Bauwerk

„Tre ibGU_t“
Andreas Hoerl - Wien (A) - 2010
„Tre ibGU_t“ © Andreas Hoerl

Auszeichnung Outstanding Artist Award 2010

11. November 2010 - newroom
„Tre ibGU_t“ ist ein präzises, sehr knapp gehaltenes Narrativ. Es ist die Erzählung eines Projekts und zugleich die Erzählung, wie ein Projekt gemacht werden kann. Es erklärt in Grafiken und Texten wie Architekturen nicht erfunden oder entworfen, sondern generiert werden, wie Konzepte von globaler Identitätslosigkeit und Genius Loci gleichermaßen objektiviert werden und wie die Polarität von Bewohner und Gehäuse neu bewertet werden kann.

„Tre ibGU_t“ ist architektonisches Projekt und theoretische Schrift zugleich, es knüpft weitgehend an die bestehenden und bekannten Theorien der Morphogenese und Formgenerierung an, praktiziert diese und versucht sie weiterzudenken. „Tre ibGU_t“ ist eine Forschungsarbeit zu Architektur und zu Produktionsweisen von Architektur. Und exakt hier wird „Tre ibGU_t“ sehr interessant. Design, Entwurf und kreative Prozesse werden zur Seite gerückt, das wissenschaftliche Experiment, also die methodisch angelegte Versuchsanordnung, wird als Arbeitsformat der Architektur proklamiert.

Aktionsfeld ist die sehr flach fließende Themse, die auf ca. 105 Höhenmetern von der Quelle bis zur Mündung an der Nordsee nicht nur nach vorne, sondern, übertönt von Ebbe und Flut, auf ihren letzen 100 Kilometern auch immer wieder nach hinten -- also rückwärts – fließen muss. Und Treibgut, das ist „rasterförmig angeordnete Gelenksrahmen, welche in den Knotenpunkten miteinander verschnürt sind und von einem vorfahrenden Antriebsgerät in Position gehalten oder gezogen werden können“.

Das Treibgut um das es letzten Endes geht wird dabei in iterativen Verfahren so konfiguriert, dass im Laufe des Simulationsprozesses „umfassend brauchbares“ konstruktives, räumliches und materielles Verhalten beobachtet und selektiert werden kann. Sowohl Treibgut als auch Themse werden in der digitalen Versuchsanordnung zu mathematisch-geometrischen Datensätzen und ihre in der physischen Welt existierende Dualität verschmilzt in der digitalen Simulation zu einem Bündel von „formgenerierenden Faktoren“: hier die „intensiven Qualitäten“ (d.h.: Eigenschaften des Treibguts) wie Dehnungskoeffizient und Linearität der Rahmen, da die Strömungskoeffizienten der Themse, beides formgenerierende Faktoren.

Die um 1976 von Cristian Norberg-Schulz geführte Diskussion des Phänomen Ort ebenso wie die von OMA geführte Gegenthese der Identitätslosigkeit des Orts kann nun unter anderen Blickwinkeln gesehen werden, gewinnt neue Facetten und eine neue Qualität. In der digitalen Versuchsanordnung werden beide als „Eingangswerte“, als Zahlen oder Geometrie geschrieben, beide können nahtlos aneinander, ineinander und gegeneinander geschrieben werden. Und weiter, die Rolle des Bewohners, Nutzers oder Users, (wie auch die Diskussion um Anthropozentrik und deren Aufhebung) fällt in der digitalen Versuchsanordnung genauso unter „formgenerierende Faktoren“ und verschmilzt mit den Datensätzen von Ort und Objekt. Metaphysik und Differenz von Ort, Objekt und Bewohner gehen in der digitalen Versuchsanordnung ineinander über, sie alle schreiben sich als formgenerierende Kräfte in die spezifische Figuration des Treibguts ein.

„…ein verflucht schönes Ding….“, erinnere ich mich in der Jurydiskussion gehört zu haben. Ja, so ist es, trotzdem wünschen wir uns alle, dass „Tre ibGU_t“ weiter über die Grundlagen hinaus getragen wird, mehr von „Tre ibGU_t“ zu sehen. Z.B.: große, physikalische Modelle, die den Prozess der Formgenerierung greif- und fassbar machen und das Materialisieren eines digitalen Prozesses als produktive Herausforderung erfahren lassen. (Jurytext: Outstanding Artist Award 2010)

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