Bauwerk

Caritas Betreuungszentrum „Gruft“
Trimmel Wall Architekten - Wien (A) - 2013
Caritas Betreuungszentrum „Gruft“, Foto: Isabella Wall
Caritas Betreuungszentrum „Gruft“, Foto: Isabella Wall

Caritas Tageszentrum „Gruft“

7. August 2014 - Az W
Über 25 Jahren diente die „Gruft“ unter der Barnabitenkirche als Zufluchtsort für obdachlose Menschen. Um den täglichen Anforderungen in der „Gruft“ gerecht zu werden, wurde im benachbarten Pfarrhof unter größtmöglicher Wahrung des Baumschutzes ein neues Tageszentrum errichtet. Der Umwidmung gingen intensive Verhandlungen mit den Anrainern und der Pfarre, auf deren Grund gebaut wurde, voraus. Bereits zwei Jahre nach Präsentation der Projektstudien konnte der Neubau eröffnet werden. Die Architekten konzipierten eine „Funktionsentflechtung“ in Tages- und Nachtbetrieb. Die vorhandene, alte „Gruft“ dient künftig als Schlafstätte für den Nachtbetrieb. Im Neubau befindet sich ein Aufenthalts- und Hygienetrakt für die Klient:innen im Erdgeschoss und ein Mitarbeiterbereich im Obergeschoss.

Tagsüber steht das Tor in der Barnabitengasse weit offen. Mit dem zeitgleich realisierten Vorzeigeprojekt „VinziRast mittendrin“ hat die neue „Gruft“ wenig gemein. In der VinziRast mittendrin wird versucht, zwischen ehemaligen Obdachlosen und der Bevölkerung zu vermitteln. Das Tageszentrum der „Gruft“ ist hingegen diskret und bewahrt die Distanz – zur Straße wie auch zum angrenzenden Pfarrhof. Der barrierefreie Zugang erfolgt durch einen eigenen Eingang im historischen Torbogenensemble von der Barnabitengasse aus. Um störende Lärmentwicklungen zu vermeiden, wurde der Zugang als gedeckter Laubengang ausgeführt. Zahlreiche Gestaltungselemente des Laubengangs kommen auch beim Gebäude zum Einsatz: Lärchenholzbeplankung, extensive Dachbegrünung sowie Aussparungen für Bäume.

Der Neubau führt vor Augen, wie schwierig die Rahmenbedingungen in der alten „Gruft“ unter der Kirche waren. Entsprechend stark gewichtet wurde der Wunsch nach mehr Tageslicht. Raumhohe Fenster geben im Erdgeschoss den Blick in den angrenzenden Pfarrgarten und ins Atrium auf den alten Baumbestand frei. Der Aufenthaltsraum wird insbesondere in der kalten Jahreszeit intensiv genutzt. Zu den Essensausgabezeiten dient er als Speisesaal, spätestens dann kommt die schalldämmende Wirkung der Akustikdecke zum Tragen. Eine mobile Trennwand trennt den Raucherbereich vom Nichtraucherbereich ab. Im angrenzenden, mit großformatigen Steinzeugplatten ausgelegten Hygienetrakt befinden sich Sanitäreinrichtungen, ein Kleiderlager, Waschküche, Friseur und ärztliche Erstversorgung. Das Untergeschoss mit Lüftungszentrale, Haustechnik, Lagerräumen, Kühlzellen, Mitarbeiterumkleideräumen und Duschen ist ringförmig um den Wurzelraum des Baumes gebaut.

Die Mitarbeiter erfahren mit dem Neubau ebenfalls eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Im Obergeschoss sind Büros, Teeküche, Besprechungsraum für die Sozialarbeiter:innen und die psychologische Betreuung situiert. Obdachlose Klienten erhalten nur für Beratungsgespräche Zutritt zum ersten Stock. Auf der Atrium-Terrasse, die im ersten Stock den Mitarbeitern vorbehalten ist, wandert der Blick von der Baumkrone zum begrünten Dachgarten. Dieser Freiraum bietet die Möglichkeit zum Verschnaufen. Ein paar tiefe Atemzüge später – ob mit oder ohne Zigarette – und die Mitarbeiter stellen sich wieder den Herausforderungen, die ein Stockwerk tiefer auf sie warten. Diese Terrasse ist ebenso wenig ein Luxus, wie Tageslicht in Aufenthaltsräumen ein Luxus ist.

Im Ausgleich für die durch den Neubau verkleinerte Grünfläche im Innenhof wurde das Flachdach des Neubaus als Gartenlandschaft gestaltet. Eine automatische Bewässerung sorgt dafür, dass die Bodendecker und Sedumsprossen über dem Obergeschoss gut gedeihen. Über dem Hygienetrakt im Erdgeschoss wurde das Flachdach intensiv begrünt, sogar zwei Bäumen befinden sich hier. Bereits in der ersten Saison sind die Dachpflanzen so weit angewachsen, dass die Anrainer den Mehrwert des Neubaus für sich entdecken. Wo zuvor Autos im Hinterhof parkten, gedeiht heute eine begrünte Dachlandschaft. (Martina Frühwirth nach einem Text des Architekten)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

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