Bauwerk
Museum der Moderne Berlin - Wettbewerb
Herzog & de Meuron - Berlin (D) - 2016
Berliner Bierzelt im Backsteinmantel
In Berlin wälzt man sehr konkret ein „Bauvorhaben, auf das die ganze Welt schaut“: Für ein neues Museum des 20. Jahrhunderts unmittelbar neben der Neuen Nationalgalerie haben die Architekten Herzog und de Meuron den Zuschlag erhalten.
24. November 2016 - Bert Rebhandl
Berlin - Das Jahr 2021 werden sich so manche Bürgerinnen und Bürger von Berlin schon einmal im Kalender notiert haben. 2021 soll nämlich auf einem der kulturpolitisch wichtigsten Plätze der Stadt ein neues Museum des 20. Jahrhunderts eröffnen.
Es ist ein „Bauvorhaben, auf das die ganze Welt schaut“, wie die deutsche Kulturstaatsministerin Monika Grütters selbstbewusst verkündete. In fünf Jahren soll auf dem Kulturforum, unmittelbar neben der Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe, die gerade renoviert wird, ein Gebäude stehen, das die Basler Architekten Herzog und de Meuron geplant haben und mit dem sie einen der meistbeachteten Wettbewerbe der jüngsten Zeit gewonnen haben. Seit vergangener Woche sind alle Einreichungen ausgestellt, und die interessierte Öffentlichkeit kann sich ein Bild von den Möglichkeiten und Gefahren machen, die mit diesem Ort verbunden sind.
Das Museum des 20. Jahrhunderts, mit dem die Berliner Kulturpolitik vor allem unter Klaus Wowereit lange schwanger gegangen war, wird an einem architektonisch höchst strahlungsreichen Ort errichtet. Das schwebende Dach der Neuen Nationalgalerie ist nur eine der Herausforderungen, auf die sich die teilnehmenden Büros einen Reim machen mussten. Unmittelbar neben dem zu bebauenden Grundstück an der Potsdamer Straße liegt die St.-Matthäi-Kirche aus dem 19. Jahrhundert, westlich steigt eine Piazzetta leicht zur Gemäldegalerie an, nördlich dominieren die Philharmonie und der Kammermusiksaal von Hans Scharoun den Horizont, östlich dessen Staatsbibliothek, jeweils in Alugold.
Zu all dem kam nach der Wende der neue Potsdamer Platz mit seinem Hochhausportal, das wie eine Kürzestfassung der Architekturgeschichte auf das Durcheinander ein paar hundert Meter weiter herüberstrahlt.
Selbstbewusste Geste
Wer da noch mithalten will, muss entweder eine einzige, deutliche Geste setzen oder selbst einen verschachtelten Entwurf riskieren, der sich in alle Richtungen selbstbewusst „verneigt“. Wie so häufig bei ihren Bauten haben Herzog und de Meuron für das M20, wie es inzwischen schon geläufig abgekürzt wird, etwas vorgeschlagen, was genial einfach wirkt.
Allerdings auch ein wenig gewöhnungsbedürftig: Denn die erste Assoziation ist bei nicht wenigen die mit einem Bierzelt oder einer riesigen Lagerhalle. Letzteres ist durchaus gewollt, wobei die geplante Backsteinfassade, an deren Details noch gearbeitet wird, den Eindruck massiver Kompaktheit wohl abschwächen wird. Und innen soll sich dann ohnehin die differenzierte Vielfalt bieten, die auch wegen der gemischten Aufgaben des Gebäudes notwendig ist, das nicht zuletzt in dieser Hinsicht auch Ausdruck der wankelmütigen Berliner Kulturpolitik ist. Sie liefert sich immer wieder stark privaten Sammlern aus.
Im Vergleich mit den restlichen Kandidaten fällt auf jeden Fall auf, dass die Jury unter der Leitung des Stuttgarter Architekten Arno Lederer den größten Entwurf gewählt hat. Herzog und de Meuron gehen räumlich auf das Äußerste – sehr nahe an die Kirche und in der Ansicht vom Potsdamer Platz aus, die auf dem wichtigsten Simulationsfoto zu sehen ist, doch recht hermetisch. Und zwar von allen Seiten, während zum Beispiel das dänische Büro 3XN zur Straße hin einen Riegel setzte, dahinter aber einen öffentlichen Platz anbot. Das geht schon in die Richtung der vielleicht radikalsten Einreichung von Sou Fujimoto aus Tokio: Hier verschwindet das M20 mehr oder weniger unter den sanften Wellen einer Dachkonstruktion, die sich als „Hügellandschaft“ in alle Richtungen eher verläuft als aufschwingt. Das war dann doch zu wenig „landmark“ für Berlin.
Mit dem zweiten Platz für das dänische Büro Lundgaard & Tranberg ließ die Jury aber auch eine deutliche Gegenposition zu Herzog und de Meuron zu: ein kurviges, organisch wirkendes Ganzes, das ein wenig an die Nordischen Botschaften erinnert, ein Architekturdenkmal aus der frühen Zeit nach der Wiedervereinigung. Das Fachpublikum wird sich die Ausstellung im Kulturforum, die ein Schulbeispiel für moderne Museumsarchitekturkonzepte darstellt, natürlich anders anschauen als die meisten Bewohner der Stadt, die an der Stelle, an der das M20 errichtet werden wird, selten vorbeikommen, es sei denn, dass sie mit dem Auto vorbeisausen. Sie werden das Eröffnungsdatum 2021 auch dann mit gebührender Skepsis verbuchen, wenn sie von der lange überfällig gewesenen Elbphilharmonie von Herzog und de Meuron wenig Notiz genommen haben. Ihnen reicht das Beispiel des Flughafens Berlin-Brandenburg, um einfach mal abzuwarten, was am Ende draus wird.
