Bauwerk
Besucherzentrum Weinerlebniswelt Loisium
Steven Holl, Franz Sam, Irene Ott-Reinisch - Langenlois (A) - 2003
14. November 2003 - Az W
Im Sommer 2001 legte der amerikanische Architekt Steven Holl - ein Vertreter des motivischen Bauens - seinen Auftraggebern in Österreich die bekannt malerischen Entwurfsskizzen vor: „Das Projekt besteht aus drei Teilen: den bestehenden Kellergewölben, die für die Besucher zugänglich gemacht werden, dem Weinzentrum und einem Hotel (...). Die historische Lage und Geometrie der Keller (...) wird transformiert und abstrahiert zum lichtgebenden Fassadenmuster am Kubus des Pavillons des Weinzentrums.“
Im September 2003 wurde in der grössten Weinstadt Niederösterreichs das neue Besucherzentrum - ein facettierter, glitzernder und leicht geneigter Kubus - nach nur neunmonatiger Bauzeit eröffnet, wobei die Kontaktarchitekten Franz Sam und Irene Ott-Reinisch die Übersetzung einer komplizierten Skulptur in gebaute Architektur mit grosser Sachkenntnis bewältigten. Eröffnet wurden zeitgleich auch die von den Raumszenographen „Steiner Sarnen Schweiz“ inszenierten Kellerwelten, der Baubeginn für das noch fehlende dritte Glied - das Hotel - ist für das Frühjahr 2004 angesetzt.
Man kann seine Phantasie in die Zwecke versenken oder - in einer anderen Form von Radikalität - die Phantasie selbst zum Zweck erheben. Steven Holl verwendet die Gegebenheiten eines Orts, dessen morphologische Tatbestände, für die Inspiration zum Entwurf. So hat er auch in Langenlois Motivforschung betrieben, als er das verzweigte System der unterirdischen Kellergänge in die Gestalt des kubischen Besucherzentrums übertrug. Diese Übertragung zeichnet sich in den Umrissen der Fensterschlitze ebenso ab wie in der Formgebung des Türgriffs am Haupteingang. Obwohl Holl diese motivische Verbindung zum Ort „in einer sehr abstrahierten Form“ herstellt, könnte der Weg vom Bild zum Bauwerk kürzer nicht sein. Deutlich wird dies vor allem auf der Ebene des Materials, wo die Gleichung von Weinflasche und Korken dazu führt, dass grosse Flächen des Innenraums des Loisiums mit Korkbelag tapeziert und manche Fensteröffnungen mit flaschengrün laminierten Glasgüssen gefüllt sind. (Die unvermeidliche Devianz eines Motivs zum leeren Design wird schließlich an den Brüstungen der Stiegenaufgänge evident, wo die Struktur des Korks in den wasserstrahleingeschnittenen Löchern auf Glasflächen wiederkehrt.) Im grösseren Massstab ist der phantasieverbrämte Funktionsverzicht und Aufwand im Dienste des Effekts noch interessanter, etwa an der Aussenhaut, wo Alu-Paneele in komplizierter Geometrie auf eine Formrohrkonstruktion montiert sind, die mit der dahinterliegenden planen Stahlbetongrundstruktur nicht konform geht; dieses Blind-Motiv der räumlichen Knickung verschafft dem Kubus einen extravaganten selbstbezüglichen Mantel, den sich ein Gebäude als „landmark“ glaubt leisten zu müssen.
Bei aller szenografischen Durchformung des Loisiums scheint in der unterirdischen Erlebniswelt die Weitergabe von Winzer-Wissen an eine interessierte Öffentlichkeit kein Hauptanliegen gewesen zu sein. So mag es manchen Besuchern sonderbar erscheinen, zur Anhörung eines Lehrfilms über die Herstellungsprozesse des Weins grüppchenweise in einem Glaslift gefangen gehalten zu werden, der, ungerührt vom Geschehen oder Nicht-Geschehen rundum, durch die Produktionsetagen gleitet.
