Bauwerk
Sporthalle Wattens
obermoser arch-omo, Thomas Schnizer - Wattens (A) - 2008
Gut sehen, gut sitzen
Ein Objekt, das sich selbst genügt? Keineswegs, gerade weil es so viele Reflexionen über das Umfeld einschließt, schaut es so aus, wie es ausschaut: das neue Sportzentrum von Wattens.
3. April 2009 - Liesbeth Waechter-Böhm
Wattens ist Swarovski-Land mit allem, was dafür und dagegen spricht. Es ist der Schauplatz ei- nes – durchaus bemerkenswerten – MPreis-Supermarktes von Dominique Perrault. Und neuerdings ist es auch der Standort eines Sportzentrums von recht eindrucksvollen Ausmaßen. Johann Obermoser und Thomas Schnizer haben es geplant und dabei mustergültig vorgeführt, wie sich ein ziemlich gewaltiger Baukörper in einen Kontext integrieren lässt, der einerseits von einer kunterbunten Einfamilienhausbebauung (auf der gegenüberliegenden Straßenseite) und andererseits einem auch nicht gerade monumentalen Volksschulgebäude (dahinter) charakterisiert ist. Nicht zu vergessen – in Tirol ist das wirklich von Belang –, dass der Ausblick auf die Berge zur architektonischen Pflicht gehört. In diesem Fall ist es der „Walderkamm“.
Es ist immer so eine Sache. Ein Sportzentrum ist ein Sonderbau, und Sonderbauten dürfen sich schon manchmal aufbäumen; dieser tut es auch – aber auf eine subtilere Art. Er fällt nicht nur durch sein Volumen aus der Alltagsrolle, sondern vor allem durch seine Architektursprache und seine Materialität. Die Architekten haben konzeptuell das – im Nachhinein – einzig Mögliche, Denkbare gemacht, sie haben den Großteil des Volumens in die Erde versenkt. Dadurch liegt die Halle höhenmäßig maßstäblich im Gelände, sie erschlägt weder den architektonisch uninteressanten Volksschulbau noch die Einfamilienhäuser vis-à-vis. Allein schon diese Überlegung muss im Wettbewerb ein gewichtiges Argument gewesen sein.
Der große Dreifachturnsaal ist tief in die Erde versenkt und verfügt foyerseitig über Sitztribünen für immerhin 300 Zuschauer. Ebenfalls abgesenkt: der Aufstieg zu einer zehn Meter hohen Kletterwand, was heute offenkundig zu den Highlights unter den sportlichen Obsessionen zählt. Rührend: eine rote Linie, die augenscheinlich markieren soll, bis wohin die Schüler der angrenzenden Volksschule klettern dürfen; na, ich nehme an, sie werden sich biblisch daran halten.
Das Objekt hat sein eigenes Flair. Der lang gestreckte Baukörper wirkt zunächst flach und niedrig und trotz weit aufgerissener Belichtungsflächen irgendwie monolithisch. Aber nicht fad. Die Längsfassaden sind geneigt – dadurch entsteht der Eindruck einer gewissen Dynamik, es vermittelt fast so etwas wie Geschwindigkeit. Und es hat ein denkwürdiges Dach, dessen zweifach geknickte Ausbildung die Raumhöhen drinnen abbildet. Es hat also eine freie, keine typologisch fest geschriebene Form, bewahrt aber irgendwie, wenn auch sehr abstrahiert, die Erinnerung an ein Satteldach. Das ist ausgesprochen reizvoll.
Wenn man über den klar und deutlich artikulierten, etwas angehobenen Haupteingang, der seitlich der Hauptstraße gelegen ist, hineingeht, betritt man eine sehr große Halle, die auch etwas von einer hölzernen Schatulle an sich hat. So konsequent und rundum wurde mit dem Material umgegangen – Boden, Wand, Decke bilden eine einheitliche Haut, die nur durch die Lochung der Akustikpaneele eine leichte Akzentuierung erfährt. Dieser Hautcharakter der Eschenoberflächen hat viel mit der Verlegungsweise des Holzes zu tun. Sie reiht Riemen für Riemen aneinander, glatt, sodass niemals dieser gewisse Parkettbodencharakter entsteht.
Wie gesagt, diese Halle ist groß und daher für vielerlei Veranstaltungen geeignet. Außer zwei Sichtbetonelementen mit Lift und Nebenräumen enthält sie nichts als ein lang gestrecktes, ausgesprochen minimalisiertes Möbel, in dem all jene Gerätschaften bündig installiert sind, die man im Fall eines Empfangs oder Buffets eben braucht. Sonst ist nichts da. Nur das Licht, das sowohl von den Schmalseiten als auch den langen, schräg gestellten, großzügig aufgeschnittenen und verglasten Längsfassaden einfällt. Dieses natürliche Licht ist ein wichtiger Faktor der räumlichen Inszenierung, weil es die ohnehin komplex verschränkten Ein-, Durch- und Ausblicksmöglichkeiten im Gebäude auf der Foyerebene wunderbar dramatisiert.
