Bauwerk
Nasjonalmuseet - Arkitektur
Sverre Fehn - Oslo (N) - 2008
Urhütte im Glashaus
Sverre Fehns Anbau für das Architekturmuseum in Oslo
In den vergangenen Wochen wurden in Oslo zwei wichtige Kulturbauten eröffnet: das neue Opernhaus von Snøhetta und das Architekturmuseum. Dieses befindet sich in einem Altbau, den der 83-jährige norwegische Pritzker-Preis-Träger Sverre Fehn um einen Anbau erweitert hat.
29. April 2008 - Anneke Bokern
Oslo gilt nicht gerade als aufregende Stadt. Bei einer Umfrage des Internet-Reiseportals Tripadvisor wurde die norwegische Hauptstadt kürzlich zur drittteuersten und zweitlangweiligsten Stadt Europas gewählt. Vielleicht geht es den Norwegern einfach zu gut. Dank üppigen Ölvorkommen floriert die Wirtschaft, und die Arbeitslosenzahlen sind niedrig. Aus so etwas entstehen kaum städtische Brüche oder aufmüpfige Subkulturen, die andere Städte spannend machen. Schon gar nicht in Skandinavien. Was daraus in Oslo aber durchaus resultiert, ist eine ganze Reihe neuer Kulturbauten von bekannten Architekten – allen voran das neue Opernhaus von Snøhetta, das Anfang April eröffnet wurde und von dem man sich ganz offensichtlich einen Bilbao-Effekt erhofft. Ihm ging Anfang 2006 das Nobel Peace Center mit einem neuen Interieur des britischen Architekten David Adjaye voraus. Und als wäre das noch nicht genug, wurde nun auch noch ein neues Architekturmuseum eröffnet, mit einem Anbau nach den Plänen des norwegischen Pritzker-Preis-Trägers Sverre Fehn, dem auch die Eröffnungsausstellung gewidmet ist.
Geschenkter Gaul
Im Gegensatz zum Londoner Jungstar Adjaye ist der 1924 geborene Fehn ein Architekturveteran. Sein Pavillon, der an einen Altbau im Stadtzentrum anschliesst, nimmt sich im Vergleich zu dem von einem trendigen Innenleben geprägten Nobel Peace Center oder zur ikonenhaften Snøhetta-Oper denn auch eher zurückhaltend aus. Passanten zeigt das kleine Bauwerk die kalte Schulter in Form von mannshohen, geschlossenen Betonwänden, die als Reminiszenz an die dicken Mauern der benachbarten Burg zu verstehen sind. Sie umgeben einen Glaskubus, dessen obere Hälfte mit Sonnenschutz-Lamellen bedeckt ist, und sind nur an wenigen Stellen aufgeklappt, so dass man eine Vorahnung vom Raum dahinter bekommt. Der Zugang zum Pavillon führt durch den zweistöckigen klassizistischen Altbau, an den er anschliesst und der 1830 von Christian Heinrich Grosch für die Nationalbank errichtet wurde.
Bevor das Architekturmuseum jüngst in diesen Bau gezogen war, befand es sich in einem nicht wirklich für Ausstellungen geeigneten Haus. Schon 1997 warf deshalb Direktor Ulf Grønvold ein Auge auf das Gebäude der ehemaligen Nationalbank. «Der Architekt Grosch studierte beim grossen Klassizisten C. F. Hansen in Kopenhagen und wurde danach zu einer Vaterfigur der norwegischen Architekten», erklärt er die Bedeutung des Baus. Aus museumspolitischen Gründen dauerte es jedoch über zehn Jahre, bis das Architekturmuseum umziehen konnte. Denn 2003 wurden die Nationalgalerie, das Museum für Moderne Kunst, das Kunsthandwerksmuseum und das Architekturmuseum zum Nationalmuseum zusammengelegt, dessen einzelne Abteilungen im Laufe der Zeit in einem einzigen Gebäude untergebracht werden sollten. Grønvold beharrte jedoch auf einem eigenen Unterkommen, was die Suche nach Geldern für den Um- und Anbau seiner Wunschbehausung nicht eben erleichterte. Doch dann fand er einen privaten Geldgeber, der bereit war, einen von Sverre Fehn entworfenen Anbau an die Nationalbank zu finanzieren. Angesichts dieses «geschenkten Gauls» musste der Staat wohl oder übel mitziehen und sich bereit erklären, den Umbau des historischen Grosch-Gebäudes zu bezahlen. Der Auftrag dafür ging ebenfalls an Fehn.
