehr als der »Andere« oder als der Antipode des bestehenden Systems, zu dem es ohnehin keine denkbare Alternative gab, definiert. Die kollektive Paranoia, offensichtlich eine Notwendigkeit für die jeweils herrschende Ideologie der modernen Gesellschaften, wurde aus Phantasmagorien der ständig wieder heraufbeschworenen Vergangenheit des Zweiten Weltkrieges genährt. Der Sieg über den Faschismus wurde bei Veranstaltungen und Großdemonstrationen gefeiert und wirkte so über die Zeit hinweg. Pathetisch und suggestiv wurde auf die gemeinsamen Errungenschaften und den Einsatz jedes Einzelnen für die gemeinsame Zukunft hingewiesen. Auf Massenfeiern, im Erziehungswesen, in der Populärkultur und besonders durch die Errichtung von Denkmälern wurde der Krieg dauernd in Erinnerung gerufen. Zum umfangreichen und oft schaurigen Repertoire dieser Inszenierungen gehören Stätten, an denen Massenhinrichtungen stattgefunden und Partisanen empfindliche Verluste davongetragen hatten sowie unterirdisch angelegte Krankenhäuser und Lager. Der kollektive Schmerz und das Leid wurden genau lokalisiert, restauriert, für den musealen Zweck narrativ und dokumentarisch aufbereitet, also im höchsten Maße vom Ort selbst definiert. Hier sollte die Gefahr und die Beklommenheit in perverser Weise künstlich am Leben erhalten werden.
Neue Wege des Gedenkens
In Qualität und Ausdruck ist das Spektrum der zahlreichen Denkmäler im Land sehr heterogen, deshalb seien hier nur kurz die Bildhauer Vojin Bakic und Dušan Džamonja oder eine Reihe von subtilen, ortsbezogenen Arbeiten des Architekten und Stadtplaners Zdenko Kolacio erwähnt.
Im Jahr 1966 errichtet Bogdan Bogdanovic, der heute im Wiener Exil lebende Architekt, Schriftsteller und Philosoph aus Belgrad nach intensiver Überzeugungsarbeit bei der Parteielite auf dem Gelände von Jasenovac eine riesige Blume aus Beton als Bestandteil des Gedächtnisparks. Im Konzentrationslager Jasenovac waren rund 70000 Angehörige der »unerwünschten Völker« – Serben, Roma, Juden – aber auch antifaschistische Kroaten umgekommen. Bogdanovics Beiträge zur Architektur der Gedenkstätten zeichnen sich durch besondere Authentizität aus, seine Arbeiten sind im künstlerischen Sinne einmalig.
Im Gegensatz zu den auf Effekte setzenden Konzepten der Gedenkstätten wurden all diese wertvollen Denkmalobjekte im Sinne eines abstrakten Zugangs zur Geschichte und der Hinwendung zur Zukunft geschaffen. So hat Bogdanovic bei der größten Hinrichtungsstätte auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens das Motiv der entfalteten Blüte gewählt, welches das Thema von Tod und Wiedergeburt ausführt. Die Schalung für die komplizierte Betonskulptur wurde von Bootsbauern hergestellt.
Auf die Gründung des selbstständigen kroatischen Staates im Jahr 1991 folgten die Schrecken des Krieges, die niemand für möglich gehalten hatte. Und jene zahlreichen Denkmäler, die obsessiven Gedenkveranstaltungen, die Instrumentalisierung der Opfer scheinen Symptome einer unheilbaren, versteckten Psychose von nicht bewältigten Traumata. Susan Sontag hatte in ihrem Buch »Das Leiden anderer betrachten« mit den Worten: »Zu viel Erinnerung gebiert Verbitterung« eine präzise Diagnose gestellt.
Konkreter und emotionaler Wissenstransfer
Das Gelände der Gedenkstätte Jasenovac war während des Krieges zu Beginn der neunziger Jahre völlig verwüstet worden. Das Kulturministerium der Republik Kroatien bildete im Jahre 2005 ein Team von Fachleuten, deren Aufgabe in der Neukonzeption und Realisierung der ständigen Sammlung des Museums bestand. Für diese und die Gestaltung der Ausstellung zeichnet Nataša Mataušic verantwortlich, das Raumkonzept stammt von Leonida Kovac, der architektonische Rahmen von Helena Paver Njiric.
