Bauwerk

Gymnase Intercantonale de la Broye
Boegli Kramp - Payerne (CH) - 2005

Verwachsen mit der Landschaft

Ein Schulhausneubau von Matthias Boegli und Adrian Kramp in Payerne

3. Februar 2006 - Olivier Aebischer
Wer auf der A 1 in Richtung Lausanne fährt, nimmt neuerdings bei Payerne ein imposantes Gebäude wahr: einen trutzigen Monolith, dessen erdiges Beigebraun von gestocktem Beton herrührt. Bei dem das umliegende Territorium dominierenden Bau handelt es sich um ein Schulhaus, genauer um das erste interkantonale Gymnasium der Schweiz. Es gehört den Kantonen Waadt und Freiburg, die in der Region Broye aneinander grenzen. In zwei Jahren Bauzeit konnten die Freiburger Architekten Matthias Boegli und Adrian Kramp, 33 bzw. 34 Jahre alt, ihr siegreiches Wettbewerbsprojekt realisieren. Im vergangenen Herbst hat nun das Gymnase Intercantonale de la Broye den Betrieb aufgenommen. Bei der Vollauslastung in drei Jahren wird es rund 800 Gymnasiasten und 200 Lehrpersonen aufnehmen.

Der Grundriss der neuen Schule verkeilt sich wie ein zackiges Fragezeichen mit der Parzelle, auf der vor nicht allzu langer Zeit noch Zuckerrüben und Mais ins Kraut schossen. Der einstige Bauernhof mit dem angebauten Ökonomieteil wurde vollständig zerlegt und als Hauswartswohnung sowie «Kulturscheune» wieder aufgebaut. Am Bauernhaus und an der nun pechschwarzen Tenne kommt vorbei, wer vom Bahnhof zum Neubau hinaufsteigt, so wie dies auch für einen Grossteil der Schüler üblich ist. Nach dem Spaziergang durch eine Allee betritt man den Schulhof, der nach dem Entwurf der Freiburger Künstlerin Isabelle Krieg als stilisierter Zen- Garten angelegt wurde. Krieg interpretierte die Gebäudeflügel als Felswände einer Schlucht, auf deren Grund mit grünlicher Markierungsfarbe die Bewegung eines mäandernden Flusses eingeschrieben wurde. Schwungvoll fliessen unzählige wie mit dem Rechen gezogene Linien um Grashügel und Ginkgobäume. In diesem stimmungsvollen Kontext erscheinen die verchromten Hightech-Mülleimer, die wie überdimensionierte Lippenstifte aus dem Boden wachsen, etwas gar prosaisch.

Im Hof wirkt vor allem die asketische Strenge des Gebäudes. Nach Westen hin weitet sich der Blick dank einer räumlichen Aussparung über die Stadt Payerne und die Ebene der Broye hinweg bis zum Jura und bildet eine Art poetisches Tableau. In der Abendsonne erstrahlt dieses «Fenster auf die Landschaft» in goldenem Licht. Der Ostflügel bietet Zugang zur Turnhalle und zum Fitnessraum, aber auch zu den Büros der Administration und zur Kantine. In den beiden Obergeschossen des Ost- und des Westflügels befinden sich die 40 Schulzimmer, die dank dem Verbindungstrakt im Süden wie Perlen zu einem Collier aufgereiht sind. Ihre Ausstattung vom Eichenboden bis zum Beamer ist edel. Erreicht werden die Schulzimmer über 280 Meter lange und bis 4,5 Meter breite Gänge aus Asphaltterrazzo. Diese Gänge werden durch Aufenthaltszonen rhythmisiert, in denen Kunststoffsessel im Sechziger-Jahre-Design um wolkenförmige Tische herum zum Pausemachen einladen.

Schön gemacht sind die massiven Brüstungen der Treppenhäuser mit den im Beton eingelassenen Holzhandläufen. Da weder das Lehrer- noch das Direktorenzimmer über Fenster zum Hof verfügen, ist Überwachung hier kein Thema. Neben der funktional und ästhetisch überzeugenden Lösung der Aufgabe unterschritten Boegli & Kramp mit ihrem Projekt das Budget von 70 Millionen Franken deutlich. Gleichwohl macht sich dieser Neubau gut in der Reihe ambitionierter Schulhäuser im Kanton Waadt, zu denen unter anderem auch das Centre Marcelin bei Morges von Geninasca Delefortrie oder der Ausbau der sozialpädagogischen Schule in Lausanne durch Bonnard & Woeffray zählen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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