Bauwerk
Umbau TU Wien
NMPB Architekten - Wien (A) - 2009
Die gläserne Arterie
Allenthalben Licht, räumliche Flexibilität, Zugänge zu einst verbauten Räumen und Öffnungen nach allen Seiten: die neue Technische Universität Wien. Ein beachtlicher, teils überwältigender Umbau.
21. November 2009 - Iris Meder
Vielleicht ist ein besserer baulicher Zugang zur Hochschule ja der erste Schritt zu besseren Studienbedingungen. Wenn es so wäre, dürften die – von Architekt Manfred Nehrer in ihren Protesten entschieden unterstützten – Studierenden Hoffnung schöpfen. Nachdem das von Heinrich von Ferstel entworfene Hauptgebäude der Universität am Ring in den letzten Jahren durch die Interventionen des Architekten Roger Baumeister einen barrierefreien, einladenden Eingang zum nunmehr lichterfüllten Foyer, dem freigeräumten Arkadenhof und dem helleren und geräumigeren Audimax bekommen hat, kann nun auch die Technische Universität (TU) den ersten Teilabschnitt ihres Umbaus präsentieren. Die Effekte sind beachtlich und teils überwältigend – nicht nur für jene, die den Bau zuvor gekannt und genutzt haben.
Gerade Bauten des 19. Jahrhunderts können durch schlechte Belichtung und innere Verhüttelung regelrecht umgebracht werden. So ist das einst düstere, zugige und durch mehrere Treppenabsätze geteilte TU-Foyer jetzt ein heller Raum, der seiner Erschließungsfunktion hervorragend gerecht wird. Beginnend mit einem neuen, stufenlos zum Eingang ansteigenden Granitbelag am Karlsplatz, zeigt der ab 1816 errichtete unübersichtliche Baukomplex auf einmal eine gläserne Arterie, die einen Durchblick vom Ressel-Denkmal vor dem Haupteingang bis zur Paniglgasse erlaubt.
Neue ringförmige Erschließungssysteme ohne Sackgassen, bessere Orientierungsmöglichkeiten, räumliche Flexibilität, Öffnungen nach allen Seiten, Aufmachen einst verbauter Räume könnte man als die Leitmotive des Entwurfs bezeichnen, mit dem das Büro NMPB den 2005 ausgeschriebenen Wettbewerb gewann. So ist die Eingangshalle durch das Entfernen seitlicher Scheintüren auf einmal fünfschiffig und der erdgeschoßige Prechtlsaal ohne Umwege direkt vom Foyer aus zugänglich. Durch ein vom renommierten Studio Bartenbach geplantes neues Beleuchtungssystem, das das Licht von den Gewölbefeldern reflektiert, wurden Lichtführung und Helligkeit um ein Vielfaches verbessert, und der Energieverbrauch wurde gleichzeitig auf die Hälfte gesenkt.
Rechterhand macht ein prismatisch geknickter Info-Counter aus eloxiertem rotem Aluminium klar, dass Gegenwart und Zukunft im Haus wohnen – wo genau, darüber informieren Airport-Atmosphäre suggerierende Großbildschirme über den Durchgängen. Ob die vom Wander-Bertoni-Schüler Walter Kölbl konzipierten schicken Aluminiumpaneele, auf die künftig Botschaften nur mehr projiziert werden sollen, das studentische Kommunikationsmedium Schwarzes Brett zu ersetzen vermögen, darf bezweifelt werden. Jedenfalls wird das mit neuen Sandsteinplatten ausgelegte Foyer schon jetzt so gerne als Aufenthaltsort genutzt, dass provisorische Sitzflächen in Tomatenrot zwischen die Pfeiler gespannt wurden, um kurzfristige Kommunikations- und Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen.
Aus der Spindel des biedermeierlichen Stiegenhauses wurde der Aufzug entfernt, Pfeiler und Wände sandgestrahlt. Wiedererstanden ist ein spektakulär schöner Treppenraum. Seine Alternative ist ein neuer gläserner Fahrstuhlturm, der mit denkmalpflegerisch korrektem Abstand zum Altbau in den Hof gesetzt wurde. Oben ist durch Entfernen nachträglich eingezogener Zwischenwände ein großes lichtdurchflutetes Foyer vor dem Festsaal entstanden.
Die eigentliche Sensation wartet unter dem Dach des Mitteltraktes. Dort entdeckte man hinter den Gipskartonplatten und abgehängten Decken des maroden und zuletzt feuerpolizeilich gesperrten Aktzeichensaals den „Schiffsdachboden“ der ersten Bauphase von 1816. Speziell ist das hier angewandte System der aus drei Brettern zusammengenagelten Bogenbinder nach dem System des französischen Renaissance-Architekten Philibert Delorme, das seinerzeit eine stützenfreie Eindeckung des 20 mal 24 Meter großen Raumes ermöglichte. Vor 100 Jahren wurde der gesamte Dachstuhl im Zuge der Aufstockung des Gebäudes mit beim Bau des Suezkanals verwendeten Hebemaschinen um ein Geschoß angehoben.
