Bauwerk
Ozeaneum
Behnisch Architekten - Stralsund (D) - 2008
Fische im Fokus
Das Ozeaneum in Stralsund und das Müritzeum in Waren
Unter dem Namen «Ozeaneum» wurde jüngst in Stralsund das Ausstellungshaus des Deutschen Meeresmuseums eröffnet. Der Bau von Behnisch Architekten aus Stuttgart fügt sich vorzüglich ins Stadtbild ein. Einen gestalterischen Kontrapunkt setzt das vom Bautyp viel kleinere Müritzeum des Göteborger Architekten Gert Wingårdh im nahe gelegenen Waren.
20. November 2008 - Ursula Seibold-Bultmann
Wie sollen Architekten für Bauprojekte mit maritimem Bezug eine überzeugende Bildhaftigkeit finden – wo doch etwas weniger Architektonisches als das Meer kaum vorstellbar ist? Nicht alle greifen da auf so fest umrissene Metaphern zurück wie vor gut fünfzehn Jahren Renzo Piano und Peter Chermayeff mit ihrem an ein Containerschiff erinnernden Aquarium in Genua. Im Stuttgarter Architekturbüro Behnisch & Partner begann das Nachdenken über einen Beitrag zum 2001 ausgelobten Wettbewerb für einen grossen Ergänzungsbau des Deutschen Meeresmuseums in Stralsund mit reinen Funktionsdiagrammen. Gedankliche Bilder für die vier komplex gekurvten, durch ein verglastes Foyer verbundenen Baukörper und für die weisse Stahlblech-Fassade ergaben sich erst später; nur lose lassen sich im Wasser liegende Steine oder windgeblähte Segel assoziieren. Die evokative, aber dennoch abstrakte Formensprache und die bestechende Funktionalität des Entwurfs führten zum einstimmigen Juryentscheid: Vierhundert Mitbewerber, darunter Architekturbüros wie Snøhetta (Oslo) oder Plasma Studio (London), waren aus dem Feld geschlagen. Zur Realisierung übergab Günter Behnisch das Projekt dem Büro seines Sohnes Stefan.
Raum für Wale
Bei jährlich über 600 000 Besuchern platzte das Deutsche Meeresmuseum am alten Standort, dem gotischen Katharinenkloster im Stadtkern Stralsunds, schon lange aus allen Nähten. Diese Tatsache hatte – zusammen mit dem Bemühen der Stadt, vermehrt Touristen anzulocken – zum Plan geführt, das vor allem der musealen Darstellung speziell der nördlichen Meere dienende Ozeaneum als Dépendance an einem separaten Standort im Bereich des gewerblich nicht mehr genutzten Alten Hafens zu errichten. Ein ausgefeiltes Raumprogramm der Museumsleitung bereitete der für jeden Besucher glasklaren und zugleich ganz auf die technischen Belange des Ausstellungs- und Aquarienbetriebs abgestellten Gliederung des Baus den Boden.
Über eine dreissig Meter lange, frei spannende Rolltreppe erreicht man vom Foyer aus die oberste Ebene des seeseitig gelegenen Ausstellungstraktes. Beim Herabgehen erschliessen sich die Themen «Weltmeer», «Ostsee» sowie «Erforschung und Nutzung der Meere» im Rahmen geschickt kontrastierender Raumbilder, die von den Stuttgarter Museumsgestaltern des Ateliers Lohrer konzipiert wurden.
Zurück im Foyer, das schön gerahmte Ausblicke auf Stadt und Meer bietet, gelangt man über Brücken, Stege und Treppen in die beiden stadtseitig gelegenen Aquarienkomplexe «Ostsee» und «Nordsee» mit insgesamt 41 Becken; besonders das 2,6 Millionen Liter Wasser fassende Schwarmfischbassin vermittelt eine Ahnung von ozeanischen Dimensionen. Im vierten Baukörper finden sich dann Nachbildungen von Walen in Originalgrösse, die vor zoologisch korrekter Geräuschkulisse inmitten dunkler Weite bühnenmässig inszeniert sind.
