Bauwerk

Verwaltungsgebäude und Busgarage der RATP
ECDM Architects - Thiais (F) - 2007
Verwaltungsgebäude und Busgarage der RATP, Foto: Benoît Fougeirol
Verwaltungsgebäude und Busgarage der RATP, Foto: Benoît Fougeirol
Verwaltungsgebäude und Busgarage der RATP, Foto: Benoît Fougeirol

RAL 7024

Für ein neues Buszentrum im Süden von Paris fanden die Architekten eine große, konzeptuelle Geste und ließen den Baukörper gleichsam aus dem Boden herauswachsen. In den dunkelgrauen, mit Noppen überzogenen Monolithen schnitten sie große Öffnungen, an denen farbige Glasflächen zum Vorschein kommen. Diese kontrastierte Farbgebung setzt sich im Inneren fort und wird letztlich maßgeblich für das Entwurfskonzept.

2. März 2008 - Sebastian Niemann
Die RATP (Régie Autonome des Transports Parisiens) ist der Verbund für den öffentlichen Nahverkehr in Paris, sie transportiert jährlich fast drei Milliarden Personen in ihren Bussen, Regional-, Straßen- und U-Bahnen. Ihre Mitarbeiter sind traditionell sehr gut organisiert und nehmen über diverse Eisenbahnergewerkschaften großen Einfluss auf den Verkehrsverbund. Wenn, wie zuletzt im November 2007, die Zeichen auf Streik stehen, bewegt sich in Paris fast nichts mehr.
Strukturell drückt sich die gewerkschaftliche Macht in starken Mitbestimmungsrechten aus, weshalb sämtliche Projekte in sehr vielen Gremien sehr detailliert besprochen und abgestimmt werden müssen. Dies gilt natürlich auch für die Bauvorhaben der RATP, wie dem Buszentrum in Thiais. Das neue Gebäude sollte auf dem bestehenden Standort im Süden von Paris die verschiedenen Funktionen von Verwaltung und Verkehrsleitung aufnehmen. Weil der Bauherr sich nicht in der Lage sah, im Voraus ein genaues Raumprogramm zu formulieren, wählte er per Auswahlverfahren die Architekten Emmanuel Combarel und Dominique Marrec (ECDM, Paris) aus, um zunächst einen den Nutzerwünschen entsprechenden Grundriss zu entwickeln.

In wöchentlichen Besprechungen mit den zahllosen Vertretern und Beratern des Bauherrn kristallisierte sich so unter Federführung der Architekten eine räumliche Organisation der notwendigen Büro-, Besprechungs-, Umkleide- und Aufenthaltsräume auf einer quadratischen Grundfläche mit einer Kantenlänge von 35 Metern und zwei Geschossen heraus. Die Kompaktheit des Plans zeugt vom Willen, die verschiedenen Bereiche miteinander zu vernetzen und der maßgenaue, individuelle Zuschnitt der Büros verdeutlicht eine genau durchdachte Funktionalität. Letztere führte wohl auch dazu, dass das Gebäude über ein komplexes Erschließungssystem mit nicht weniger als fünf Ein- und Ausgängen verfügt.

Legostein-Skulptur

Während der Grundriss in enger Zusammenarbeit mit dem Bauherrn entstand, zeugt dessen Übersetzung in ein architektonisches Konzept vom Willen der Architekten, dem Buszentrum eine qualitätvolle Gestalt zu verleihen und es in seinen suburbanen Kontext einzufügen. Dieser ist von anonymen Gewerbebauten, Einkaufszentren und Autobahnen geprägt, die sich zu einer monotonen Betonlandschaft aneinanderfügen. Und anstatt ein weiteres Objekt neben den bestehenden, riesigen Hangar zum Parken und Warten der Busse zu stellen, arbeiteten Combarel und Marrec den Charakter des Ortes heraus und formten daraus ihr Gebäude: Das Buszentrum scheint aus dem Boden emporzuwachsen, indem sich die dunkle Oberfläche des Parkplatzes in Fassade und Dach des Buszentrums fortsetzt. Die Übergänge zwischen Horizontalen und Vertikalen sind dabei gewölbt, so dass der Eindruck entsteht, der Asphalt lege sich wie eine Haut über den Baukörper. Eine dichte, an Legosteine oder Anti-Rutsch-Böden erinnernde Noppenstruktur verstärkt den Eindruck der von den Architekten gewünschten Kontinuität und belebt die anthrazitfarbenen Flächen. Um die bunkerhafte Geschlossenheit des Baukörpers aufzubrechen und Licht in sein Inneres zu bringen, schneiden die Architekten »wie mit dem Skalpell« große, rechtwinklige Öffnungen hinein, an denen glatte, farbige Flächen aus verspiegeltem Glas zum Vorschein kommen.

Für die Präsentation ihres Konzeptes ließen die Architekten einen Kurzfilm animieren, in dem das Gebäude als Kulisse für den alltäglichen Betrieb des Buszentrums diente. So in den Hintergrund gestellt, wurde die architektonische Geste auch nicht zum eigentlichen Objekt der Diskussionen über das Projekt. Nachdem der Film die verschiedenen Ebenen der Entscheidungsträger durchlaufen hatte, wurde dem Projekt in der für die RATP rekordverdächtigen Zeit von nur drei Wochen zugestimmt.

