Bauwerk

Sommerhaus Fellner
Schuberth und Schuberth - Wien (A) - 2011
Sommerhaus Fellner, Foto: Christoph Panzer
Sommerhaus Fellner, Foto: Christoph Panzer

Ein verkohlter Monolith am Rande des Wienerwaldes.

18. Juli 2014 - Az W
Ursprünglich wollte der Bauherr ein Sommerhaus aus den 20er Jahren kaufen. Als aus dem Vorhaben nichts wurde, entschloss sich der Bauherr statt dessen, auf einem Hanggrundstück in der Kleingartensiedlung Michaelawiese am Rande des Wienerwaldes ein neues Haus zu bauen. Der Neubau sollte ruhig ein wenig schräg daherkommen, konnte gebastelt und gewachsen erscheinen. Auf den Stempel der Hochglanzarchitektur verzichtete der freiberufliche Grafiker, der das Haus vor allem während der Sommermonate gemeinsam mit der Tochter bewohnt.

Entstanden ist ein reduzierter, schwarzer Kubus, der dem bunten Formengewitter der umgebenden Kleingartensiedlung entgegensteht. Ein Nebengebäude schirmt das Häuschen von der angrenzenden Straße ab, die von vielen Spaziergängern genutzt wird. Es gleicht einem langen, begehbaren Schrank und bildet zum Haus hin einen intimen Vorplatz. Die zurückgenommene Formgebung des Hauses unterstreicht das ungewöhnliche Fassadenmaterial: verkohlte Lärchenholzbretter. Diese alte Technik wurde in vergangenen Jahrhunderten vor allem in Japan und Finnland angewendet, um das Holz vor Witterungseinflüssen zu schützen. Je nach Lichteinfall changiert die Farbe von Matt-Schwarz bis Silber.

Der schwarze Kubus außen steht im Gegensatz zu den hellen, bunten Innenräumen, wobei sich die Bunttöne auf die Einbauten beschränken, die Außenwände sind zurückhaltend, in weiß lasierten 2-Schichtplatten aus Fichte ausgeführt. In der Mitte des Hauses befindet sich nahezu ausgeblendet und darum umso überraschender das 2-geschossige, dunkelblaue Stiegenhaus. Bei der Materialauswahl wurde großes Augenmerk auf Haptik und Struktur gelegt: Linoleum für Boden und Tischbeläge, Filz als Schrankvorhang, Siebdruckplatten für den Kern, Kunststoffwellplatten als Galerie- und Balkongeländer, an den Wänden 2-Schichtplatten aus Fichte weiß lasiert.

Für Kleingartenhäuser gelten strenge Vorschriften: maximal 35m² Grundfläche dürfen bebaut werden, auch in Höhe und Kubatur gibt es starke Beschränkungen. Zusätzlich ist ein 5m² großes Nebengebäude möglich. Ziel war, trotz der Kleinheit, ein in allen Bereichen komplexes und abwechslungsreiches Gebäude zu entwickeln: verschiedenste Raumfunktionen, Materialien, Farben und Verarbeitungstechniken sind bricolage-artig kombiniert. So überrascht das Haus mit stark wechselnden Erscheinungen: In der Mitte des Erdgeschosses befindet sich ein zentraler Kern aus dunkelbraunen Siebdruckplatten, der Küche, Stiege, Badnische und Stauraum beinhaltet. Um diesen herum entsteht ein Rundgang, der dem kleinen Haus eine räumliche Vielfalt verleiht, die von außen nicht zu vermuten ist. Auch ein Luftraum zwischen Wohnzimmer und Arbeitsgalerie und ein schmaler, hoher Stiegenschacht generieren Großzügigkeit auf engstem Raum.

Alle Maße sind auf den minimalen Raumbedarf des menschlichen Körpers und seiner Bewegungsabläufe reduziert. So ähnelt das Innere in vielen Bereichen einem Zugabteil oder einer Schiffskoje, in Anlehnung an das Doppelhaus von Le Corbusier in der Weißenhofsiedlung in Stuttgart. Gänge und Stiege sind 70 cm breit, gerade ausreichend, damit ein erwachsener Mensch ohne an der Wand zu streifen noch durchgehen kann. Die Schlafkojen sind in der Breite genau auf die Matratzen der Betten angepasst.

Um alle Anforderungen unterzubringen, sind viele Möbel mit zwei Nutzungen versehen: eine in den Kern eingebaute Badnische, die durch Klappen und Schieben zweier raumhoher Türen die Gangfläche mitbenützt und so erst zu einem richtigen Raum mit natürlicher Belichtung wird. Der Esstisch dient auch als Küchenarbeitsplatte, gesessen wird auf einem offenen Regal. Der Raum unter den Betten wird durch große Bettladen genutzt. Die Stiege ist gleichzeitig auch Schuhregal, das Geländer zum Luftraum hin ist als Bücherregal ausgebildet.

Alle grafischen Elemente stammen übrigens vom Bauherrn selbst: das Adress-Schild am Nebengebäude ist angelehnt an Beschriftungen auf Wiener Gemeindebauten. Großflächige Grafiken an den Innenwänden thematisieren die besondere Lage am Wienerwald. Die Möblierungsstücke suchte der Bauherr auf diversen Flohmärkten und Entrümpelungen zusammen und verpasste ihnen passend zum Farbkonzept rote Füße. Dem blauschwarz glänzenden Gefieder eines Vogels gleich, nennt er das Haus „Villa Rabenschwarz“.

Vielleicht werden sich künftig mehr Architekturbüros, bzw. mehr Bauherr:innen sich über verkohlte Holzfassaden wagen. Im Burgenland befindet sich bereits das nächste angekohlte Haus: das Storchenhaus des japanischen Architekten Terunobu Fujimori, entstanden im Rahmen des von Roland Hagenberg initiierten „Raiding Projekts“, 2012 fertiggestellt. (Text: Architekten, überarbeitet von Martina Frühwirth)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

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