Bauwerk
Strabag Zentrale
Ernst Hoffmann, Franz Janz - Wien (A) - 2003
Albatros, fliegend
Ach ja, das Schweben... Unerfüllte Sehnsucht von Architekten, Designern und Pro-Ego-Almdudler trinken-den Yogis. Anmerkungen zur neuen Strabag-Zentrale auf der Donauplatte.
29. März 2003 - Wojciech Czaja
EXPO 95, Wien - Budapest. Alles ausgebaggert, vorbereitet, geplant. Doch plötzlich blieben die Flächen leer, und so beschloss man in Wien kurzerhand, ein zweites Zentrum zu machen. Nach kaum sieben Jahren und einer zugebauten Donauplatte - allein zwei Grundstücke sind noch nicht verwertet - ist vor allem eines festzustellen: Fernab aller stadtplanerischen Diskurse kann man Atmosphäre wohl nicht gleich mit den Hochhäusern mitbauen, sondern muss abwarten. Abwarten, bis der Genius Loci eines Tages Einzug halten wird.
Doch bis es so weit ist, hat es keinen Zweck zu jammern. Und so befindet sich ein weiteres Projekt im Endspurt, Bezug im Sommer, Eröffnung im Herbst. Angesiedelt zwischen Ares-Tower und Tech-Gate, mit dem sich Holzbauer die eigene Sicht vom Andromeda-Veteranen hinaus auf die Donau verstellt hat, arbeitet die Strabag an ihrer neuen Konzernzentrale. Der Entwurf stammt aus der Feder der Architektenpartnerschaft Ernst Hoffmann und Franz Janz. Sinn und Zweck des Projekts: die Instanzen aus den derzeitigen drei Wiener Standorten unter einem Dach zusammenzufassen - ein Prestigeprojekt, das als solches gemeint war und als solches erkennbar sein wird.
Zwar ordnet sich die neue Strabag-Zentrale auf den ersten Blick dem bekannten Donauplatten-Kanon unter (kühl, streng, tot), doch auf den zweiten Blick ist es endlich wieder ein Projekt, das nach einer Flut gesichtsloser Klötze wieder an die Eleganz des deluganschen Riegels anknüpft. Die grundlegende Idee ist genauso rasch erklärt, wie man sie erkennt: Ein achtgeschoßiges, zackiges „S“ (S wie Strabag?), das unter Verschränkungen von 30 Grad die Fluchten der Neuen Donau und der umliegenden Straßen aufnimmt, wird um vier Vollgeschoße angehoben. Das Resultat: ein fliegender Albatros, stolze 13 Meter über Grund schwebend.
Ja, das Schweben . . . Unerfüllte Sehnsucht von Architekten, Designern und Pro-Ego-Almdudler trinkenden Yogis. In der Praxis werden es dann doch wieder mehr Stützen als im viel versprechenden Konzept, statt der schwebenden Baukörper sitzt dann meist ein Stahlbetonbaumhaus auf den obersten Wipfeln der Stahlbetonstämme. Welches Wunder also geschah, dass das Schweben der Strabag-Zentrale nun doch kein reiner Verkaufsgag war?
Die Antwort lautet: Statikerwettbewerb. Aus mehreren Entwürfen namhafter Statikbüros fiel die Entscheidung zu Gunsten des statischen Entwurfs von Gmeiner & Haferl, die nicht, wie üblich, auf Zug beanspruchte Stahlbauteile als hängendes „A“ einsetzten, sondern das statische Konzept auf den Kopf stellten und somit in ein stützendes „V“ verwandelten. So wird die Last der acht Geschoße direkt in die drei Stiegenhauskerne und in die herumstehenden Stahlbetonpfeiler eingeleitet. Das klingt zwar wieder einmal nach Stahlbetonwald (vor lauter Bäumen sieht man das Schweben des Hauses nicht mehr), doch die notwendigen statischen Elemente wurden in ihrer Anzahl auf ein Minimum reduziert und sind von der Fassadenfluchtlinie weit ab- und in die Gebäudemitte eingerückt. Die Konstruktion erscheint zurückhaltend, die Auskragung ist beachtlich.