Dass die Wahl auf den 83-jährigen Fehn fiel, hatte verschiedene Gründe. Einerseits gilt der vor allem mit Museumsbauten bekannt gewordene Pritzker-Preis-Träger als einer der grossen Architekten Norwegens, andererseits gab es ausgerechnet in Oslo bisher keinen Kulturbau von ihm. Aber der eigenwillige Architekt hat in seiner langen Karriere ohnehin nur etwa sechzig Projekte realisieren können. Pritzker-Preis hin oder her, Fehn ist sicher kein typischer Stararchitekt. Stattdessen hat er viel Zeit mit Unterrichten verbracht und war von 1971 bis 1995 Professor an der Architekturschule Oslo, was ihn mindestens ebenso sehr zur Vaterfigur für die heutige Generation norwegischer Architekten macht, wie Grosch es für die frühen Modernisten war.
Gesamtkunstwerk mit Baldachin
Aus dem Altbau des jetzigen Architekturmuseums hat Fehn ein skandinavisch-minimalistisches Gesamtkunstwerk gemacht. Zwar wurde das Treppenhaus, das gleich hinter dem Eingang liegt, im Auftrag des Denkmalamts eher dilettantisch restauriert, aber dafür hat Fehn die weiteren Räume sehr behutsam mit weiss verputzten Wänden, Glastüren und schlichten, selbst entworfenen Eichenholzmöbeln ausgestattet. Aufregend ist das nicht, aber konsequent. Interessanter ist der Pavillon, der sich im Inneren als viel geräumiger, heller und vor allem poetischer entpuppt, als man von aussen vermuten würde. Im Glaskubus steht eine baldachinartige Konstruktion aus vier Betonstützen mit einem leicht gewölbten Dach – eine Art Urhütte. Mehr nicht.
Die Eröffnungsausstellung präsentiert anhand von Fotos und Plänen, aber vor allem von Holzmodellen 32 Projekte von Sverre Fehn, die er selber ausgewählt hat. Darunter befinden sich sein legendärer, von Bäumen durchstossener Pavillon für die Biennale in Venedig (1958) und der norwegische Pavillon für die Weltausstellung in Brüssel (1959), zwei Vorläufer seines Osloer Ausstellungsgebäudes, aber auch zahlreiche Entwürfe jüngeren Datums. Sie zeigen, dass Fehn die Kunst beherrschte, mit der Zeit zu gehen und gleichzeitig sich selber treu zu bleiben. Mehrere Architekturrichtungen des 20. Jahrhunderts kommen in der Schau zum Zuge: vom Modernismus über den Strukturalismus bis hin zur Postmoderne. Aber immer bleibt Fehns Handschrift erkennbar, die sich im Landschaftsbezug, in der Verwendung von Holz und Sichtbeton, in der Komposition von Volumina entlang einer zentralen «Wirbelsäule» und nicht zuletzt in den poetischen Untertönen seiner Bauten manifestiert.
Im Kontext der Ausstellung wird leicht sichtbar, dass das Architekturmuseum ein Alterswerk ist. Der Pavillon hat seine Schwächen – etwa die Glaslamellen, die sich mit ihren auffälligen Punkthalterungen nicht so recht in die einfache Struktur eingliedern wollen. Sein Grundkonzept kann jedoch durchaus als Essenz von Fehns Architekturauffassung gesehen werden. Gleichzeitig handelt es sich bei diesem Bau definitiv um Fehns letztes Werk, denn nach dem Entwurf zog sich der Meister ins Altersheim zurück – ein leiser Abgang, der ganz zu Fehn passt.
[ Die Eröffnungsausstellung Sverre Fehn dauert bis 3. August. Katalog: Sverre Fehn: Intuition – Reflection – Construction. Norwegisches Nationalmuseum, Oslo 2008. 150 S., nKr. 199.–. ]
Geschenkter Gaul
Im Gegensatz zum Londoner Jungstar Adjaye ist der 1924 geborene Fehn ein Architekturveteran. Sein Pavillon, der an einen Altbau im Stadtzentrum anschliesst, nimmt sich im Vergleich zu dem von einem trendigen Innenleben geprägten Nobel Peace Center oder zur ikonenhaften Snøhetta-Oper denn auch eher zurückhaltend aus. Passanten zeigt das kleine Bauwerk die kalte Schulter in Form von mannshohen, geschlossenen Betonwänden, die als Reminiszenz an die dicken Mauern der benachbarten Burg zu verstehen sind. Sie umgeben einen Glaskubus, dessen obere Hälfte mit Sonnenschutz-Lamellen bedeckt ist, und sind nur an wenigen Stellen aufgeklappt, so dass man eine Vorahnung vom Raum dahinter bekommt. Der Zugang zum Pavillon führt durch den zweistöckigen klassizistischen Altbau, an den er anschliesst und der 1830 von Christian Heinrich Grosch für die Nationalbank errichtet wurde.