Dass das Bundesdenkmalamt nach dem Nachweis der notwendigen Brandsicherheit eine außen liegende Isolierung des Daches erlaubte, erhöhte die neu eingedeckte Kuppel um unmerkliche 18 Zentimeter, vor allem aber ermöglichte es unter Mitarbeit des Statikers Robert Krapfenbauer die Entstehung eines spektakulären zwölf Meter hohen Saals mit offenem, unverkleidetem Dachstuhl. Interventionen der letzten Jahrzehnte wie die im unteren Bereich eingebrochenen Fenster wurden ebenso beibehalten wie die Altersspuren an den knapp 200 Jahre alten Holzbindern. Notwendige neue Eingriffe wie etwa die Zu- und Abluftpaneele mit Eichenholz wurden aber deutlich von den alten Dachstuhlkonstruktionen in Fichte abgesetzt. In den aus Brandschutzgründen notwendigen neuen Boden in Stahlbetonkonstruktion wurde eine Fußbodenheizung integriert. Zwei Ebenen nach oben gerichteter Strahler plus ein an filigranen Metallleisten abgehängtes Spot-System machen den mit klassischen Arne-Jacobsen-Stühlen in Dunkelblau ausgestatteten Raum zu einem gekonnt inszenierten architektonischen Highlight. Dank einer hochprofessionellen Akustikplanung durch das Münchner Büro Müller-BBM bietet er einen großartigen Rahmen nicht nur für alltägliches studentisches Arbeiten, sondern auch für Musikaufführungen.
Mit der Fertigstellung der Umbauten im Mitteltrakt sind, so Manfred Nehrer, rund zehn Prozent der von der Arbeitsgemeinschaft NMPB und Helmut Neumayer geplanten Interventionen realisiert. Der Kostenrahmen von 2006 wurde dabei eingehalten. Weiter geplant ist die Anfügung zweier Vorbauten im Westteil des TU-Komplexes, vor allem ein in die Erde eines bislang kaum genutzten Hofes an der Wiedner Hauptstraße gegrabenes neues Audimax mit amphitheaterartigem Open-Air-Bereich. Dafür soll im Sinne des neuen Erschließungs- und Durchwegungskonzepts ein neuer Zugang zum Areal von der Wiedner Hauptstraße entstehen. Mit der Schaffung neuer Raumreserven müsste die TU bei großen Veranstaltungen dann nicht mehr externe Räumlichkeiten für viel Geld anmieten. Umso mehr ist es zu bedauern, dass für die Realisierung der weiteren Bauabschnitte derzeit keine finanziellen Mittel zur Verfügung stehen.
Angemessenheit und Nachhaltigkeit auch in der formalen Instrumentierung nennt Manfred Nehrer immer wieder als zentrale Prämissen seiner Arbeit, gerade beim Bauen im Bestand. Neue Interventionen werden dabei konsequent zeitgenössisch instrumentiert. Dabei besitzt die Architektur von NMPB die Souveränität, sich im Bedarfsfall auch zurückzunehmen, ohne sich jedoch unsichtbar zu machen, und damit letztlich im Sinne des Baus selbst zu agieren.
Gerade Bauten des 19. Jahrhunderts können durch schlechte Belichtung und innere Verhüttelung regelrecht umgebracht werden. So ist das einst düstere, zugige und durch mehrere Treppenabsätze geteilte TU-Foyer jetzt ein heller Raum, der seiner Erschließungsfunktion hervorragend gerecht wird. Beginnend mit einem neuen, stufenlos zum Eingang ansteigenden Granitbelag am Karlsplatz, zeigt der ab 1816 errichtete unübersichtliche Baukomplex auf einmal eine gläserne Arterie, die einen Durchblick vom Ressel-Denkmal vor dem Haupteingang bis zur Paniglgasse erlaubt.
Neue ringförmige Erschließungssysteme ohne Sackgassen, bessere Orientierungsmöglichkeiten, räumliche Flexibilität, Öffnungen nach allen Seiten, Aufmachen einst verbauter Räume könnte man als die Leitmotive des Entwurfs bezeichnen, mit dem das Büro NMPB den 2005 ausgeschriebenen Wettbewerb gewann. So ist die Eingangshalle durch das Entfernen seitlicher Scheintüren auf einmal fünfschiffig und der erdgeschoßige Prechtlsaal ohne Umwege direkt vom Foyer aus zugänglich. Durch ein vom renommierten Studio Bartenbach geplantes neues Beleuchtungssystem, das das Licht von den Gewölbefeldern reflektiert, wurden Lichtführung und Helligkeit um ein Vielfaches verbessert, und der Energieverbrauch wurde gleichzeitig auf die Hälfte gesenkt.