Schlichtheit als architektonischer Anspruch wurde bei dieser Halle bis zum gestalterischen Abmagern ernst genommen und durchgehalten. Schwere Kost für die Bevölkerung der Umgebung? Offenbar nicht. Ich musste mir sagen lassen, dass der Bau rundum angenommen ist. Nicht nur von den kleinen Kletterern, denen die Architekten mit der roten Linie einen Schuss Freiheit zum Ungehorsam zur Verfügung stellen. Die Turnhalle selbst hat die üblichen Ausmaße einer Dreifachturnhalle, erhält Licht von seitlich-oben und ist von den foyerseitigen Tribünen hervorragend zu überblicken. In Wirklichkeit braucht es für das Funktionieren einer solchen räumlichen Verschränkung ja nicht viel, da gibt es ausreichende Erfahrungswerte. Nur: Bequem sitzen möchte man schon. Hier sitzt man auf sehr schlichten Bänken (Esche), die versetzt angeordnet sind, so dass man wirklich gut sieht – und eben auch gut sitzt.
Unterirdisch ist die Anlage mit der Volksschule dahinter verbunden. Für die stellt sie natürlich ein Angebot der Sonderklasse dar. Die Halle wird aber auch von vielen Sportvereinen intensiv genutzt. Und – wieder einmal – die Kletterwand stellt dabei mit ihren zehn Metern ein Highlight dar. Schon in Wien sind solche Einrichtungen der ultimative Erfolg, man kann sich gut vorstellen, wie es erst in Tirol, dem Land nicht nur der Skifahrer, sondern auch der Bergsteiger – zugeht, nicht selten ausgesprochen dicht.
Das Haus ist eine perfekt laufende Maschine. Die Architekten kommen ganz ohne Anbiederung an die Umgebung aus. Ergebnis: ein Objekt, das sich scheinbar selbst genügt. In Wirklichkeit aber in dieser speziellen Ausprägung zustande gekommen ist, gerade weil es so viele Reflexionen über das Umfeld einschließt und in einer verarbeiteten Übersetzung materialisiert.
Konstruktiv sollte man vielleicht anmerken, dass das Dach im Wesentlichen von 14 Stahlsäulen in Verbindung mit der Stahlbetonscheibe der Kletterwand getragen wird. Diese Säulen sind schlank, leicht schräg gestellt, durchaus elegant. Man sieht die Konstruktion also, auch ihre Aussteifung. Ich würde sagen, das gehört alles unter den Überbegriff „Wahrhaftigkeit“ einer architektonischen Lösung. Für einen Außenstehenden ist und bleibt es aber interessant, dass gerade in einem Ort wie Wattens, der einerseits durch ein zwar ambitioniertes, aber doch auch gschnasartiges Ambiente charakterisiert ist, der andererseits Bauten von Perrault vorzuweisen hat, die angestammte, ureigene Tiroler Architektur vielleicht sogar das beste Highlight geliefert hat. Man sollte im Auge behalten, dass es hier eine Fülle kreativer Kräfte gibt, die für das eigene Land sehr viel tun. Noch stehen die Zeichen nicht auf Internationalismus, obwohl – behaupte ich jetzt einmal hypothetisch – jede Menge Potenzial dafür da ist. Aber vielleicht sind die Tiroler ja gescheiter. Und wissen, dass es darauf nicht wirklich ankommt.
Es ist immer so eine Sache. Ein Sportzentrum ist ein Sonderbau, und Sonderbauten dürfen sich schon manchmal aufbäumen; dieser tut es auch – aber auf eine subtilere Art. Er fällt nicht nur durch sein Volumen aus der Alltagsrolle, sondern vor allem durch seine Architektursprache und seine Materialität. Die Architekten haben konzeptuell das – im Nachhinein – einzig Mögliche, Denkbare gemacht, sie haben den Großteil des Volumens in die Erde versenkt. Dadurch liegt die Halle höhenmäßig maßstäblich im Gelände, sie erschlägt weder den architektonisch uninteressanten Volksschulbau noch die Einfamilienhäuser vis-à-vis. Allein schon diese Überlegung muss im Wettbewerb ein gewichtiges Argument gewesen sein.
Der große Dreifachturnsaal ist tief in die Erde versenkt und verfügt foyerseitig über Sitztribünen für immerhin 300 Zuschauer. Ebenfalls abgesenkt: der Aufstieg zu einer zehn Meter hohen Kletterwand, was heute offenkundig zu den Highlights unter den sportlichen Obsessionen zählt. Rührend: eine rote Linie, die augenscheinlich markieren soll, bis wohin die Schüler der angrenzenden Volksschule klettern dürfen; na, ich nehme an, sie werden sich biblisch daran halten.
Das Objekt hat sein eigenes Flair. Der lang gestreckte Baukörper wirkt zunächst flach und niedrig und trotz weit aufgerissener Belichtungsflächen irgendwie monolithisch. Aber nicht fad. Die Längsfassaden sind geneigt – dadurch entsteht der Eindruck einer gewissen Dynamik, es vermittelt fast so etwas wie Geschwindigkeit. Und es hat ein denkwürdiges Dach, dessen zweifach geknickte Ausbildung die Raumhöhen drinnen abbildet. Es hat also eine freie, keine typologisch fest geschriebene Form, bewahrt aber irgendwie, wenn auch sehr abstrahiert, die Erinnerung an ein Satteldach. Das ist ausgesprochen reizvoll.