Was außen konzeptionell stark begonnen hat, findet im Innern seine Fortsetzung: Die Büros folgen einem strengen modularen Raster, das nicht einmal der Statik erlaubt hineinzupfuschen. „Das ist unsere Vorstellung vom Bauen, und zwar im bildlichsten Sinne vom Aufbauen eines Hauses. Wir möchten immer den Rohbau vom Innenausbau trennen“, erklärt Architekt Franz Janz. Die Gründe sind evident: Erstens kann es irgendwie witzig sein, wenn zwei Systeme haarscharf aneinander vorbeilaufen (Architektenhumor), zweitens muss man im millimetergenauen Innenausbau nicht die üblichen fatalen Bau-Ungenauigkeiten des Rohbaus ausmerzen.
Das erlaubt in der Folge freilich die fescheren Details. Und davon gibt es eine Menge: Deckenelemente, die sich zur Glasfassade hin verjüngen und von außen betrachtet freilich sehr zart wirken; innen liegende Rollos, die mehr oder weniger luftdicht in der Führung sitzen, um die erwärmte Luft zwischen Glasfassade und Rollo absaugen zu können; viele integrierte Beleuchtungsideen; standardisierte Glasschiebetüren - und ein Farbkonzept von Oskar Putz, der die Teeküchen und WC-Boxen farblich hervorgehoben hat. Oskar Putz - die (etwas zu vorsichtig) wohlportionierte Menge an Lebensfreude im Innenraum, denn sonst ist alles aluminiumgrau, stahlgrau, RAL-grau, teppichgrau und mausgrau. Fast hat man das Gefühl, dass Hoffmann und Janz so viel Mut in die Statik investiert haben, dass für den Pinsel nicht mehr viel übrig blieb. Bleibt zu hoffen, dass die 800 farbigen Krawatten der Mitarbeiter die Fröhlichkeit des Farbkünstlers weiterspinnen werden.
Doch wenn einen nicht die Farben zum Kribbeln bringen, dann wohl zumindest Ausblick und Höhe. Man steht am Fenster und sieht unter dem seitlich anschließenden Trakt schon die Neue Donau. Da gibt es tatsächlich eine Anzahl an Arbeitszimmern, die einen im Panoramaausblick auf andere Arbeitszimmer und auf die Umgebung darunter die üblichen Dimensionen des Geschoßbaus neu überdenken lassen. Spätestens hier - beginnt man zu schweben.
Ein Gefühl, das in Zukunft nicht den „Strabagenten“ vorbehalten bleibt, sondern auch unzähligen anderen Glück bescheren können wird. Statt des ursprünglich angedachten Fitnesscenters im Dachgeschoß werden nun ein Restaurant und eine Bar als Aussichtsplattform über Wien fungieren. Und wer vor lauter Höhenangst den Weg ins Dachgeschoß nicht finden wird, ist auch auf ebener Erde gut aufgehoben. Sieben sogenannte „Kristalle“ - Glas-Stahl-Konstruktionen, die unter dem aufgeständerten Riegel in der Erde stecken - bergen infrastrukturelle Einrichtungen, die auf der Platte bisher nicht oder nur wenig zu finden waren: einige Restaurants, Shops, eine Veranstaltungshalle und vor allem das Strabag-Kunstforum, das sich der Förderung von Jungkünstlern verschrieben hat. Kunst zur Abwechslung einmal auf der anderen Seite der Donau - dem gebührt Respekt.
