Bauwerk

Passivwohnhaus Mexiko
pichler.architekt[en] - Wien (A) - 2009
Passivwohnhaus Mexiko, Foto: pichler.architekt[en]
Passivwohnhaus Mexiko, Foto: pichler.architekt[en]
21. Januar 2011 - Az W
Von der alten Donau gegenüber dem Gänsehäufel führt ein schmaler Weg in die Gartensiedlung Mexico. Ganz hinten rahmt das orange Band eines Metallzaunes ein Eckgrundstück. Im Schwerpunkt sitzt wie mit dem Messer geschnitten ein schwarzer Kubus. Dem engen Korsett der Bebauungsbestimmungen verdankt er sein extrem langes und zugleich schmales Volumen [16,35x 4,20x 5,50 m]. Wie ein Taucheranzug umhüllt die schwarze Kautschukfolie Dach und Wände des hochgedämmten Baukörpers. Regen und Schnee rinnen in Streifen über die Fassadenflächen und malen eine eigene Patina. Die Fensterbänder sind sorgfältig nach Ausblicken gesetzt und dienen im Winter der Gewinnung von Sonnenwärme. Sanft streichelt die Hand über die dunkle Folie. Hinter der Tür sind die Wände hell und warm.

Konstruktiv ist das Haus ein in Elementen vorfabrizierter Holzmassivbau mit werkseitigen Sichtoberflächen. Durch das kreuzweise, vollflächige Verleimen der Holzbretter ist die Dampfbremse im Produkt integriert. Der Wand- und Deckenaufbau ist extrem vereinfacht und besteht nur aus Folie, Steinwolldämmung und Massivholz. Alle Materialien des Hauses sind mechanisch befestigt, umweltverträglich und vollständig wieder verwertbar.
Die Baufrau legte zudem großen Wert auf Naturbelassenheit und Materialechtheit. Beim Schritt in das noch nie Gesehene flimmern die Erinnerungen. Unabhängigkeit und Freiheit, der Geruch des Holzes, die wohlige Wärme des Kaminzimmers, Ausblicke in die Landschaft. Der Raumplan ist offen organisiert. Die Zuordnung der Nutzungen ist weitgehend frei. Die Wohnräume sind auf zwei Etagen untergebracht. Die räumliche Erschließung erfolgt über die Längsseiten. Ein Luftraum als Abendlichtfänger verbindet beide Geschosse. Eine Kaskadentreppe führt nach oben in den hellsten Raum. Der dreiseitige Bügel zur Verschattung fasst einen kleinen Außenraum.

Um die Anforderungen eines ökologischen und nachhaltigen Gebäudes zu erfüllen, wurde das Wohnhaus nach dem derzeit gültigen österreichischen Passivhausstandard errichtet. Dies wurde durch Dreifachverglasung, hervorragende Wärmedämmung, eine luftdichte Hülle und eine Lüftungsanlage erreicht, die Wärmeverluste durch unsachgemäßes Lüften minimiert. Das Belüftungssystem ist an eine Grundwasserpumpe gekoppelt, welche die ganzjährig konstante Temperatur des Grundwassers im Winter zur Heizung des Fußbodenkollektors und zur Bereitung des Warmwassers und im Sommer zur Kühlung nutzt. Über große, südseitige Verglasungen nehmen die Massivholzelemente und der Keramikfußboden in der Übergangszeit im Laufe des Tages Wärmeenergie auf, die sie dann abends und nachts wieder langsam an den Innenraum abgeben. Im Sommer verhindern die schwarze Folie und die Speicherfähigkeit der Außenwände zudem eine Überhitzung der Innenräume, die bei konventionellen Holzrahmenkonstruktionen häufig ein Problem darstellt. (Günter Pichler)

„Im Jahre 1978 änderte sich mein Freizeitverhalten fundamental. An der alten Donau zwängte ich mich zum ersten Mal in einen gebrauchten Taucheranzug, fror elendig bei 5 Grad plus und bestieg jenes neuartige Wasserfahrzeug, welches mich fortan immer begleiten würde. Ich hatte eine neue Sportart erlernt. Das Windsurfen war aber viel mehr als ein Sport, Windsurfen war ein Lebensgefühl. Werte wie Unabhängigkeit und Freiheit konnten hier ausgelebt werden, für die in den traditionellen Sportvereinen wenig Platz war. 3 Jahrzehnte vergingen und mein erstes Surfboard, der alte Taucheranzug und das Rigg lagen irgendwo verstaut in einer Gartenhütte an der unteren alten Donau. Zufällig entdeckte ich ein Inserat mit dem Verkauf eines Grundstückes am Wasser. Alte Erinnerungen keimten auf, ich griff zum Telefon und vereinbarte einen Besichtigungstermin. Der Treffpunkt war mir vertraut, hier hatte ich mit dem Surfen begonnen. In der Hütte am Grundstück fand ich meinen alten Taucheranzug. Sofort entschied ich, mich hier niederzulassen und ein Haus zu bauen. Es musste ein räumlich offenes und freies Konzept haben und im Winter Wärme ausstrahlen. Wenn ich durch die großen Verglasungen in die Landschaft blicke, fühle ich die Freiheit von damals.“ (Rita Haller)

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at