Bauwerk
Dauerausstellung „Konzentrationslager Gusen 1939-45, Spuren, Fragmente, Rekonstruktionen“
Bernhard Denkinger - Langenstein (A) - 2005
12. Februar 2013 - afo
Beim Bau des Besucherinformationszentrums Gusen stießen Bauarbeiter auf Fundamente der ehemaligen Krematoriumsbaracke, die freigelegt, archäologisch gesichert und schließlich als einsehbare große Bodenöffnung in das Gebäude integriert wurden. Dieser Fund bestimmte auch den Charakter des neuen Gebäudes: Die Mitte des nutzungsneutral geplanten Lern-, Begegnungs- und Informationsorts war nun durch ein archäologisches und zeithistorisches Dokument besetzt.
Die zentrale Positionierung und die Größe der Fundstelle im Verhältnis zum verbleibenden Restraum, fordern dazu auf, das Gebäude als zweiten Gedenkraum, neben dem unmittelbar benachbarten Memorial aus dem Jahre 1965, wahrzunehmen. Die Ausstellungsarchitektur versucht diese Entstehungsgeschichte aufzunehmen und auf das Spannungsfeld zwischen Grabungsfund, Neubau und Memorial zu reagieren.
Der Gestaltungseingriff folgt vier Leitgedanken:
Erstens den Grabungsfund an den Ort und die Entstehungszeit der KZ-Anlage rückzubinden und damit seine Wahrnehmung als archäologisches Objekt zu stärken:
Eine Luftaufnahme des KZ Gusen aus dem Jahr 1944, über dem Grabungsfeld abgehängt, führt in die Ausstellung ein, gleichzeitig dient sie als Raumteiler, der den Blick auf die im hinteren Teil des Rundgangs gezeigten Bilder zur Befreiung des Lagers ausblendet.
Zweitens das Gefundene mit dem Memorial in Verbindung zu setzen: Ausgehend von einem zweiten, über den Funden abgehängten Transparent, das die 1945 fotografisch dokumentierten Reste des Krematoriumsschornsteins wiedergibt, entsteht eine Sichtverbindung zur Umschließungsmauer des Memorials, eine „virtuelle Achse“, die auf die hinter der Mauer liegenden Krematoriumsöfen verweist.
Drittens einen Kontext zwischen der Ausstellung und der umgebenden Einfamilienhaus-Überbauung des ehemaligen KZ-Lagergeländes herzustellen: Baustellenfotos, die die Errichtung der KZ-Lagers zeigen, in die Fensterfläche geführt, überlagern den Blick nach außen. Vor dem Fenster ist ein von einem ehemaligen KZ-Häftling gebautes Modell des Lagers platziert.
Viertens durch Material und Konstruktionsweise der Ausstellungsarchitektur der memorialen Wahrnehmung des Ausstellungsorts eine technische, auf serielle
und industrielle Verfahren verweisende Sichtweise gegenüberzustellen: Der Neubau wird als moderne „Baracke“, Behälter und konstruktives Traggerüst interpretiert. Schienensysteme aus gekanteten Metallprofilen, die ihre Einlege- und Aufnahmeteile zeigen, modulartig mit Ausstellungselementen belegt, werden über die Wand und Glasfächen verlegt. Halbtransparente, „immaterielle“ Materialien von geringer haptischer Präsenz, wie die abgehängten textilen Bildträger, treten in Kontrast zur optischen und materiellen Schwere der Sichtbetonwände des Memorials.
Zur Präsentation und Wahrnehmung der Ausstellung:
Das Ausstellungsmaterial wird zwei Ebenen zugeordnet, einer vertikalen und einer horizontalen, die – im Raum nacheinander wahrgenommen – Erst- und Zweitblicke, ermöglichen. Damit soll den Besucher:innen ein niederschwelliger Einstieg in die Ausstellungsthematik angeboten werden, mit der Option fallweise einzelne Themen zu vertiefen. Die räumlich dominante, erste Ebene besteht aus vertikal platzierten, großformatigen fotografischen Darstellungen. Diese zeigen zu Beginn des Rundganges Bau- und Schauplätze und gehen dann in Bildstrecken über, die zwischen Ereignisgeschichte und personenbezogenen Einzeldarstellungen wechseln. Die zweite Ebene, die sich erst bei Annäherung an einen Themenbereich erschließt, bilden schriftliche Dokumente, Listen, Vermerke. Sie sind - den Leit- und Ausgangsbildern zugehörig – horizontal präsentiert.