Das Resultat der intensiven Zusammenarbeit aller Beteiligten ist von der klaren Haltung geprägt, dass nicht eine theatralische Inszenierung mit detaillierten Gewaltszenen angemessen sei, sondern die Darstellung der tragischen Ereignisse über eine Individualisierung der Opfer, über Geschichten realer Personen und die Nennung der historischen Umstände. Dieses Konzept entspricht den aktuellen internationalen Tendenzen bei der Darstellung von Holocaust. Im Vordergrund stehen die klare Erkenntnis und das Lernen aus historischen Ereignissen, nicht aber die narrative Anhäufung von Entsetzlichem. Durch das Aufblähen abscheulicher Szenen werden die Opfer zu dem, was sie auch für die Vollstrecker waren: eine formlose, unpersönliche Masse. Solche Ausstellungsstrategien können eher starke Ablehnung und den Wunsch zu leugnen hervorrufen als Reflexionen angesichts der Tragödie. Der Besucher soll sich nicht in die Gewalt einfühlen, sondern die menschliche Position des Opfers erkennen und klar den Kontext des historischen Ereignisses und der Verbrechen erfassen. Daraus soll eine dezidierte Haltung entstehen, um in ähnlichen Situationen entschieden handeln zu können.
Das Museum wurde mit größter Präzision erdacht und ausgeführt, die inhaltliche Botschaft auf den Punkt gebracht. Die Artikulation des Raumes, die ausgestellten Exponate, die Informationen und die Projektionen von individuellen Opferberichten bilden einen ganzheitlichen Organismus, dessen Erlebnis einprägsam und erschütternd ist, aber nicht brutal. Es handelt sich um eine einmalige Gedenkarchitektur, die sich zeitgenössischer Erfahrungen und Mittel bedient: verschiedene Medien, fraktale Raumgeometrie, raffinierte Behandlung des Lichts. Die Gestalter vermieden das Pathos regressiver Monumentalität und tappten auch nicht in die Falle technologischen oder ästhetischen Spektakels. Das Ambiente wirkt bei der Konfrontation mit der Wahrheit und den Fakten nicht abweisend, sondern regt zur Beteiligung an.
Der labyrinthische Raum beherbergt irritierende architektonische Organismen aus Gummi und Stahl, die an Panzer riesiger Insekten erinnern und deren haptische Eigenschaften eine beklemmende Atmosphäre erzeugen, jedoch nicht unmittelbar, sondern als Echo. Das Ganze wurde sorgsam artikuliert, so dass die einzelnen architektonischen Elemente ihre Autonomie bewahren können. Die Verteilung von integrierten Glasvitrinen, Aufdrucken und Projektionen ist ausgewogen und ermöglicht es, zu jedem einzelnen Exponat eine reflexive Beziehung herzustellen. Die erzählerischen Elemente der Ausstellung wurden sparsam eingesetzt, was den Effekt der oft sehr persönlichen Exponate verstärkt; dennoch sind alle nötigen Informationen vorhanden. Die Stahlmodule und die sichtbare Konstruktion vermitteln einen robusten Eindruck und bilden einen starken Kontrast zu einem nahezu ätherischen Lichtfeld aus Glaslamellen, das über den Köpfen der Besucher schwebt. Auf die Gläser wurden in dichter Folge die Namen der 70000 Lageropfer gedruckt, denen hierdurch Würde als Individuum zuteil wird.
Erleben von Gemeinschaft und Individualität
Neben dem Gebäude mit der ständigen Sammlung des Museums wurde auch ein einfacher Lehrraum als Bildungszentrum errichtet. Das Team Produkcija 004 gestaltete eine minimalistische Box, die alle Konzentration auf den Ort und den zu vermittelnden Inhalt lenkt. Das Gebäude öffnet sich über eine raumhohe, gläserne Faltwand zum Gelände hin, das Bogdan Bogdanovi´c in den sechziger Jahren gestaltet hatte. Dort markieren kleine, kreisrunde Erdhügel die Standorte ehemaliger Gebäude. Produkcija 004 nahm dieses Motiv auf und führte es auf dem Boden in Form von konzentrischen Halbkreisen in das Gebäude hinein.