Wenn man über den klar und deutlich artikulierten, etwas angehobenen Haupteingang, der seitlich der Hauptstraße gelegen ist, hineingeht, betritt man eine sehr große Halle, die auch etwas von einer hölzernen Schatulle an sich hat. So konsequent und rundum wurde mit dem Material umgegangen – Boden, Wand, Decke bilden eine einheitliche Haut, die nur durch die Lochung der Akustikpaneele eine leichte Akzentuierung erfährt. Dieser Hautcharakter der Eschenoberflächen hat viel mit der Verlegungsweise des Holzes zu tun. Sie reiht Riemen für Riemen aneinander, glatt, sodass niemals dieser gewisse Parkettbodencharakter entsteht.
Wie gesagt, diese Halle ist groß und daher für vielerlei Veranstaltungen geeignet. Außer zwei Sichtbetonelementen mit Lift und Nebenräumen enthält sie nichts als ein lang gestrecktes, ausgesprochen minimalisiertes Möbel, in dem all jene Gerätschaften bündig installiert sind, die man im Fall eines Empfangs oder Buffets eben braucht. Sonst ist nichts da. Nur das Licht, das sowohl von den Schmalseiten als auch den langen, schräg gestellten, großzügig aufgeschnittenen und verglasten Längsfassaden einfällt. Dieses natürliche Licht ist ein wichtiger Faktor der räumlichen Inszenierung, weil es die ohnehin komplex verschränkten Ein-, Durch- und Ausblicksmöglichkeiten im Gebäude auf der Foyerebene wunderbar dramatisiert.
Schlichtheit als architektonischer Anspruch wurde bei dieser Halle bis zum gestalterischen Abmagern ernst genommen und durchgehalten. Schwere Kost für die Bevölkerung der Umgebung? Offenbar nicht. Ich musste mir sagen lassen, dass der Bau rundum angenommen ist. Nicht nur von den kleinen Kletterern, denen die Architekten mit der roten Linie einen Schuss Freiheit zum Ungehorsam zur Verfügung stellen. Die Turnhalle selbst hat die üblichen Ausmaße einer Dreifachturnhalle, erhält Licht von seitlich-oben und ist von den foyerseitigen Tribünen hervorragend zu überblicken. In Wirklichkeit braucht es für das Funktionieren einer solchen räumlichen Verschränkung ja nicht viel, da gibt es ausreichende Erfahrungswerte. Nur: Bequem sitzen möchte man schon. Hier sitzt man auf sehr schlichten Bänken (Esche), die versetzt angeordnet sind, so dass man wirklich gut sieht – und eben auch gut sitzt.
Unterirdisch ist die Anlage mit der Volksschule dahinter verbunden. Für die stellt sie natürlich ein Angebot der Sonderklasse dar. Die Halle wird aber auch von vielen Sportvereinen intensiv genutzt. Und – wieder einmal – die Kletterwand stellt dabei mit ihren zehn Metern ein Highlight dar. Schon in Wien sind solche Einrichtungen der ultimative Erfolg, man kann sich gut vorstellen, wie es erst in Tirol, dem Land nicht nur der Skifahrer, sondern auch der Bergsteiger – zugeht, nicht selten ausgesprochen dicht.
Das Haus ist eine perfekt laufende Maschine. Die Architekten kommen ganz ohne Anbiederung an die Umgebung aus. Ergebnis: ein Objekt, das sich scheinbar selbst genügt. In Wirklichkeit aber in dieser speziellen Ausprägung zustande gekommen ist, gerade weil es so viele Reflexionen über das Umfeld einschließt und in einer verarbeiteten Übersetzung materialisiert.
Konstruktiv sollte man vielleicht anmerken, dass das Dach im Wesentlichen von 14 Stahlsäulen in Verbindung mit der Stahlbetonscheibe der Kletterwand getragen wird. Diese Säulen sind schlank, leicht schräg gestellt, durchaus elegant. Man sieht die Konstruktion also, auch ihre Aussteifung. Ich würde sagen, das gehört alles unter den Überbegriff „Wahrhaftigkeit“ einer architektonischen Lösung. Für einen Außenstehenden ist und bleibt es aber interessant, dass gerade in einem Ort wie Wattens, der einerseits durch ein zwar ambitioniertes, aber doch auch gschnasartiges Ambiente charakterisiert ist, der andererseits Bauten von Perrault vorzuweisen hat, die angestammte, ureigene Tiroler Architektur vielleicht sogar das beste Highlight geliefert hat. Man sollte im Auge behalten, dass es hier eine Fülle kreativer Kräfte gibt, die für das eigene Land sehr viel tun. Noch stehen die Zeichen nicht auf Internationalismus, obwohl – behaupte ich jetzt einmal hypothetisch – jede Menge Potenzial dafür da ist. Aber vielleicht sind die Tiroler ja gescheiter. Und wissen, dass es darauf nicht wirklich ankommt.
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