Mit welchen Inhalten die rund 1 km langen Kellergänge sinnreich zu füllen seien, bleibt dessen ungeachtet eine schwierige Frage. Ein puristisches Freihalten von Erlebnis-Elementen, wie es Steven Holl vorgeschwebt wäre, hätte nur den Anbetern der Leere Befriedigung verschafft. Die Schweizer Planer von Steiner Sarnen schufen statt dessen ein unentschiedenes Zwischenreich, eine halb mythisch-esoterische, halb discohaft-glitzernde Unterwelt, die den verfügbaren Raum auf der Ebene hieroglyphischer Zeichenwelten scheinbar tiefsinnig bewältigt. Daran kann man Gefallen finden, darüber kann man die Nase rümpfen - im Geisterreich des Erlebniskults ist für alle Befindlichkeiten Platz. (Text: Gabriele Kaiser)
Im September 2003 wurde in der grössten Weinstadt Niederösterreichs das neue Besucherzentrum - ein facettierter, glitzernder und leicht geneigter Kubus - nach nur neunmonatiger Bauzeit eröffnet, wobei die Kontaktarchitekten Franz Sam und Irene Ott-Reinisch die Übersetzung einer komplizierten Skulptur in gebaute Architektur mit grosser Sachkenntnis bewältigten. Eröffnet wurden zeitgleich auch die von den Raumszenographen „Steiner Sarnen Schweiz“ inszenierten Kellerwelten, der Baubeginn für das noch fehlende dritte Glied - das Hotel - ist für das Frühjahr 2004 angesetzt.
Man kann seine Phantasie in die Zwecke versenken oder - in einer anderen Form von Radikalität - die Phantasie selbst zum Zweck erheben. Steven Holl verwendet die Gegebenheiten eines Orts, dessen morphologische Tatbestände, für die Inspiration zum Entwurf. So hat er auch in Langenlois Motivforschung betrieben, als er das verzweigte System der unterirdischen Kellergänge in die Gestalt des kubischen Besucherzentrums übertrug. Diese Übertragung zeichnet sich in den Umrissen der Fensterschlitze ebenso ab wie in der Formgebung des Türgriffs am Haupteingang. Obwohl Holl diese motivische Verbindung zum Ort „in einer sehr abstrahierten Form“ herstellt, könnte der Weg vom Bild zum Bauwerk kürzer nicht sein. Deutlich wird dies vor allem auf der Ebene des Materials, wo die Gleichung von Weinflasche und Korken dazu führt, dass grosse Flächen des Innenraums des Loisiums mit Korkbelag tapeziert und manche Fensteröffnungen mit flaschengrün laminierten Glasgüssen gefüllt sind. (Die unvermeidliche Devianz eines Motivs zum leeren Design wird schließlich an den Brüstungen der Stiegenaufgänge evident, wo die Struktur des Korks in den wasserstrahleingeschnittenen Löchern auf Glasflächen wiederkehrt.) Im grösseren Massstab ist der phantasieverbrämte Funktionsverzicht und Aufwand im Dienste des Effekts noch interessanter, etwa an der Aussenhaut, wo Alu-Paneele in komplizierter Geometrie auf eine Formrohrkonstruktion montiert sind, die mit der dahinterliegenden planen Stahlbetongrundstruktur nicht konform geht; dieses Blind-Motiv der räumlichen Knickung verschafft dem Kubus einen extravaganten selbstbezüglichen Mantel, den sich ein Gebäude als „landmark“ glaubt leisten zu müssen.
Bei aller szenografischen Durchformung des Loisiums scheint in der unterirdischen Erlebniswelt die Weitergabe von Winzer-Wissen an eine interessierte Öffentlichkeit kein Hauptanliegen gewesen zu sein. So mag es manchen Besuchern sonderbar erscheinen, zur Anhörung eines Lehrfilms über die Herstellungsprozesse des Weins grüppchenweise in einem Glaslift gefangen gehalten zu werden, der, ungerührt vom Geschehen oder Nicht-Geschehen rundum, durch die Produktionsetagen gleitet.
Mit welchen Inhalten die rund 1 km langen Kellergänge sinnreich zu füllen seien, bleibt dessen ungeachtet eine schwierige Frage. Ein puristisches Freihalten von Erlebnis-Elementen, wie es Steven Holl vorgeschwebt wäre, hätte nur den Anbetern der Leere Befriedigung verschafft. Die Schweizer Planer von Steiner Sarnen schufen statt dessen ein unentschiedenes Zwischenreich, eine halb mythisch-esoterische, halb discohaft-glitzernde Unterwelt, die den verfügbaren Raum auf der Ebene hieroglyphischer Zeichenwelten scheinbar tiefsinnig bewältigt. Daran kann man Gefallen finden, darüber kann man die Nase rümpfen - im Geisterreich des Erlebniskults ist für alle Befindlichkeiten Platz. (Text: Gabriele Kaiser)
Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien
Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzig
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