Bauwerk
Million Donkey Hotel
feld72 - Prata Sannita (I) - 2008
Can you build a hotel in 24 days?
14. Juni 2016 - newroom
2005 – 73 % der Bevölkerung Europas lebt in Städten, Tendenz steigend. Diese Zahl bedeutet nicht nur stetiges Wachstum der (Zwischen-)Städte, sondern vor allem auch eine Auflösung der uns bekannten Kultur- und Naturlandschaften. In einer Komplexität, die uns möglicherweise nicht bewusst ist. Die Zukunft dieser vom Aussterben bedrohten Zonen ist auch die Zukunft Europas. Die Migration und ihre Konsequenzen ist auch das Thema von „The Million Donkey Hotel“, einem Projekt von feld72 im Rahmen des „Villaggio dell´Arte“ von „paesesaggio workgroup“. Eine Gruppe von internationalen und nationalen Künstlern wurde im August 2005 eingeladen, im Regionalpark des Matese bei Neapel durch partizipative Kunstprojekte mit der ansässigen Bevölkerung die Fragen von Identität, Territorium, Sozialraum und Landschaft zu thematisieren. Bedingung war einen Monat vor Ort zu leben und all die verwendeten Materialien aus den Dörfern vor Ort zu beziehen, um die Mikroökonomie der Gegend zu stimulieren.
Prata Sannita ist ein zweigeteiltes Dorf, bestehend aus einem mittelalterlichen „borgo“, dem sogenannten Prata Inferiore, welches sich von einem Schloss kaskadenartig entlang eines Hügel herab entwickelt, und einem neueren Teil, dem Prata Superiore, das seine Struktur vor allem dem Siegeszug des Automobils und anderen Verheißungen der Moderne verdankt. Prata Inferiore wurde im Laufe des letzten Jahrhunderts durch die von Armut hervorgerufenen Migrationsbewegungen stark in Mitleidenschaft gezogen und ist nunmehr nur noch eine von einer kleinen Minderheit von vor allem älteren Personen bewohnter Teil des Dorfes mit einer sehr großen Anzahl an leer stehenden, teilweise bereits ruinenartigen Gebäuden. Wie gelingt eine neue Verknüpfung dieser beiden so klar voneinander getrennten Bereiche des Dorfes? Wie und für wen können die Qualitäten der beinahe skulpturalen Raumlandschaft wieder erfahrbar gemacht werden? Wie kann ein „frei von…“ zu einem „frei zu…“ führen? Wie können Räume, die für Verlust stehen, zu einem selbstbewussten Teil eines neuen Prata Sannita werden?
The Million Donkey Hotel
Prata Sannita wird in seiner Gesamtheit als großes, verstreutes Hotel gesehen, welches noch Zimmer frei hat: die nunmehr verlassenen Räume. Diese werden nicht nur als Erinnerungsträger, sondern in ihrer Verwahrlosung auch als Potential für die Zukunft gesehen: „Alles scheint möglich!“ Sie werden zu Zellen eines größeren Ganzen und das gesamte Gebiet von Prata Sannita somit als einziger Aktionsraum wahrgenommen. Durch die erste Adaptierung von 3 Raumeinheiten (und einem besonderen „Badezimmer“) zum vom Alltag entrückten „Hotelzimmern“ wurde ein erster Impuls gegeben, die Räume wieder benutzbar zu machen – diesmal jedoch für den nicht von der Sorge nach einer besseren Zukunft getriebenen Nomaden: dem Reisenden.
Die Zimmer wurden entfremdet und bekamen spezifische Themen und Atmosphären, die Migration und Erinnerung zum Inhalt haben. Durch den Eingriff sollten auch die Bewohner angeregt werden, in einem zweiten Schritt die übrigen verlassenen Räume als weitere Bausteine dieses hyperrealen Hotels zu verstehen und dementsprechend zu re-aktivieren. Durch das Wieder-Aufspüren all dieser vergessenen Räume und Zwischenräume wurde das alte Zentrum auch wieder für die Jugend als alltäglicher Erfahrungsraum bewusst gemacht. Gleichzeitig wurde durch die Intervention auch der öffentliche Raum von Prata Sannita erweitert, da die „Hotelzimmer“ in der touristischen Off-Zeit auch einen alltäglichen Gebrauch seitens der Bewohner erlauben. Die Räume sollen nicht nur betrachtet, sondern gleichzeitig auch benutzt werden können.
Durch den beeindruckenden Einsatz der involvierten bis zu 40 Freiwilligen des Dorfes (hochgerechnete 4300 Stunden an Einsatz nur allein von deren Seite) konnte das Million Donkey Hotel trotz sehr engen Zeitrahmens (1 Monat mit Entwurf praktisch vor Ort), niedrigem Budget (10.000 € ) und nur mit dem Einsatz einfachster Mittel umgesetzt werden. Aufgrund des großen Erfolges wurde feld72 im darauf folgenden Jahr wiederum eingeladen, das Million Donkey Hotel strukturell und inhaltlich weiterzubauen. Die Arbeiten im Jahre 2006 bezogen sich vor allem auf den öffentlichen Raum (z.B. wurde ein in unmittelbarer Nähe der bisherigen Hotelzimmer liegendes Haus zum sprichwörtlichen Treppenhaus, also zu einem Amphitheater, umgebaut) als auch auf den Aufbau eines Vereines. Aus einem Eingriff vor Ort wurde somit eine strukturelle Maßnahme.