Schüler über zwölf Jahren und andere Gruppen nehmen hier an unterschiedlichen Veranstaltungen teil. Das Grundkonzept sieht einen zweigeteilten Ablauf vor. Zunächst sitzen die Teilnehmer am Rand eines abgesenkten Teils des Fußbodens beisammen und hören konzentriert vom historischen Kontext und dem Holocaust. Anschließend werden in einer Mappe zusammengestellte Daten und Fakten individuell bearbeitet. Dazu wird die Gruppe aufgelöst und die Teilnehmer vereinzeln sich, indem sie sich jeweils einen sogenannten Human Rights Chair von der Wand nehmen und sich frei im Raum verteilen. Das dezidierte Absetzen des schweren, metallisch dröhnenden Stuhls soll – im Gegensatz zum gemeinschaftlichen Erleben zuvor – nun das Einnehmen eines eigenen Standpunktes in der Gegenwart unterstreichen.
Projekte wie die in Jasenovac zeigen, dass künstlerische und architektonische Arbeiten eine große ethische und gesellschaftliche Relevanz haben können, gerade heute, da man ihnen häufig diese Eigenschaften abspricht. Das ist kein auf Kroatien beschränktes Phänomen – überall auf der Welt steht die Architektur vermehrt unter dem Druck, den Marktgesetzen zu gehorchen; Idealismus gilt als altbacken. Um das Gegenteil zu zeigen, bietet Kroatien noch reichlich Raum und Gelegenheit: Außer in einigen recht formalistisch geratenen Mahnmalen haben die Greuel des Unabhängigkeitskrieges noch keinen räumlichen und baulichen Niederschlag gefunden.
Um die Eigenheiten von Jasenovac und die Einzigartigkeit der Projektlösung besser verstehen zu können, hilft ein Rückblick auf das sozialistische Jugoslawien. Das Konzept des »Sozialismus mit menschlichem Antlitz« und die Idee der »Blockfreiheit« sowie der »Bewegung der blockfreien Staaten« hatten sich in Titos Jugoslawien früh als Leitvorstellungen der Staatsidentität entwickelt. Im Gegensatz zu den Ostblockländern und in geringerem Maße den Ländern des Westens wurde in Jugoslawien der ideologische Feind nicht so sehr als der »Andere« oder als der Antipode des bestehenden Systems, zu dem es ohnehin keine denkbare Alternative gab, definiert. Die kollektive Paranoia, offensichtlich eine Notwendigkeit für die jeweils herrschende Ideologie der modernen Gesellschaften, wurde aus Phantasmagorien der ständig wieder heraufbeschworenen Vergangenheit des Zweiten Weltkrieges genährt. Der Sieg über den Faschismus wurde bei Veranstaltungen und Großdemonstrationen gefeiert und wirkte so über die Zeit hinweg. Pathetisch und suggestiv wurde auf die gemeinsamen Errungenschaften und den Einsatz jedes Einzelnen für die gemeinsame Zukunft hingewiesen. Auf Massenfeiern, im Erziehungswesen, in der Populärkultur und besonders durch die Errichtung von Denkmälern wurde der Krieg dauernd in Erinnerung gerufen. Zum umfangreichen und oft schaurigen Repertoire dieser Inszenierungen gehören Stätten, an denen Massenhinrichtungen stattgefunden und Partisanen empfindliche Verluste davongetragen hatten sowie unterirdisch angelegte Krankenhäuser und Lager. Der kollektive Schmerz und das Leid wurden genau lokalisiert, restauriert, für den musealen Zweck narrativ und dokumentarisch aufbereitet, also im höchsten Maße vom Ort selbst definiert. Hier sollte die Gefahr und die Beklommenheit in perverser Weise künstlich am Leben erhalten werden.
Neue Wege des Gedenkens
In Qualität und Ausdruck ist das Spektrum der zahlreichen Denkmäler im Land sehr heterogen, deshalb seien hier nur kurz die Bildhauer Vojin Bakic und Dušan Džamonja oder eine Reihe von subtilen, ortsbezogenen Arbeiten des Architekten und Stadtplaners Zdenko Kolacio erwähnt.
