Bauwerk

Burj Khalifa Dubai
Skidmore, Owings & Merrill - Dubai - 2009
Burj Khalifa Dubai, Foto: Hans Ege
Burj Khalifa Dubai, Foto: Hans Ege
Burj Khalifa Dubai, Foto: Hans Ege
Burj Khalifa Dubai, Foto: Hans Ege

Operation Wüstenturm

828 Meter hoch und seit Montagabend feierlich umjubelt. Doch welche technische und logistische Anstrengung steckt in einem Bauprojekt wie dem Burj Khalifa? Ein Blick hinter die glitzernden Fassaden.

9. Januar 2010 - Wojciech Czaja
Noch vor wenigen Tagen glich der Burj Dubai einem emsigen Ameisenstaat. Tausende von Bauarbeitern aus Indien, Bangladesh und Pakistan schlichen gelb behelmt durch die höchste Mammutbaustelle aller Zeiten, stemmten Fassadenpaneele, Marmorplatten, Innenraumdekor. Vergangenen Montagabend wurde der 828 Meter hohe Turm mit einem, was sonst, bombastischen Feuerwerk feierlich eröffnet - und umbenannt.

Aus Dank, dass Scheich Khalifa bin Said-al Nahjan, Herrscher von Abu Dhabi und Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate, erst kürzlich in die Bresche sprang und den verschuldeten Staatsfirmen von Dubai zehn Milliarden Dollar aufs Konto überwies, heißt das neue Wahrzeichen der arabischen Wüstenmetropole nun Burj Khalifa. Laser-Show an. Und Applaus.

Zehn Jahre penibler Planung und sechs Jahre kaum zu bewältigender Baulogistik verschwinden für immer hinter Glitzerfassaden aus Edelstahl und Glas. „Dieses Projekt ist so komplex, dass wir vermutlich eine ganze Woche hier sitzen und darüber sprechen könnten“, sagt Eric Tomich, Associate Director im Chicagoer Büro Skidmore, Owings & Merrill LLP (SOM), „aber ich darf und werde Ihnen nur einen Bruchteil verraten.“

Zückt Notizblock und Fineliner, grinst schelmisch in die Runde: „Natürlich war ich schon oft oben, und ja, ich habe bisher immer den Lift benützt. Glauben Sie denjenigen, die den Weg schon zu Fuß gegangen sind. 11.300 Stufen sind kein Spaß!“

Mit der Statik eines Stativs

Tatsächlich war die enorme Bauhöhe an diesem 3,07 Milliarden Euro teuren Projekt die größte aller Herausforderungen. Das beginnt bei der Statik. Um die Wind- und Torsionskräfte, die auf das Gebäude in schwindelerregender Höhe einwirken, bewältigen zu können, wurde der Grundriss in Form eines überdimensionalen Mercedes-Sterns ausgeführt. Damit steht das Gebäude trotz seiner schlanken Statur so breitbeinig im Wüstensand wie das Stativ eines Fotografen.

Und dann das Fundament. „Mit Druckkräften allein wären wir hier nicht weit gekommen“, erklärt Tomich. „Das Gewicht des Turms wird daher in erster Linie über die Mantelflächen der Betonpfähle abgeleitet, also über die physikalische Reibung an den Seiten. Nur ein kleiner Teil der Druckkräfte kommt unten in der Fundamentsohle an.“ Rund 200 große und weitere 650 kleinere Betonpfähle mit Durchmessern zwischen 90 und 150 Zentimetern wurden in den Untergrund gerammt. Damit liegt die tiefste Stelle des Turms gute 70 Meter unter dem Meeresspiegel.

Auch der Rest des Gebäudes ist - nahezu ausschließlich - in Beton ausgeführt. „Die Wahl des Materials hat eigentlich drei unterschiedliche Gründe“, so Tomich. „Einerseits war es nötig, das Gebäude aufgrund der Windkräfte und der damit verbundenen Verformungen so schwer wie möglich auszuführen, andererseits hat dieses Gewicht wiederum dazu geführt, dass wir mit einem reinen Skelettbau nicht das Auslangen gefunden hätten.“

Der dritte Grund hat mit den Schwankbewegungen des Bauwerks zu tun. Immerhin betragen diese in den letzten Stockwerken bis zu 1,50 Meter in jede Himmelsrichtung. Während in einigen Mega-Skyscrapern wie etwa im 101 Tower in Taipeh, mit 508 Metern Bauhöhe der bisherige Rekordhalter unter den phallischen Häusern dieser Welt, ein freihängendes Gewicht in der Turmspitze für die nötige Balance sorgt, kommt der Burj Khalifa ohne jegliches Gegengewicht aus.

Das spart wertvolle Fläche und sorgt dafür, dass der höchste, je von Menschenhand geschaffene Platz unter Allahs Himmel nicht von einer gigantischen Stahlkugel, sondern von Mohammed Ali Alabbar, Konzernchef des Bauträgers Emaar Properties, höchstpersönlich eingenommen wird. Zwischen dem 158. und 162. Stockwerk stehen ihm Büroräumlichkeiten und eine private Moschee zur Verfügung.