Alles in allem lockern die sieben kristallinen und windschiefen Boxen das konsequente und strenge Konzept von Hoffmann und Janz wieder etwas auf, was dem Projekt (und der Platte) sicherlich gut tut. Andererseits aber verlangen sie der Schlankheit des Projekts wiederum etwas Aufmerksamkeit ab: Wo im Endeffekt unten weniger Luft durchzischt, schwebt es oben auch weniger. Somit schaffen es Hoffmann und Janz, selbst aus diesem atemberaubenden Ding ein vergleichsweise unprätentiöses Projekt zu machen. Eine Geisteshaltung, die irgendwie sympathisch erscheint, bedenkt man, dass der Rest der Architekten meist zur gegenteiligen Masche neigt. Ob es jetzt sehr viel oder doch nur etwas weniger kribbelt, wenn man vor der neuen Strabag-Zentrale steht? Ein Urteil diesbezüglich scheint in Anbetracht aller übrigen Umstände unbedeutend.
Doch bis es so weit ist, hat es keinen Zweck zu jammern. Und so befindet sich ein weiteres Projekt im Endspurt, Bezug im Sommer, Eröffnung im Herbst. Angesiedelt zwischen Ares-Tower und Tech-Gate, mit dem sich Holzbauer die eigene Sicht vom Andromeda-Veteranen hinaus auf die Donau verstellt hat, arbeitet die Strabag an ihrer neuen Konzernzentrale. Der Entwurf stammt aus der Feder der Architektenpartnerschaft Ernst Hoffmann und Franz Janz. Sinn und Zweck des Projekts: die Instanzen aus den derzeitigen drei Wiener Standorten unter einem Dach zusammenzufassen - ein Prestigeprojekt, das als solches gemeint war und als solches erkennbar sein wird.
Zwar ordnet sich die neue Strabag-Zentrale auf den ersten Blick dem bekannten Donauplatten-Kanon unter (kühl, streng, tot), doch auf den zweiten Blick ist es endlich wieder ein Projekt, das nach einer Flut gesichtsloser Klötze wieder an die Eleganz des deluganschen Riegels anknüpft. Die grundlegende Idee ist genauso rasch erklärt, wie man sie erkennt: Ein achtgeschoßiges, zackiges „S“ (S wie Strabag?), das unter Verschränkungen von 30 Grad die Fluchten der Neuen Donau und der umliegenden Straßen aufnimmt, wird um vier Vollgeschoße angehoben. Das Resultat: ein fliegender Albatros, stolze 13 Meter über Grund schwebend.
Ja, das Schweben . . . Unerfüllte Sehnsucht von Architekten, Designern und Pro-Ego-Almdudler trinkenden Yogis. In der Praxis werden es dann doch wieder mehr Stützen als im viel versprechenden Konzept, statt der schwebenden Baukörper sitzt dann meist ein Stahlbetonbaumhaus auf den obersten Wipfeln der Stahlbetonstämme. Welches Wunder also geschah, dass das Schweben der Strabag-Zentrale nun doch kein reiner Verkaufsgag war?
Die Antwort lautet: Statikerwettbewerb. Aus mehreren Entwürfen namhafter Statikbüros fiel die Entscheidung zu Gunsten des statischen Entwurfs von Gmeiner & Haferl, die nicht, wie üblich, auf Zug beanspruchte Stahlbauteile als hängendes „A“ einsetzten, sondern das statische Konzept auf den Kopf stellten und somit in ein stützendes „V“ verwandelten. So wird die Last der acht Geschoße direkt in die drei Stiegenhauskerne und in die herumstehenden Stahlbetonpfeiler eingeleitet. Das klingt zwar wieder einmal nach Stahlbetonwald (vor lauter Bäumen sieht man das Schweben des Hauses nicht mehr), doch die notwendigen statischen Elemente wurden in ihrer Anzahl auf ein Minimum reduziert und sind von der Fassadenfluchtlinie weit ab- und in die Gebäudemitte eingerückt. Die Konstruktion erscheint zurückhaltend, die Auskragung ist beachtlich.
Was außen konzeptionell stark begonnen hat, findet im Innern seine Fortsetzung: Die Büros folgen einem strengen modularen Raster, das nicht einmal der Statik erlaubt hineinzupfuschen. „Das ist unsere Vorstellung vom Bauen, und zwar im bildlichsten Sinne vom Aufbauen eines Hauses. Wir möchten immer den Rohbau vom Innenausbau trennen“, erklärt Architekt Franz Janz. Die Gründe sind evident: Erstens kann es irgendwie witzig sein, wenn zwei Systeme haarscharf aneinander vorbeilaufen (Architektenhumor), zweitens muss man im millimetergenauen Innenausbau nicht die üblichen fatalen Bau-Ungenauigkeiten des Rohbaus ausmerzen.