(Text: Architekt)
Die zentrale Positionierung und die Größe der Fundstelle im Verhältnis zum verbleibenden Restraum, fordern dazu auf, das Gebäude als zweiten Gedenkraum, neben dem unmittelbar benachbarten Memorial aus dem Jahre 1965, wahrzunehmen. Die Ausstellungsarchitektur versucht diese Entstehungsgeschichte aufzunehmen und auf das Spannungsfeld zwischen Grabungsfund, Neubau und Memorial zu reagieren.
Der Gestaltungseingriff folgt vier Leitgedanken:
Erstens den Grabungsfund an den Ort und die Entstehungszeit der KZ-Anlage rückzubinden und damit seine Wahrnehmung als archäologisches Objekt zu stärken:
Eine Luftaufnahme des KZ Gusen aus dem Jahr 1944, über dem Grabungsfeld abgehängt, führt in die Ausstellung ein, gleichzeitig dient sie als Raumteiler, der den Blick auf die im hinteren Teil des Rundgangs gezeigten Bilder zur Befreiung des Lagers ausblendet.
Zweitens das Gefundene mit dem Memorial in Verbindung zu setzen: Ausgehend von einem zweiten, über den Funden abgehängten Transparent, das die 1945 fotografisch dokumentierten Reste des Krematoriumsschornsteins wiedergibt, entsteht eine Sichtverbindung zur Umschließungsmauer des Memorials, eine „virtuelle Achse“, die auf die hinter der Mauer liegenden Krematoriumsöfen verweist.
Drittens einen Kontext zwischen der Ausstellung und der umgebenden Einfamilienhaus-Überbauung des ehemaligen KZ-Lagergeländes herzustellen: Baustellenfotos, die die Errichtung der KZ-Lagers zeigen, in die Fensterfläche geführt, überlagern den Blick nach außen. Vor dem Fenster ist ein von einem ehemaligen KZ-Häftling gebautes Modell des Lagers platziert.
Viertens durch Material und Konstruktionsweise der Ausstellungsarchitektur der memorialen Wahrnehmung des Ausstellungsorts eine technische, auf serielle
und industrielle Verfahren verweisende Sichtweise gegenüberzustellen: Der Neubau wird als moderne „Baracke“, Behälter und konstruktives Traggerüst interpretiert. Schienensysteme aus gekanteten Metallprofilen, die ihre Einlege- und Aufnahmeteile zeigen, modulartig mit Ausstellungselementen belegt, werden über die Wand und Glasfächen verlegt. Halbtransparente, „immaterielle“ Materialien von geringer haptischer Präsenz, wie die abgehängten textilen Bildträger, treten in Kontrast zur optischen und materiellen Schwere der Sichtbetonwände des Memorials.
Zur Präsentation und Wahrnehmung der Ausstellung:
Das Ausstellungsmaterial wird zwei Ebenen zugeordnet, einer vertikalen und einer horizontalen, die – im Raum nacheinander wahrgenommen – Erst- und Zweitblicke, ermöglichen. Damit soll den Besucher:innen ein niederschwelliger Einstieg in die Ausstellungsthematik angeboten werden, mit der Option fallweise einzelne Themen zu vertiefen. Die räumlich dominante, erste Ebene besteht aus vertikal platzierten, großformatigen fotografischen Darstellungen. Diese zeigen zu Beginn des Rundganges Bau- und Schauplätze und gehen dann in Bildstrecken über, die zwischen Ereignisgeschichte und personenbezogenen Einzeldarstellungen wechseln. Die zweite Ebene, die sich erst bei Annäherung an einen Themenbereich erschließt, bilden schriftliche Dokumente, Listen, Vermerke. Sie sind - den Leit- und Ausgangsbildern zugehörig – horizontal präsentiert.
(Text: Architekt)
Für den Beitrag verantwortlich: afo architekturforum oberösterreich
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom@afo.at
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