Das Ozeaneum steht in der Pufferzone der Unesco-Welterbestätte Stralsund. Von der Ostsee und der Insel Rügen her gesehen, erhebt sich der 91 000 Kubikmeter grosse Bau direkt vor der mittelalterlichen Stadtsilhouette. Grösse und Form der vier separaten neuen Baukörper sprengen jedoch weder diese noch die Blockstruktur der Umgebung. Allerdings antwortet nicht jedes gestalterische Detail der perfekten Gliederung der Baumassen. So verbindet die Stahlblech-Fassade, deren Elemente von einem Unternehmen der örtlichen Schiffsbau-Industrie vorgeformt wurden, die einzelnen Baukörper zwar flüssig, doch geht stadtseitig der Bezug zwischen den rechteckigen Erdgeschossen der Aquarienkomplexe und ihren gerundeten Obergeschossen optisch nicht auf. Auch die Materialkombinationen im Foyer – Treppenstufen aus braunem Gussstein und Geländer aus Gitterrosten mit schwer wirkenden Naturholz-Handläufen – zeigen, dass es den Architekten nicht an jeder Stelle darauf ankam, ästhetische Funken tanzen zu lassen.
Ausblick ins Süsswasser
Wichtiger ist ein anderer Punkt: Der Neubau sollte möglichst umweltverträglich werden, da das Meeresmuseum nicht zuletzt ökologische Inhalte vermittelt. Als Meeresbiologe weiss sein Direktor Harald Benke, wie bedrohlich sich Umweltgifte im Organismus von Fischen und Meeressäugern anreichern; in freier Wildbahn verendete Robben hat er schon einmal als Sondermüll entsorgen müssen. So hofft er, dass das Ozeaneum nicht nur beim Energiekonzept, sondern auch im Hinblick auf die Baumaterialien für andere Bauherren Standards setzt – beispielsweise in puncto Vermeidung von PVC. Die Baukosten von insgesamt 60 Millionen Euro schliessen die ökologisch bedingten Mehrinvestitionen ein.
Das Ozeaneum spielt zwar hinsichtlich der Qualität der Ausstellungsgestaltung in einer eigenen Liga, ist aber nicht der einzige baulich bemerkenswerte Museums- und Aquarienneubau in Mecklenburg-Vorpommern. In Waren an der Müritz, inmitten der Mecklenburgischen Seenplatte, wurde 2007 das «Natur-Erlebnis-Zentrum» Müritzeum von Gert Wingårdh aus Göteborg eröffnet – der mit seinem Arkitektkontor auch die schwedischen Botschaften in Berlin und Washington gebaut hat. Für Waren entwarf er einen vielansichtigen Bau aus zwei leicht gegeneinander verschobenen, verschieden hohen und zweimal parallel angeschnittenen, nach aussen geneigten Kegelstumpfsegmenten. Mit der wartungsarmen Fassade aus 20 000 Laufmetern verkohlter Lärchenbretter hat der Architekt die lokale Tradition des Teerschwelens aufgegriffen und dabei eine faszinierende Oberfläche geschaffen, welche die Farbe Schwarz zwischen Absorption und Reflexion von Licht thematisiert. Innen findet man unter anderem das grösste Süsswasseraquarium Deutschlands.
Raum für Wale
Bei jährlich über 600 000 Besuchern platzte das Deutsche Meeresmuseum am alten Standort, dem gotischen Katharinenkloster im Stadtkern Stralsunds, schon lange aus allen Nähten. Diese Tatsache hatte – zusammen mit dem Bemühen der Stadt, vermehrt Touristen anzulocken – zum Plan geführt, das vor allem der musealen Darstellung speziell der nördlichen Meere dienende Ozeaneum als Dépendance an einem separaten Standort im Bereich des gewerblich nicht mehr genutzten Alten Hafens zu errichten. Ein ausgefeiltes Raumprogramm der Museumsleitung bereitete der für jeden Besucher glasklaren und zugleich ganz auf die technischen Belange des Ausstellungs- und Aquarienbetriebs abgestellten Gliederung des Baus den Boden.
