Bauwerk

Edelweiss Residences Katschberg
Matteo Thun - Rennweg am Katschberg (A)
Edelweiss Residences Katschberg, Foto: Angelo Kaunat

Tannenzapfen im Siedlungsbrei

Apartmenthochhaus in Katschberg

Die alpine Wintersportregion nahe der Tauernautobahn soll nach den Vorstellungen von Touristikern zur Ganzjahresdestination ausgebaut werden. Die Immobiliengruppe Falkensteiner Michaeler ging dazu mit der Erweiterung einer bestehenden Hotelanlage durch zwei 14– bzw. 10-geschossige »Beinahe-Hochhäuser« in Vorleistung und vermarktet diese vollmundig als Tor zwischen den Bundesländern Salzburg und Kärnten und als neues Wahrzeichen des Katschbergs. Neben ästhetischen wirft dieses Vorgehen aber grundsätzliche Fragen zum angemessenen Umgang mit dem Tourismus und den verbleibenden Ressourcen auf.

3. November 2009 - Karin Tschavgova
Gehören die beiden Apartmenttürme, die Matteo Thun an exponierter Stelle auf die Passhöhe des Katschbergs gesetzt hat, dort, wo sie nun hoch über Almwiesen und Baumwipfel herausragen, wirklich hin?

Wer sich die Mühe macht, über eine skeptische Erstreaktion hinaus über die Berechtigung der beiden Türme an diesem Ort und die Intentionen des Architekten nachzudenken, wird erkennen, dass die Motive für das Streben in die Höhe im urbanen, dicht verbauten Raum dieselben sind wie in alpiner Naturlandschaft: Es gilt, flächensparend und landschaftsverträglich zu bauen. Wer die Schönheit und Unberührtheit einer Landschaft als touristisches Kapital einsetzt, muss sich überlegen, wie diese Ressource erhalten und möglichst schonend genutzt werden kann.

Matteo Thun hatte den Bauherrn ursprünglich einen einzelnen, viel höheren Turm vorgeschlagen, den die Kärntner Baubehörde ablehnte – zu ungewöhnlich und gewagt erschien der Bautypus hierzulande (anders als in Davos, wo Herzog & de Meurons Entwurf eines weithin sichtbaren Hochhauses als Erweiterung eines Traditionsbetriebs angenommen wurde). Die nun am Katschberg realisierte Lösung, eine Teilung der Baumasse in zwei Volumina, wurde in Absprache mit den Behörden erarbeitet, die hier bemerkenswerterweise Bauqualität vor Konvention setzten.

Der ausgedehnte Turmsockel schafft auf dem nach Süden abfallenden Gelände am Ortsrand eine begrünte, gleichwohl als künstlich angelegt erkennbare Verbindungsebene zwischen Hotel und Apartments und beherbergt abschließbare Stellplätze, die zugleich Stauraum für Sportgeräte bieten.

Die Grundrisse der beiden zylindrischen Bauten sind identisch – mit einem minimal bemessenen, dennoch konstruktiv wirksamen Kern nach Norden hin mit Eingang, Aufzügen und Treppenhaus und je Geschoss zwei oder drei Apartments, die talwärts ausgerichtet sind. Gründungspfähle in bis zu 30 m Tiefe des felsigen Untergrunds, Stahlbeton im tragenden Kern und Stahlbetondecken mit aussteifenden Fassadenscheiben erlaubten, den Innenausbau in Gipskarton auszuführen. Dadurch lässt sich bei Bedarf die gesamte Geschossfläche zu einer großen, luxuriösen Einheit zusammen- legen. Augenscheinlich sind bei weitem noch nicht alle der insgesamt 64 Wohnungen verkauft.