Das erlaubt in der Folge freilich die fescheren Details. Und davon gibt es eine Menge: Deckenelemente, die sich zur Glasfassade hin verjüngen und von außen betrachtet freilich sehr zart wirken; innen liegende Rollos, die mehr oder weniger luftdicht in der Führung sitzen, um die erwärmte Luft zwischen Glasfassade und Rollo absaugen zu können; viele integrierte Beleuchtungsideen; standardisierte Glasschiebetüren - und ein Farbkonzept von Oskar Putz, der die Teeküchen und WC-Boxen farblich hervorgehoben hat. Oskar Putz - die (etwas zu vorsichtig) wohlportionierte Menge an Lebensfreude im Innenraum, denn sonst ist alles aluminiumgrau, stahlgrau, RAL-grau, teppichgrau und mausgrau. Fast hat man das Gefühl, dass Hoffmann und Janz so viel Mut in die Statik investiert haben, dass für den Pinsel nicht mehr viel übrig blieb. Bleibt zu hoffen, dass die 800 farbigen Krawatten der Mitarbeiter die Fröhlichkeit des Farbkünstlers weiterspinnen werden.
Doch wenn einen nicht die Farben zum Kribbeln bringen, dann wohl zumindest Ausblick und Höhe. Man steht am Fenster und sieht unter dem seitlich anschließenden Trakt schon die Neue Donau. Da gibt es tatsächlich eine Anzahl an Arbeitszimmern, die einen im Panoramaausblick auf andere Arbeitszimmer und auf die Umgebung darunter die üblichen Dimensionen des Geschoßbaus neu überdenken lassen. Spätestens hier - beginnt man zu schweben.
Ein Gefühl, das in Zukunft nicht den „Strabagenten“ vorbehalten bleibt, sondern auch unzähligen anderen Glück bescheren können wird. Statt des ursprünglich angedachten Fitnesscenters im Dachgeschoß werden nun ein Restaurant und eine Bar als Aussichtsplattform über Wien fungieren. Und wer vor lauter Höhenangst den Weg ins Dachgeschoß nicht finden wird, ist auch auf ebener Erde gut aufgehoben. Sieben sogenannte „Kristalle“ - Glas-Stahl-Konstruktionen, die unter dem aufgeständerten Riegel in der Erde stecken - bergen infrastrukturelle Einrichtungen, die auf der Platte bisher nicht oder nur wenig zu finden waren: einige Restaurants, Shops, eine Veranstaltungshalle und vor allem das Strabag-Kunstforum, das sich der Förderung von Jungkünstlern verschrieben hat. Kunst zur Abwechslung einmal auf der anderen Seite der Donau - dem gebührt Respekt.
Alles in allem lockern die sieben kristallinen und windschiefen Boxen das konsequente und strenge Konzept von Hoffmann und Janz wieder etwas auf, was dem Projekt (und der Platte) sicherlich gut tut. Andererseits aber verlangen sie der Schlankheit des Projekts wiederum etwas Aufmerksamkeit ab: Wo im Endeffekt unten weniger Luft durchzischt, schwebt es oben auch weniger. Somit schaffen es Hoffmann und Janz, selbst aus diesem atemberaubenden Ding ein vergleichsweise unprätentiöses Projekt zu machen. Eine Geisteshaltung, die irgendwie sympathisch erscheint, bedenkt man, dass der Rest der Architekten meist zur gegenteiligen Masche neigt. Ob es jetzt sehr viel oder doch nur etwas weniger kribbelt, wenn man vor der neuen Strabag-Zentrale steht? Ein Urteil diesbezüglich scheint in Anbetracht aller übrigen Umstände unbedeutend.
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