Bauwerk

Kindergarten Rosenberg
Nussmüller Architekten - Graz (A) - 2014
Kindergarten Rosenberg, Foto: Krischner & Oberhofer Fotografie
Kindergarten Rosenberg, Foto: Krischner & Oberhofer Fotografie

Heilpädagogischer Kindergarten für Hör- und Sprachbildung im Förderzentrum des Landes Steiermark

11. Oktober 2015 - HDA
Im Hier und Jetzt.
Ihre Hände zieht es zum Holz. Eine schnelle Berührung der Fassade. Die raue Oberfläche prickelt an ihren Fingerkuppen. Der Duft nach Wald entführt sie aus dem städtischen Geist. Der Torbogen ins Innen ist durchschritten. Angekommen. Ihre Freundin winkt ihr das Spiel unterbrechend lachend zu. Sie freut sich.

Vom Land Steiermark zum Wettbewerb geladen positionieren Nussmüller Architekten das benötigte Raumprogramm in Form eines nahezu quadratischen Pavillons am Campus des Förderzentrums für Sprach- und Hörbildung am Rosenberggürtel in Graz. Ein kompakter Solitär. Der, wenn auch „nur“ eingeschoßig, sich aufgrund seiner Proportion den ihm gebührenden Raum an der Seite des erhabenen, dreigeschoßigen Haupthaus selbstbewusst einnimmt. Und aufgrund seiner Ausführung als Holzbau – am von altem Baumbestand geprägten Grundstück – in fröhlicher Gelassenheit die vorhandene Atmosphäre keineswegs bricht. Diese Idee sei maßgeblich ausschlaggebend gewesen zum Gewinn des Wettbewerbs. Raum für 72 Kinder und 26 betreuende Personen aufgrund der besonderen Förderung der Kinder hinsichtlich Hör- und Sprachentwicklung.

Grundthemen: natürliche Belichtung, Information durch Farbgebung, Holz als Baumaterial und als Oberfläche im Innenraum und der Außenhaut. Durch das Verweben dieser qualitativen Stilmittel errichteten Nussmüller Architekten ein von Klarheit, Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit getragenes Gebäude, das für die betreuenden Personen funktional, logisch und in Ihrer Arbeit unterstützend ist. Großzügig, ohne unüberschaubar zu sein, für die Kinder, wertschätzend den vielen Stimmungen, Launen und Bedürfnissen gewachsen.

Der Pavillon. Von außen: hölzerne voneinander abgesetzte Kuben, in Oberflächenausführung, Farbe und Haptik unterschiedlich. Dazwischen, nach hinten versetzt: Ein-/ und Ausgänge. Nordseitig, die Haupterschließung, westseitig die Verbindung Garderobe – Garten, südseitig, ein kleiner Terrassenbereich. Ein Vordach aus Holzlamellen hält die Kuben optisch zusammen, ist Sonnenschutz und gleichzeitig tragende Konstruktion für funktional notwendige Glasüberdachung im Schwellenbereich.
Von Innen: den einzelnen Kuben sind unterschiedliche Funktionen zugeordnet. Gruppenbereiche, Turnsaal, Räume zur individuellen therapeutischen Betreuung, Personalbereich – Büro, Organisation. Zwischen den Kuben streckt sich der Zentralraum bis an die Außenhaut. Ermöglicht den gerichteten Blick vom Zentrum ins umgebende Grün.
Viel Tageslicht im tiefen Gebäudeinneren: ein Atrium. War der Zentralraum ursprünglich als Verbindungsglied/ Erschließungsraum der einzelnen Funktionen gedacht, so ist er in der Praxis zum Herzstück des Kindergartens geworden. Seine differenzierte Belichtungssituation schafft im streng linearen Grundriss stimmungsvolle, weich ineinander übergehende Bereiche, in denen sich die Kinder gerne aufhalten. Thematische kleine Inseln zum gruppenübergreifenden Spiel im sanften Lichtermeer.
Roter Linoleumboden im Zentralraum, die Wände und die hohe Decke: aus glattem, wärmenden Holz. Sichtbar die räumlichen Übergänge von Zentralraum zu Gruppenbereich auch an der Farbe des Fußbodens. So wie jeder der vier Gruppen eine Farbe zugeordnet ist, die sich vom Garten gesehen auch in der Fassadengestaltung wiederfindet, aber auch in der Farbgebung der einzelnen Garderobenbereiche.

Im Park. Bei der Wahl der Farbtöne hat sich das Gebäude des Kindergartens Rosenberg die Natur zum Vorbild genommen. Das erlebbare Baumaterial Holz, die Lichtgestaltung und die Fensterpositionierung heben die Gegensätzlichkeit Innenraum/Außenraum auf. Unmittelbar ineinander übergehende qualitativ unterschiedliche Bereiche – in ihrer Funktion jedoch klar lesbar – begleiten und unterstützen die Kinder in ihrem Sein und Lernen. Im Hier und Jetzt.
(Text: Petra Kohlenprath)

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