Es ist ein „Bauvorhaben, auf das die ganze Welt schaut“, wie die deutsche Kulturstaatsministerin Monika Grütters selbstbewusst verkündete. In fünf Jahren soll auf dem Kulturforum, unmittelbar neben der Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe, die gerade renoviert wird, ein Gebäude stehen, das die Basler Architekten Herzog und de Meuron geplant haben und mit dem sie einen der meistbeachteten Wettbewerbe der jüngsten Zeit gewonnen haben. Seit vergangener Woche sind alle Einreichungen ausgestellt, und die interessierte Öffentlichkeit kann sich ein Bild von den Möglichkeiten und Gefahren machen, die mit diesem Ort verbunden sind.
Das Museum des 20. Jahrhunderts, mit dem die Berliner Kulturpolitik vor allem unter Klaus Wowereit lange schwanger gegangen war, wird an einem architektonisch höchst strahlungsreichen Ort errichtet. Das schwebende Dach der Neuen Nationalgalerie ist nur eine der Herausforderungen, auf die sich die teilnehmenden Büros einen Reim machen mussten. Unmittelbar neben dem zu bebauenden Grundstück an der Potsdamer Straße liegt die St.-Matthäi-Kirche aus dem 19. Jahrhundert, westlich steigt eine Piazzetta leicht zur Gemäldegalerie an, nördlich dominieren die Philharmonie und der Kammermusiksaal von Hans Scharoun den Horizont, östlich dessen Staatsbibliothek, jeweils in Alugold.
Zu all dem kam nach der Wende der neue Potsdamer Platz mit seinem Hochhausportal, das wie eine Kürzestfassung der Architekturgeschichte auf das Durcheinander ein paar hundert Meter weiter herüberstrahlt.
Selbstbewusste Geste
Wer da noch mithalten will, muss entweder eine einzige, deutliche Geste setzen oder selbst einen verschachtelten Entwurf riskieren, der sich in alle Richtungen selbstbewusst „verneigt“. Wie so häufig bei ihren Bauten haben Herzog und de Meuron für das M20, wie es inzwischen schon geläufig abgekürzt wird, etwas vorgeschlagen, was genial einfach wirkt.
Allerdings auch ein wenig gewöhnungsbedürftig: Denn die erste Assoziation ist bei nicht wenigen die mit einem Bierzelt oder einer riesigen Lagerhalle. Letzteres ist durchaus gewollt, wobei die geplante Backsteinfassade, an deren Details noch gearbeitet wird, den Eindruck massiver Kompaktheit wohl abschwächen wird. Und innen soll sich dann ohnehin die differenzierte Vielfalt bieten, die auch wegen der gemischten Aufgaben des Gebäudes notwendig ist, das nicht zuletzt in dieser Hinsicht auch Ausdruck der wankelmütigen Berliner Kulturpolitik ist. Sie liefert sich immer wieder stark privaten Sammlern aus.
Im Vergleich mit den restlichen Kandidaten fällt auf jeden Fall auf, dass die Jury unter der Leitung des Stuttgarter Architekten Arno Lederer den größten Entwurf gewählt hat. Herzog und de Meuron gehen räumlich auf das Äußerste – sehr nahe an die Kirche und in der Ansicht vom Potsdamer Platz aus, die auf dem wichtigsten Simulationsfoto zu sehen ist, doch recht hermetisch. Und zwar von allen Seiten, während zum Beispiel das dänische Büro 3XN zur Straße hin einen Riegel setzte, dahinter aber einen öffentlichen Platz anbot. Das geht schon in die Richtung der vielleicht radikalsten Einreichung von Sou Fujimoto aus Tokio: Hier verschwindet das M20 mehr oder weniger unter den sanften Wellen einer Dachkonstruktion, die sich als „Hügellandschaft“ in alle Richtungen eher verläuft als aufschwingt. Das war dann doch zu wenig „landmark“ für Berlin.
Mit dem zweiten Platz für das dänische Büro Lundgaard & Tranberg ließ die Jury aber auch eine deutliche Gegenposition zu Herzog und de Meuron zu: ein kurviges, organisch wirkendes Ganzes, das ein wenig an die Nordischen Botschaften erinnert, ein Architekturdenkmal aus der frühen Zeit nach der Wiedervereinigung. Das Fachpublikum wird sich die Ausstellung im Kulturforum, die ein Schulbeispiel für moderne Museumsarchitekturkonzepte darstellt, natürlich anders anschauen als die meisten Bewohner der Stadt, die an der Stelle, an der das M20 errichtet werden wird, selten vorbeikommen, es sei denn, dass sie mit dem Auto vorbeisausen. Sie werden das Eröffnungsdatum 2021 auch dann mit gebührender Skepsis verbuchen, wenn sie von der lange überfällig gewesenen Elbphilharmonie von Herzog und de Meuron wenig Notiz genommen haben. Ihnen reicht das Beispiel des Flughafens Berlin-Brandenburg, um einfach mal abzuwarten, was am Ende draus wird.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
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