Rechterhand macht ein prismatisch geknickter Info-Counter aus eloxiertem rotem Aluminium klar, dass Gegenwart und Zukunft im Haus wohnen – wo genau, darüber informieren Airport-Atmosphäre suggerierende Großbildschirme über den Durchgängen. Ob die vom Wander-Bertoni-Schüler Walter Kölbl konzipierten schicken Aluminiumpaneele, auf die künftig Botschaften nur mehr projiziert werden sollen, das studentische Kommunikationsmedium Schwarzes Brett zu ersetzen vermögen, darf bezweifelt werden. Jedenfalls wird das mit neuen Sandsteinplatten ausgelegte Foyer schon jetzt so gerne als Aufenthaltsort genutzt, dass provisorische Sitzflächen in Tomatenrot zwischen die Pfeiler gespannt wurden, um kurzfristige Kommunikations- und Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen.
Aus der Spindel des biedermeierlichen Stiegenhauses wurde der Aufzug entfernt, Pfeiler und Wände sandgestrahlt. Wiedererstanden ist ein spektakulär schöner Treppenraum. Seine Alternative ist ein neuer gläserner Fahrstuhlturm, der mit denkmalpflegerisch korrektem Abstand zum Altbau in den Hof gesetzt wurde. Oben ist durch Entfernen nachträglich eingezogener Zwischenwände ein großes lichtdurchflutetes Foyer vor dem Festsaal entstanden.
Die eigentliche Sensation wartet unter dem Dach des Mitteltraktes. Dort entdeckte man hinter den Gipskartonplatten und abgehängten Decken des maroden und zuletzt feuerpolizeilich gesperrten Aktzeichensaals den „Schiffsdachboden“ der ersten Bauphase von 1816. Speziell ist das hier angewandte System der aus drei Brettern zusammengenagelten Bogenbinder nach dem System des französischen Renaissance-Architekten Philibert Delorme, das seinerzeit eine stützenfreie Eindeckung des 20 mal 24 Meter großen Raumes ermöglichte. Vor 100 Jahren wurde der gesamte Dachstuhl im Zuge der Aufstockung des Gebäudes mit beim Bau des Suezkanals verwendeten Hebemaschinen um ein Geschoß angehoben.
Dass das Bundesdenkmalamt nach dem Nachweis der notwendigen Brandsicherheit eine außen liegende Isolierung des Daches erlaubte, erhöhte die neu eingedeckte Kuppel um unmerkliche 18 Zentimeter, vor allem aber ermöglichte es unter Mitarbeit des Statikers Robert Krapfenbauer die Entstehung eines spektakulären zwölf Meter hohen Saals mit offenem, unverkleidetem Dachstuhl. Interventionen der letzten Jahrzehnte wie die im unteren Bereich eingebrochenen Fenster wurden ebenso beibehalten wie die Altersspuren an den knapp 200 Jahre alten Holzbindern. Notwendige neue Eingriffe wie etwa die Zu- und Abluftpaneele mit Eichenholz wurden aber deutlich von den alten Dachstuhlkonstruktionen in Fichte abgesetzt. In den aus Brandschutzgründen notwendigen neuen Boden in Stahlbetonkonstruktion wurde eine Fußbodenheizung integriert. Zwei Ebenen nach oben gerichteter Strahler plus ein an filigranen Metallleisten abgehängtes Spot-System machen den mit klassischen Arne-Jacobsen-Stühlen in Dunkelblau ausgestatteten Raum zu einem gekonnt inszenierten architektonischen Highlight. Dank einer hochprofessionellen Akustikplanung durch das Münchner Büro Müller-BBM bietet er einen großartigen Rahmen nicht nur für alltägliches studentisches Arbeiten, sondern auch für Musikaufführungen.
Mit der Fertigstellung der Umbauten im Mitteltrakt sind, so Manfred Nehrer, rund zehn Prozent der von der Arbeitsgemeinschaft NMPB und Helmut Neumayer geplanten Interventionen realisiert. Der Kostenrahmen von 2006 wurde dabei eingehalten. Weiter geplant ist die Anfügung zweier Vorbauten im Westteil des TU-Komplexes, vor allem ein in die Erde eines bislang kaum genutzten Hofes an der Wiedner Hauptstraße gegrabenes neues Audimax mit amphitheaterartigem Open-Air-Bereich. Dafür soll im Sinne des neuen Erschließungs- und Durchwegungskonzepts ein neuer Zugang zum Areal von der Wiedner Hauptstraße entstehen. Mit der Schaffung neuer Raumreserven müsste die TU bei großen Veranstaltungen dann nicht mehr externe Räumlichkeiten für viel Geld anmieten. Umso mehr ist es zu bedauern, dass für die Realisierung der weiteren Bauabschnitte derzeit keine finanziellen Mittel zur Verfügung stehen.
Angemessenheit und Nachhaltigkeit auch in der formalen Instrumentierung nennt Manfred Nehrer immer wieder als zentrale Prämissen seiner Arbeit, gerade beim Bauen im Bestand. Neue Interventionen werden dabei konsequent zeitgenössisch instrumentiert. Dabei besitzt die Architektur von NMPB die Souveränität, sich im Bedarfsfall auch zurückzunehmen, ohne sich jedoch unsichtbar zu machen, und damit letztlich im Sinne des Baus selbst zu agieren.
Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum
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