Zur Ausführung des dunkelgrauen Monolithen wählten Emmanuel Combarel und Dominique Marrec vorgefertigte Fassadenteile aus hochfestem, faserbewehrtem Beton. Diese sind nur drei Zentimeter stark und teilweise doppelt gekrümmt. Sie sind mit Noppen besetzt, die über einen Durchmesser von 24 Millimetern verfügen und 7 Millimeter aus der Oberfläche hervortreten. Das Noppenraster gibt stringent die Maße für das ganze Gebäude vor und ist selbst auf den runden Randflächen genaustens fortgeführt. Um die Herstellung der Spezialbetonelemente zu ökonomisieren, wurden die Fassaden so entworfen, dass ihre Noppenstruktur aus nur fünf Formteilen hergestellt werden konnten. Jede der Kautschuk-Matrizen wurde nach und nach klein geschnitten und konnte so, in verschiedenen Formen, mehrfach für die Herstellung der unterschiedlichen Fassadensegmente verwendet werden. Die so vorgefertigten Elemente wurden der herkömmlichen Betonstruktur des Gebäudes vorgesetzt und fungieren gleichzeitig als Bodenbelag sowie als Verkleidung für Wand und Attika. Dass die Wärmedämmung auf der Innenseite der Betonscheiben der Außenwände angebracht ist gehört in Frankreich (leider) immer noch zu den Standardlösungen und vereinfacht die Problematik der Fassadendetails auf eine normgerechte Abdichtung der Fertigteile und ihrer Fugen.

Dunkelgraue Innenräume

Alle sichtbaren Außenflächen der Fassade sind aus Betonfertigteilen gebildet. Über den verglasten Bereichen der Einschnitte, ließen die Architekten gar genoppte Betonleisten auf der Attika anbringen, um ihr konzeptuelles Versprechen des »Monolithischen« bis ins letzte sichtbare Detail einzulösen. Da jedoch selbst die Rundung über den Materialwechsel zwischen Parkplatz (Asphalt) und Fassade (Beton) nicht hinwegtäuschen kann, gewinnt der Baukörper diesen Eindruck letztlich eher durch die Farbe (RAL 7024), mit welcher seine Oberflächen lasiert wurden. Während der Beton nur als äußere Haut sichtbar ist, setzt sich die dunkelgraue Farbe im Inneren des Gebäudes fort: Wände und Böden sind in Anthrazit gehalten und die Räume nur punktuell, ihrer Nutzung entsprechend ausgeleuchtet. Das Zusammenspiel mit den lebhaften Farbtönen, die schon in den Glasfassaden auftreten, setzt in der Gestaltung der Innenräume gezielt Akzente. Die Farben von Türen, Möbel und Vitrinen sorgen so für eine visuelle Ordnung der verschiedenen Bereiche und dienen der Orientierung im ansonsten eher unhierarchischen Innenleben.
Entgegen des verschlossenen Eindrucks, den das Gebäude von außen vermittelt, öffnen sich im Inneren ständig Ausblicke auf den Betriebshof, und fast alle Räume sind durch Blickbezüge mit dem Außenbereich in Verbindung gesetzt. Die Anzahl der sich bietenden Perspektiven wird zudem durch eine Verspiegelung der in das Gebäudevolumen eingeschnittenen Glasflächen vervielfacht. Diesen Effekt erreichen die Architekten durch in engem Raster hinter die Verglasung aufgebrachte silberne Punkte. Die zudem quadratisch unterteilten Glasfassaden, stellen eine ironische Interpretation der typischen Achtziger-Jahre-Fassade der umgebenden Gewerbebauten dar.

Mit dem Buszentrum ist ein Baukörper entstanden, der sich gleichsam maßstabs- und zeitlos in seinen Kontext einfügt. Ohne Hochmut gegenüber den benachbarten »Schuhkartons« und ohne den Anspruch, sich besonders davon abzuheben, gelingt es Combarel und Marrec den Ort aufzuladen, indem sie ihn auf seine eigentliche Funktion, die des Busparkplatzes, reduzieren. Das Konzept, das als sehr große Geste der Architekten für einen kleinen zweigeschossigen Zweckbau kritisiert werden kann, schafft es trotz allem, das Gebäude visuell, ja fast wörtlich am Ort zu »verankern«. Und die zunächst scheinbar voneinander unabhängigen Fassaden und der Grundriss finden über die präzise gesetzten Einschnitte zueinander. Deren lebhafte Farbigkeit entspringt nicht etwa der aktuellen Mode, sondern wird zum entscheidenden Baustein im Konzept des Projektes. Einerseits betonen sie die einheitliche, dunkelgraue Gebäudehülle und andererseits verzahnen sie Innen- und Außenräume zu einem Ganzen.

Die Fassaden geben dem Buszentrum einen trügerischen, stillen Anschein, doch nicht umsonst bezeichnen es die Architekten lieber als »Kontrollturm« denn als gewöhnlichen Bürobau: Sämtliche Buslinien im Süden und Osten des Ballungsraumes Paris werden von hier aus gesteuert, und wenn am frühen Morgen etwa 800 Busfahrer den Betrieb aufnehmen werden die Flure selbst zum Schauplatz des Großstadtverkehrs. Im Übrigen ist auch der Grundriss im Inneren des grauen Monolithen noch nicht ganz zur Ruhe gekommen. Schon während der Bauzeit mussten die Architekten laufend Änderungswünsche des Bauherrn einarbeiten und selbst nach der Inbetriebnahme entwickelt die RATP ihr Raumprogramm beständig weiter.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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