Bevor das Architekturmuseum jüngst in diesen Bau gezogen war, befand es sich in einem nicht wirklich für Ausstellungen geeigneten Haus. Schon 1997 warf deshalb Direktor Ulf Grønvold ein Auge auf das Gebäude der ehemaligen Nationalbank. «Der Architekt Grosch studierte beim grossen Klassizisten C. F. Hansen in Kopenhagen und wurde danach zu einer Vaterfigur der norwegischen Architekten», erklärt er die Bedeutung des Baus. Aus museumspolitischen Gründen dauerte es jedoch über zehn Jahre, bis das Architekturmuseum umziehen konnte. Denn 2003 wurden die Nationalgalerie, das Museum für Moderne Kunst, das Kunsthandwerksmuseum und das Architekturmuseum zum Nationalmuseum zusammengelegt, dessen einzelne Abteilungen im Laufe der Zeit in einem einzigen Gebäude untergebracht werden sollten. Grønvold beharrte jedoch auf einem eigenen Unterkommen, was die Suche nach Geldern für den Um- und Anbau seiner Wunschbehausung nicht eben erleichterte. Doch dann fand er einen privaten Geldgeber, der bereit war, einen von Sverre Fehn entworfenen Anbau an die Nationalbank zu finanzieren. Angesichts dieses «geschenkten Gauls» musste der Staat wohl oder übel mitziehen und sich bereit erklären, den Umbau des historischen Grosch-Gebäudes zu bezahlen. Der Auftrag dafür ging ebenfalls an Fehn.
Dass die Wahl auf den 83-jährigen Fehn fiel, hatte verschiedene Gründe. Einerseits gilt der vor allem mit Museumsbauten bekannt gewordene Pritzker-Preis-Träger als einer der grossen Architekten Norwegens, andererseits gab es ausgerechnet in Oslo bisher keinen Kulturbau von ihm. Aber der eigenwillige Architekt hat in seiner langen Karriere ohnehin nur etwa sechzig Projekte realisieren können. Pritzker-Preis hin oder her, Fehn ist sicher kein typischer Stararchitekt. Stattdessen hat er viel Zeit mit Unterrichten verbracht und war von 1971 bis 1995 Professor an der Architekturschule Oslo, was ihn mindestens ebenso sehr zur Vaterfigur für die heutige Generation norwegischer Architekten macht, wie Grosch es für die frühen Modernisten war.
Gesamtkunstwerk mit Baldachin
Aus dem Altbau des jetzigen Architekturmuseums hat Fehn ein skandinavisch-minimalistisches Gesamtkunstwerk gemacht. Zwar wurde das Treppenhaus, das gleich hinter dem Eingang liegt, im Auftrag des Denkmalamts eher dilettantisch restauriert, aber dafür hat Fehn die weiteren Räume sehr behutsam mit weiss verputzten Wänden, Glastüren und schlichten, selbst entworfenen Eichenholzmöbeln ausgestattet. Aufregend ist das nicht, aber konsequent. Interessanter ist der Pavillon, der sich im Inneren als viel geräumiger, heller und vor allem poetischer entpuppt, als man von aussen vermuten würde. Im Glaskubus steht eine baldachinartige Konstruktion aus vier Betonstützen mit einem leicht gewölbten Dach – eine Art Urhütte. Mehr nicht.
Die Eröffnungsausstellung präsentiert anhand von Fotos und Plänen, aber vor allem von Holzmodellen 32 Projekte von Sverre Fehn, die er selber ausgewählt hat. Darunter befinden sich sein legendärer, von Bäumen durchstossener Pavillon für die Biennale in Venedig (1958) und der norwegische Pavillon für die Weltausstellung in Brüssel (1959), zwei Vorläufer seines Osloer Ausstellungsgebäudes, aber auch zahlreiche Entwürfe jüngeren Datums. Sie zeigen, dass Fehn die Kunst beherrschte, mit der Zeit zu gehen und gleichzeitig sich selber treu zu bleiben. Mehrere Architekturrichtungen des 20. Jahrhunderts kommen in der Schau zum Zuge: vom Modernismus über den Strukturalismus bis hin zur Postmoderne. Aber immer bleibt Fehns Handschrift erkennbar, die sich im Landschaftsbezug, in der Verwendung von Holz und Sichtbeton, in der Komposition von Volumina entlang einer zentralen «Wirbelsäule» und nicht zuletzt in den poetischen Untertönen seiner Bauten manifestiert.
Im Kontext der Ausstellung wird leicht sichtbar, dass das Architekturmuseum ein Alterswerk ist. Der Pavillon hat seine Schwächen – etwa die Glaslamellen, die sich mit ihren auffälligen Punkthalterungen nicht so recht in die einfache Struktur eingliedern wollen. Sein Grundkonzept kann jedoch durchaus als Essenz von Fehns Architekturauffassung gesehen werden. Gleichzeitig handelt es sich bei diesem Bau definitiv um Fehns letztes Werk, denn nach dem Entwurf zog sich der Meister ins Altersheim zurück – ein leiser Abgang, der ganz zu Fehn passt.
[ Die Eröffnungsausstellung Sverre Fehn dauert bis 3. August. Katalog: Sverre Fehn: Intuition – Reflection – Construction. Norwegisches Nationalmuseum, Oslo 2008. 150 S., nKr. 199.–. ]
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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