Das Million Donkey Hotel wird nun von einer kleiner Gruppe dieser am Errichten beteiligten „local heroes“ selbst verwaltet und freut sich auf einen Besuch vor Ort oder auf der Website. (Text: Architekt:innen)
Prata Sannita ist ein zweigeteiltes Dorf, bestehend aus einem mittelalterlichen „borgo“, dem sogenannten Prata Inferiore, welches sich von einem Schloss kaskadenartig entlang eines Hügel herab entwickelt, und einem neueren Teil, dem Prata Superiore, das seine Struktur vor allem dem Siegeszug des Automobils und anderen Verheißungen der Moderne verdankt. Prata Inferiore wurde im Laufe des letzten Jahrhunderts durch die von Armut hervorgerufenen Migrationsbewegungen stark in Mitleidenschaft gezogen und ist nunmehr nur noch eine von einer kleinen Minderheit von vor allem älteren Personen bewohnter Teil des Dorfes mit einer sehr großen Anzahl an leer stehenden, teilweise bereits ruinenartigen Gebäuden. Wie gelingt eine neue Verknüpfung dieser beiden so klar voneinander getrennten Bereiche des Dorfes? Wie und für wen können die Qualitäten der beinahe skulpturalen Raumlandschaft wieder erfahrbar gemacht werden? Wie kann ein „frei von…“ zu einem „frei zu…“ führen? Wie können Räume, die für Verlust stehen, zu einem selbstbewussten Teil eines neuen Prata Sannita werden?
The Million Donkey Hotel
Prata Sannita wird in seiner Gesamtheit als großes, verstreutes Hotel gesehen, welches noch Zimmer frei hat: die nunmehr verlassenen Räume. Diese werden nicht nur als Erinnerungsträger, sondern in ihrer Verwahrlosung auch als Potential für die Zukunft gesehen: „Alles scheint möglich!“ Sie werden zu Zellen eines größeren Ganzen und das gesamte Gebiet von Prata Sannita somit als einziger Aktionsraum wahrgenommen. Durch die erste Adaptierung von 3 Raumeinheiten (und einem besonderen „Badezimmer“) zum vom Alltag entrückten „Hotelzimmern“ wurde ein erster Impuls gegeben, die Räume wieder benutzbar zu machen – diesmal jedoch für den nicht von der Sorge nach einer besseren Zukunft getriebenen Nomaden: dem Reisenden.
Die Zimmer wurden entfremdet und bekamen spezifische Themen und Atmosphären, die Migration und Erinnerung zum Inhalt haben. Durch den Eingriff sollten auch die Bewohner angeregt werden, in einem zweiten Schritt die übrigen verlassenen Räume als weitere Bausteine dieses hyperrealen Hotels zu verstehen und dementsprechend zu re-aktivieren. Durch das Wieder-Aufspüren all dieser vergessenen Räume und Zwischenräume wurde das alte Zentrum auch wieder für die Jugend als alltäglicher Erfahrungsraum bewusst gemacht. Gleichzeitig wurde durch die Intervention auch der öffentliche Raum von Prata Sannita erweitert, da die „Hotelzimmer“ in der touristischen Off-Zeit auch einen alltäglichen Gebrauch seitens der Bewohner erlauben. Die Räume sollen nicht nur betrachtet, sondern gleichzeitig auch benutzt werden können.
Durch den beeindruckenden Einsatz der involvierten bis zu 40 Freiwilligen des Dorfes (hochgerechnete 4300 Stunden an Einsatz nur allein von deren Seite) konnte das Million Donkey Hotel trotz sehr engen Zeitrahmens (1 Monat mit Entwurf praktisch vor Ort), niedrigem Budget (10.000 € ) und nur mit dem Einsatz einfachster Mittel umgesetzt werden. Aufgrund des großen Erfolges wurde feld72 im darauf folgenden Jahr wiederum eingeladen, das Million Donkey Hotel strukturell und inhaltlich weiterzubauen. Die Arbeiten im Jahre 2006 bezogen sich vor allem auf den öffentlichen Raum (z.B. wurde ein in unmittelbarer Nähe der bisherigen Hotelzimmer liegendes Haus zum sprichwörtlichen Treppenhaus, also zu einem Amphitheater, umgebaut) als auch auf den Aufbau eines Vereines. Aus einem Eingriff vor Ort wurde somit eine strukturelle Maßnahme.
Das Million Donkey Hotel wird nun von einer kleiner Gruppe dieser am Errichten beteiligten „local heroes“ selbst verwaltet und freut sich auf einen Besuch vor Ort oder auf der Website. (Text: Architekt:innen)
Für den Beitrag verantwortlich: newroom
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Fotografie