Jedem OG ist ein durchlaufender Balkon vorgesetzt, der auch als Fluchtweg dient. Die Balkone, die nur durch einfache Abschottungen voneinander getrennt sind, durften aus Brandschutzgründen nicht mit dem obligaten Belag aus Holz ausgestattet werden. Thun hat das Holz dennoch eingebracht: als Abguss einer rauen Holzschalung im Beton der Balkonplatte. Die Fassade hat an derartigen gestalterischen »Aperçus« nichts zu bieten. Sie ist als konventionelle zweischalige Außenhaut mit Vollwärmeschutz ausgeführt. Der Putz in einem bräunlich-fahlen Farbton wirkt trist und verfehlt jedenfalls an Tagen mit bedecktem Himmel die gewünschte Wirkung distinguierter Zurückhaltung. Zur Nobilitierung der Apartments, deren Kosten immerhin im obersten Preissegment angesiedelt sind, tragen auch die einfachen verzinkten Geländer nichts bei. Immerhin sind sie beinahe unsichtbar, weil sie hinter der äußersten Hüllebene der Türme, einer rhombenförmigen, leicht gebauchten Gitterstruktur aus Lärchenkanthölzern, zurücktreten.

Dieses »Hüllgewebe« – inzwischen schon zum Markenzeichen des südtiroler Architekten geworden – verwendet Matteo Thun einerseits, um die Horizontalbetonung der Geschossebenen zurückzudrängen und die Türme monolithisch erscheinen zu lassen, andererseits vermittelt die Struktur zwischen der harten Oberfläche der Fassaden und dem sie umgebenden »weichen« Landschaftsraum – der Almwiese und dem Nadelgehölz. An den beiden Türmen ist dies sinnfällig geglückt. Erst die Hülle macht sie zu den kompakten Körpern, die schon jetzt Signets der Katschberghöhe geworden sind. Der niederländische Großanbieter von Ferienwohnungen Landal betreibt am Katschberg ein ganzes Feriendorf aus »Retorten-Chalets«, die einen vermeintlich landestypischen Stil bemühen. Die 82 Wohnungen, mit denen ein ganzer Hang am Dorfrand verbaut wurde, verbrauchen mehr Land, haben einen höheren Anteil an Erschließung und Infrastruktur und eine geringere Energieeffizienz als die beiden kompakten Apartmenttürme. Nachhaltige haustechnische Alternativen sind allerdings auch hier dem Rechenstift zum Opfer gefallen – man heizt mit der bestehenden Hackschnitzelanlage und hat weder eine Solaranlage für Warmwasser noch die von Thun vorgeschlagenen Windräder auf dem Dach realisiert.

Alpines Bauen – eine Frage der architektonischen Qualität?

Ob die beiden, schon von weitem sichtbaren Türme weniger landschaftsverträglich sind als vergleichbar große liegende Baukörper? Wer traut sich zu, solche Fragen anders als mit seiner subjektiven Überzeugung zu beantworten? Die wesentliche Frage ist, ob ein weiterer Ausbau der Alpen, ob Resorts überhaupt die Rettung schwächelnder touristischer Alpenregionen sein können.

Touristiker sagen, das Schlimmste sei, wenn in den mit Strukturproblemen kämpfenden Ferienorten gar nichts passiert. Und so werden Investoren von Ferienresorts nicht nur am Katschberg herbeigesehnt, streben doch alle im Dreiländereck Salzburg, Steiermark und Kärnten gelegenen Tourismusgebiete für ihre Bergbahnen, Liftanlagen, Gasthäuser und Beherbergungsbetriebe eine höhere, übers Jahr verteilte Auslastung an.

Die Turmapartments, deren Besitzer Dienstleistungen des angeschlossenen Hotels in Anspruch nehmen können, werden unter der Bezeichnung »Residences edel:weiss« als luxuriöser Ferienwohnsitz und Kapitalanlage vermarket. Einem »Buy to use and let«-Konzept, wie es Investoren von Ferienanlagen heute in der Schweiz auferlegt wird, um sogenannte kalte Betten und überwiegend dunkle Fensterlöcher zu vermeiden, unterliegen sie nicht, so dass positive Effekte für die lokale Beschäftigung und die regionale Wirtschaft verschwindend gering sein werden. Zweitwohnungen, die nicht vermietet werden, bringen schließlich nur den Verkäufern von Grundstücken und Apartments Gewinne.

Auch die Türme am Katschberg provozieren daher nicht in erster Linie Fragen zur Baukultur, sondern zu grundlegenden Problemstellungen der alpinen touristischen Entwicklung. Begegnet man ihnen mit offenem Blick, so lässt sich feststellen, dass sie die Landschaft weniger stören oder zerstören als andere, in Größe und Bettenanzahl vergleichbare touristische Projekte.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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