Im Jahr 1966 errichtet Bogdan Bogdanovic, der heute im Wiener Exil lebende Architekt, Schriftsteller und Philosoph aus Belgrad nach intensiver Überzeugungsarbeit bei der Parteielite auf dem Gelände von Jasenovac eine riesige Blume aus Beton als Bestandteil des Gedächtnisparks. Im Konzentrationslager Jasenovac waren rund 70000 Angehörige der »unerwünschten Völker« – Serben, Roma, Juden – aber auch antifaschistische Kroaten umgekommen. Bogdanovics Beiträge zur Architektur der Gedenkstätten zeichnen sich durch besondere Authentizität aus, seine Arbeiten sind im künstlerischen Sinne einmalig.
Im Gegensatz zu den auf Effekte setzenden Konzepten der Gedenkstätten wurden all diese wertvollen Denkmalobjekte im Sinne eines abstrakten Zugangs zur Geschichte und der Hinwendung zur Zukunft geschaffen. So hat Bogdanovic bei der größten Hinrichtungsstätte auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens das Motiv der entfalteten Blüte gewählt, welches das Thema von Tod und Wiedergeburt ausführt. Die Schalung für die komplizierte Betonskulptur wurde von Bootsbauern hergestellt.
Auf die Gründung des selbstständigen kroatischen Staates im Jahr 1991 folgten die Schrecken des Krieges, die niemand für möglich gehalten hatte. Und jene zahlreichen Denkmäler, die obsessiven Gedenkveranstaltungen, die Instrumentalisierung der Opfer scheinen Symptome einer unheilbaren, versteckten Psychose von nicht bewältigten Traumata. Susan Sontag hatte in ihrem Buch »Das Leiden anderer betrachten« mit den Worten: »Zu viel Erinnerung gebiert Verbitterung« eine präzise Diagnose gestellt.
Konkreter und emotionaler Wissenstransfer
Das Gelände der Gedenkstätte Jasenovac war während des Krieges zu Beginn der neunziger Jahre völlig verwüstet worden. Das Kulturministerium der Republik Kroatien bildete im Jahre 2005 ein Team von Fachleuten, deren Aufgabe in der Neukonzeption und Realisierung der ständigen Sammlung des Museums bestand. Für diese und die Gestaltung der Ausstellung zeichnet Nataša Mataušic verantwortlich, das Raumkonzept stammt von Leonida Kovac, der architektonische Rahmen von Helena Paver Njiric.
Das Resultat der intensiven Zusammenarbeit aller Beteiligten ist von der klaren Haltung geprägt, dass nicht eine theatralische Inszenierung mit detaillierten Gewaltszenen angemessen sei, sondern die Darstellung der tragischen Ereignisse über eine Individualisierung der Opfer, über Geschichten realer Personen und die Nennung der historischen Umstände. Dieses Konzept entspricht den aktuellen internationalen Tendenzen bei der Darstellung von Holocaust. Im Vordergrund stehen die klare Erkenntnis und das Lernen aus historischen Ereignissen, nicht aber die narrative Anhäufung von Entsetzlichem. Durch das Aufblähen abscheulicher Szenen werden die Opfer zu dem, was sie auch für die Vollstrecker waren: eine formlose, unpersönliche Masse. Solche Ausstellungsstrategien können eher starke Ablehnung und den Wunsch zu leugnen hervorrufen als Reflexionen angesichts der Tragödie. Der Besucher soll sich nicht in die Gewalt einfühlen, sondern die menschliche Position des Opfers erkennen und klar den Kontext des historischen Ereignisses und der Verbrechen erfassen. Daraus soll eine dezidierte Haltung entstehen, um in ähnlichen Situationen entschieden handeln zu können.
