Bauwerk

ROM - Festspielgelände im Römersteinbruch
AllesWirdGut - St. Margarethen (A) - 2008
ROM - Festspielgelände im Römersteinbruch, Foto: Hertha Hurnaus
ROM - Festspielgelände im Römersteinbruch, Foto: AllesWirdGut Architektur ZT GmbH
18. Februar 2008 - Az W
Auch wenn man für die Vorgeschichte dieses Projekts rund 14 Millionen Jahre ausholen könnte, seien hier sporadisch nur einige Fakten aus der „jüngeren“ Geschichte herausgegriffen: Der Römersteinbruch St. Margarethen im burgenländischen Ruster Hügelland ist einer der ältesten und größten Steinbrüche Europas. Bereits vor 2000 Jahren wurde mit dem dort abgebauten Kalksandstein die Römersiedlung „Carnuntum“ errichtet. Auch das Baumaterial für den Wiener Stephansdom kam aus St. Margarethen (und wird für Renovierungsarbeiten bis heute von dort geholt – es gibt im Steinbruch sogar eine eigene „Stephanswand“), für zahlreiche Prachtbauten der Hauptstadt (Albertina, Schloss Schönbrunn etc.) oder später für die Großbauten der Wiener Ringstraße wurde dieser Kalksandstein ebenfalls gerne verwendet. Wenn man sich dem Steinbruchgelände mit dem Auto nähert, verweisen die in Stein gemeisselten Firmenschilder HUMMEL und KUMMER auf die regionalen, noch heute aktiven Protagonisten der Steinmetz-Zunft. Seit 2001 sind der Römersteinbruch St. Margarethen und die Region um den Neusiedler See Teil des UNESCO Weltkulturerbes. Eine einzigartige kulturelle Aufwertung erfuhr dieser Ort jedoch schon ein halbes Jahrhundert zuvor durch ein Internationales Bildhauersymposion, das der österreichische Bildhauer Karl Prantl 1959 erstmals im Steinbruch St. Margarethen abhielt und das heute als Vorbild und Prototyp für zahlreiche ähnliche Veranstaltungen in aller Welt gilt. Mehr als 50 Steinskulpturen von international renommierten Künstlern stehen – teilweise stark bewittert - am St. Margarethener Kogel, ein einzigartiges Ensemble in reizvoller (weil nicht unbedingt nur „lieblicher“) Landschaft. Die Bildhauerunterkünfte, die Johann Georg Gsteu 1962-68 aus der Ruine einer Kantine für Steinbrucharbeiter geschaffen hat (siehe gesonderten Eintrag), zählen bis heute zu den bemerkenswertesten „unsichtbaren“ Architekturen der Region. Seit den 1960er Jahren ist der Römersteinbruch zudem auf Anregung des Symposionsgründers Karl Prantl Schauplatz der alle fünf Jahre stattfindenden Passionsspiele (mit örtlichen Laiendarstellern), und in jüngster Zeit wird die Naturbühne zusätzlich für jährliche Opernfestspiele (mit ca. 150.000 Besuchern pro Saison) genutzt. Da gerade letztere zu einem wichtigen Faktor des regionales Tourismus geworden sind, entschloss sich die Fürst Esterhazy Privatstiftung als Betreibergesellschaft, das über die Jahre gewachsene bauliche Umfeld der imposanten Freiluft-Arena heutigen Ansprüchen an eine Veranstaltungsstätte anzupassen und diese infrastrukturell wie baukünstlerisch aufzuwerten. Die mit einer Summe von rund 7 Mio Euro veranschlagten Baumaßnahmen umfassen u.a. einen neuen Eingangs- und Cateringbereich, die Erweiterung der Zuschauertribüne, den Bau einer behindertengerechten Zugangsrampe in das 20 Meter tiefer liegende Festspielgelände, einen Foyerpark, einen VIP-Bereich, Toilettenanlagen, einen separaten Zugang für Künstler- und Verwaltungspersonal und vieles mehr. Aus einem geladenen Wettbewerb im September 2005 ging die Gruppe AllesWirdGut als Sieger hervor, deren Entwurf auf der Voraussetzung beruht, sämtliche Bestandteile des Theaters und die Theaterbesucher selbst möglichst intensiv an der gewaltigen Kulisse des Steinbruchs teilhaben zu lassen.

„Die beeindruckende Schönheit, welche sich heute durch präzis geführte Schnittkanten, exakt gearbeitete Flächen und wohlüberlegte Subtraktion des Bodens präsentiert, lässt einen nur schwer begreifen, dass all dies ein Nebenprodukt eines Ressourcenabbaus aus längst vergangenen Tagen ist“, erläutern die Architekten. Vor allem die „Japanische Rinne“, ein präsziser vertikaler Schnitt zweier japanischer Bildhauer (Symposionsteilnehmer) in die hohe Felswand habe AWG methodisch inspiriert, den eigenen Entwurf durch klare und einfache Formensprache „als Fortführung dieser Bildhauerarbeit zu begreifen“.
Die skulpturale Qualität des Projekts kommt vor allem in der behindertengerechten Rampe von circa 330 m Länge zum Ausdruck, die im Zickzack über „Schluchten“ und entlang von Felswänden führt. Diese Rampe und die Kubatur des neuen Einganggebäudes sind - als Referenz an die einstige industrielle Nutzung des Ortes - mit rostenden Stahlplatten bekleidet. Überall dort, wo taktile Feinheit gefragt ist, also wo Besucher mit Gebäude-Oberflächen in direkten Kontakt geraten (Ticketschalter, Cateringtheken, Toiletteneingänge etc.), wurden weiß eingefärbte Faserzementplatten eingesetzt, die inmitten der Rauheit des gelben Kalksandsteins und des rostroten Stahls einen noblen Akzent setzen. Nach Abschluss der ersten Bauphase sind derzeit die noch ausstehenden restlichen Umbau-Arbeiten ingang. Dann darf – vor beeindruckender Freiluft-Kulisse, die eigentlich kein weiteres Bühnenbild benötigt - wieder opulenten Klängen gelauscht werden, heuer zum Beispiel Verdis „La Traviata“. (Text: Gabriele Kaiser)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

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