Wesentlicher Nachteil der massiven Betonkonstruktion: Flexibilität ist ein Fremdwort. Einmal erstarrt, sind die bis zu 60 Zentimeter dicken Wände einzementiert in alle Ewigkeit. „Sämtliche Türöffnungen, die statisch möglich waren, wurden von unserer Seite bereits vorgenommen“, sagt Tomich. „Jeder nachträgliche Wanddurchbruch würde sich auf die Festigkeit des Turms negativ auswirken.“

Rund 330.000 Kubikmeter Beton sind in den Rohbau des Burj Khalifa geflossen. Mit einem Druck von 190 bar wurde der zähflüssige Baustoff (Festigkeitsklasse C80) in 20 Zentimeter dicken Stahlrohren in die Höhe gepumpt. „Das dauert seine Zeit“, erzählt der Chefarchitekt gelassen. „Damit der Beton auf seiner rund 45 Minuten langen Reise nach oben nicht erstarrt, mussten wir ihm sogenannte Super-Plastilizer beimengen.“ Betoniert wurde übrigens nur nachts. Wegen der enormen Tagestemperaturen wäre der frische Beton sonst zu rasch ausgehärtet und hätte Risse bekommen.

Doch irgendwann versagt selbst die kräftigste Pumpe. Wegen des hohen Eigengewichts des nassen Materials ist nach 600 Metern endgültig Schluss. Die Lösung des Problems: Zwischen Höhenmarke 600 und 750 kamen Betonfertigteile zum Einsatz. Die letzten Stockwerke in der Turmspitze wurden aus Stahlteilen zusammengesetzt. Darüber prangt nur noch der Antennenmast.

Die Kritik am arabischen Monsterprojekt ist groß. Die lautesten Schreie betreffen die Energie. Nicht zu Unrecht, denn der Burj Khalifa, der sogar mit einem eigenen Umspannwerk ausgestattet ist, verbraucht zu Spitzenzeiten rund 36 Megavoltampere. Das entspricht dem Energiebedarf einer Kleinstadt.

Einen Großteil davon frisst zwar die Kühlung, doch wohin überall Energie fließe, meint Eric Tomich, könne man sich als normal sterblicher Mensch kaum vorstellen. Und holt zum letzten Mal zu einer kleinen Anekdote aus: „Der wahre Hund sind die Aufzüge, und ich meine damit nicht das Auf- und Abfahren der Liftkabinen, sondern die Kaminwirkung der Schächte. Bei einem Hochhaus, das mitten in der Wüste steht, ist dieser Effekt nicht unproblematisch. Denn im Gegensatz zu einem Gebäude im gemäßigten Klima ist die Kaminwirkung hier genau auf den Kopf gestellt. Heiße Luft dringt durch undichte Bauteile in die Gebäudespitze ein, kühlt sich im Innenraum ab und fällt durch den Liftschacht rapide nach unten. Wir bezeichnen das als den Hot Climate Stack Effect.“

Überdruck im Liftschacht

Beim Burj Khalifa mit seiner Gebäudehöhe von 828 Metern ist dieses physikalische Phänomen größer als in jedem anderen Hochhaus dieser Welt. Haustechniker hatten errechnet, dass die Lifttüren in den untersten Geschoßen dem enormen Luftdruck nicht mehr standhalten würden. Die Folge wären verzogene und verdrückte Öffnungselemente sowie ein kreischend pfeifender Tornado in der Lobby. „Nein, das ist keine Übertreibung“, sagt Tomich, „stellen Sie sich einfach mal einen fast einen Kilometer hohen Kamin vor!“ Um diesem Überdruck entgegenzuwirken, muss die heiße und beschleunigte Luft nun rund um die Uhr abgesaugt werden. Und das in 60 Liftschächten gleichzeitig.

Man kann sich ausrechnen, welche Auswirkungen dieser Hot Climate Stack Effekt im Brandfall haben könnte, sollten Elektrizität und Entlüftung dadurch versagen. „Glauben Sie mir, der Brandschutz des Burj Khalifa ist der strengste im ganzen Emirat“, beruhigt Eric Tomich. „Sprinkleranlage, Software und Evakuierungsplan mit eigenen Brandschutzräumen sind auf dem Stand von übermorgen. Sollte in diesem Gebäude jemals ein Feuer ausbrechen, so wird es nicht weit kommen.“ Und falls doch? „Wird es nicht.“

Bis ins Erdgeschoß sind's 11.300 Stufen. In großen Lettern steht in der Lobby ein Zitat von Auftraggeber Scheich Mohammed bin Rashid al-Maktoum an die Wand geschrieben: „Das Wort ,unmöglich' gibt es im Wörterbuch der Führer nicht.“

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