Das Museum wurde mit größter Präzision erdacht und ausgeführt, die inhaltliche Botschaft auf den Punkt gebracht. Die Artikulation des Raumes, die ausgestellten Exponate, die Informationen und die Projektionen von individuellen Opferberichten bilden einen ganzheitlichen Organismus, dessen Erlebnis einprägsam und erschütternd ist, aber nicht brutal. Es handelt sich um eine einmalige Gedenkarchitektur, die sich zeitgenössischer Erfahrungen und Mittel bedient: verschiedene Medien, fraktale Raumgeometrie, raffinierte Behandlung des Lichts. Die Gestalter vermieden das Pathos regressiver Monumentalität und tappten auch nicht in die Falle technologischen oder ästhetischen Spektakels. Das Ambiente wirkt bei der Konfrontation mit der Wahrheit und den Fakten nicht abweisend, sondern regt zur Beteiligung an.
Der labyrinthische Raum beherbergt irritierende architektonische Organismen aus Gummi und Stahl, die an Panzer riesiger Insekten erinnern und deren haptische Eigenschaften eine beklemmende Atmosphäre erzeugen, jedoch nicht unmittelbar, sondern als Echo. Das Ganze wurde sorgsam artikuliert, so dass die einzelnen architektonischen Elemente ihre Autonomie bewahren können. Die Verteilung von integrierten Glasvitrinen, Aufdrucken und Projektionen ist ausgewogen und ermöglicht es, zu jedem einzelnen Exponat eine reflexive Beziehung herzustellen. Die erzählerischen Elemente der Ausstellung wurden sparsam eingesetzt, was den Effekt der oft sehr persönlichen Exponate verstärkt; dennoch sind alle nötigen Informationen vorhanden. Die Stahlmodule und die sichtbare Konstruktion vermitteln einen robusten Eindruck und bilden einen starken Kontrast zu einem nahezu ätherischen Lichtfeld aus Glaslamellen, das über den Köpfen der Besucher schwebt. Auf die Gläser wurden in dichter Folge die Namen der 70000 Lageropfer gedruckt, denen hierdurch Würde als Individuum zuteil wird.
Erleben von Gemeinschaft und Individualität
Neben dem Gebäude mit der ständigen Sammlung des Museums wurde auch ein einfacher Lehrraum als Bildungszentrum errichtet. Das Team Produkcija 004 gestaltete eine minimalistische Box, die alle Konzentration auf den Ort und den zu vermittelnden Inhalt lenkt. Das Gebäude öffnet sich über eine raumhohe, gläserne Faltwand zum Gelände hin, das Bogdan Bogdanovi´c in den sechziger Jahren gestaltet hatte. Dort markieren kleine, kreisrunde Erdhügel die Standorte ehemaliger Gebäude. Produkcija 004 nahm dieses Motiv auf und führte es auf dem Boden in Form von konzentrischen Halbkreisen in das Gebäude hinein.
Schüler über zwölf Jahren und andere Gruppen nehmen hier an unterschiedlichen Veranstaltungen teil. Das Grundkonzept sieht einen zweigeteilten Ablauf vor. Zunächst sitzen die Teilnehmer am Rand eines abgesenkten Teils des Fußbodens beisammen und hören konzentriert vom historischen Kontext und dem Holocaust. Anschließend werden in einer Mappe zusammengestellte Daten und Fakten individuell bearbeitet. Dazu wird die Gruppe aufgelöst und die Teilnehmer vereinzeln sich, indem sie sich jeweils einen sogenannten Human Rights Chair von der Wand nehmen und sich frei im Raum verteilen. Das dezidierte Absetzen des schweren, metallisch dröhnenden Stuhls soll – im Gegensatz zum gemeinschaftlichen Erleben zuvor – nun das Einnehmen eines eigenen Standpunktes in der Gegenwart unterstreichen.
Projekte wie die in Jasenovac zeigen, dass künstlerische und architektonische Arbeiten eine große ethische und gesellschaftliche Relevanz haben können, gerade heute, da man ihnen häufig diese Eigenschaften abspricht. Das ist kein auf Kroatien beschränktes Phänomen – überall auf der Welt steht die Architektur vermehrt unter dem Druck, den Marktgesetzen zu gehorchen; Idealismus gilt als altbacken. Um das Gegenteil zu zeigen, bietet Kroatien noch reichlich Raum und Gelegenheit: Außer in einigen recht formalistisch geratenen Mahnmalen haben die Greuel des Unabhängigkeitskrieges noch keinen räumlichen und baulichen Niederschlag gefunden.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel
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