Über eine dreissig Meter lange, frei spannende Rolltreppe erreicht man vom Foyer aus die oberste Ebene des seeseitig gelegenen Ausstellungstraktes. Beim Herabgehen erschliessen sich die Themen «Weltmeer», «Ostsee» sowie «Erforschung und Nutzung der Meere» im Rahmen geschickt kontrastierender Raumbilder, die von den Stuttgarter Museumsgestaltern des Ateliers Lohrer konzipiert wurden.
Zurück im Foyer, das schön gerahmte Ausblicke auf Stadt und Meer bietet, gelangt man über Brücken, Stege und Treppen in die beiden stadtseitig gelegenen Aquarienkomplexe «Ostsee» und «Nordsee» mit insgesamt 41 Becken; besonders das 2,6 Millionen Liter Wasser fassende Schwarmfischbassin vermittelt eine Ahnung von ozeanischen Dimensionen. Im vierten Baukörper finden sich dann Nachbildungen von Walen in Originalgrösse, die vor zoologisch korrekter Geräuschkulisse inmitten dunkler Weite bühnenmässig inszeniert sind.
Das Ozeaneum steht in der Pufferzone der Unesco-Welterbestätte Stralsund. Von der Ostsee und der Insel Rügen her gesehen, erhebt sich der 91 000 Kubikmeter grosse Bau direkt vor der mittelalterlichen Stadtsilhouette. Grösse und Form der vier separaten neuen Baukörper sprengen jedoch weder diese noch die Blockstruktur der Umgebung. Allerdings antwortet nicht jedes gestalterische Detail der perfekten Gliederung der Baumassen. So verbindet die Stahlblech-Fassade, deren Elemente von einem Unternehmen der örtlichen Schiffsbau-Industrie vorgeformt wurden, die einzelnen Baukörper zwar flüssig, doch geht stadtseitig der Bezug zwischen den rechteckigen Erdgeschossen der Aquarienkomplexe und ihren gerundeten Obergeschossen optisch nicht auf. Auch die Materialkombinationen im Foyer – Treppenstufen aus braunem Gussstein und Geländer aus Gitterrosten mit schwer wirkenden Naturholz-Handläufen – zeigen, dass es den Architekten nicht an jeder Stelle darauf ankam, ästhetische Funken tanzen zu lassen.
Ausblick ins Süsswasser
Wichtiger ist ein anderer Punkt: Der Neubau sollte möglichst umweltverträglich werden, da das Meeresmuseum nicht zuletzt ökologische Inhalte vermittelt. Als Meeresbiologe weiss sein Direktor Harald Benke, wie bedrohlich sich Umweltgifte im Organismus von Fischen und Meeressäugern anreichern; in freier Wildbahn verendete Robben hat er schon einmal als Sondermüll entsorgen müssen. So hofft er, dass das Ozeaneum nicht nur beim Energiekonzept, sondern auch im Hinblick auf die Baumaterialien für andere Bauherren Standards setzt – beispielsweise in puncto Vermeidung von PVC. Die Baukosten von insgesamt 60 Millionen Euro schliessen die ökologisch bedingten Mehrinvestitionen ein.
Das Ozeaneum spielt zwar hinsichtlich der Qualität der Ausstellungsgestaltung in einer eigenen Liga, ist aber nicht der einzige baulich bemerkenswerte Museums- und Aquarienneubau in Mecklenburg-Vorpommern. In Waren an der Müritz, inmitten der Mecklenburgischen Seenplatte, wurde 2007 das «Natur-Erlebnis-Zentrum» Müritzeum von Gert Wingårdh aus Göteborg eröffnet – der mit seinem Arkitektkontor auch die schwedischen Botschaften in Berlin und Washington gebaut hat. Für Waren entwarf er einen vielansichtigen Bau aus zwei leicht gegeneinander verschobenen, verschieden hohen und zweimal parallel angeschnittenen, nach aussen geneigten Kegelstumpfsegmenten. Mit der wartungsarmen Fassade aus 20 000 Laufmetern verkohlter Lärchenbretter hat der Architekt die lokale Tradition des Teerschwelens aufgegriffen und dabei eine faszinierende Oberfläche geschaffen, welche die Farbe Schwarz zwischen Absorption und Reflexion von Licht thematisiert. Innen findet man unter anderem das grösste Süsswasseraquarium Deutschlands.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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