Bauwerk

Deutsches Bergbau-Museum
Benthem Crouwel - Bochum (D) - 2009
Deutsches Bergbau-Museum, Foto: Mark Wohlrab / ARTUR IMAGES
Deutsches Bergbau-Museum, Foto: Mark Wohlrab / ARTUR IMAGES

Schwarzer Diamant

Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum mit einem Anbau zu erweitern, war eine delikate Aufgabe. Die Dominanz des 1935 von Fritz Schupp errichteten Altbaus schien kaum eine Intervention zu ertragen. Gelöst haben die Amsterdamer Benthem Crouwel Architekten die Situation mit einem – je nach Lesart – an Kasimir Malewitschs Schwarzes Quadrat oder in Anlehnung an die Zeit der Kohlenförderung an einen «schwarzen Diamanten» erinnernden Baukörper.

19. März 2010 - Klaus Englert
Als im Spätsommer 2009 das Emil Schumacher Museum am neuen Hagener Kunstquartier eröffnet wurde, galt das als Startschuss für den Neubau etlicher Museen im Rahmen von «Ruhr 2010». Der zweite Streich erfolgte bereits im Dezember, als das Deutsche Bergbau-Museum (DBM) in Bochum einen kontrastreichen Annex von Benthem Crouwel Architekten erhielt. Der Altbau des DBM ist ein Baudenkmal des Ruhrgebiets- und Zechenarchitekten Fritz Schupp, der mit seinem Partner Martin Kemmer die legendäre Zeche Zollverein in Essen errichtet hatte. Schupp hatte das 1935 vollendete Bergbau-Museum mit den zeittypischen Würdeformeln versehen – mit grosszügigem Ehrenhof und mächtigem, säulengestütztem Portikus. Auch Materialwahl und Grundrissgestaltung zeugen von einem recht traditionellen Baukörper, handelt es sich doch um ein monumentales, rechtwinklig angeordnetes Ensemble, dessen zwei quadratische Innenhöfe von einem Mitteltrakt getrennt werden, den ein 60 m hoher Förderturm überragt. Das weltweit grösste Bergbaumuseum mit gigantischen Ausmassen von 7000 m² Ausstellungsfläche hat aber noch weit mehr zu bieten. Zu dem Museumscarrée kommt noch ein Anschauungsbergwerk von 2.5 km Länge hinzu.

«Abstrakter Kubus», «konkrete» Gänge, Stollen und Rampen

Für das Team von Benthem Crouwel (Amsterdam / Aachen), das derzeit auch den Anbau des Amsterdamer Stedelijk-Museums fertigstellt, war das majestätische Bergbaumuseum aus der Ära des Industriezeitalters, wie es von Krupp und Haniel geprägt wurde, eine Herausforderung. Als sich die Architekten 2006 an dem Wettbewerb beteiligten, wurde ihnen schnell klar, dass der Altbau nach einem expliziten Gegengewicht verlangt, was sie mit deutlichen Anleihen am Expressionismus und an der Bauhaus-Moderne zu bewerkstelligen suchten. Entstanden ist ein Anbau, der die einen an Kasimir Malewitschs Schwarzes Quadrat denken lässt. Andere, insbesondere einheimische Ruhrpottler, erinnern sich vielleicht an die Zeit der Kohlenförderung und assoziieren dabei einen «schwarzen Diamanten». Tatsächlich hat sich mittlerweile in Bochum die Redewendung vom «schwarzen Diamanten» eingebürgert. Benthem Crouwel entschieden sich für einen schwarzen Kubus, der lediglich im ersten Augenblick hermetisch wirkt. Während Farbe und Gestalt das Fördermaterial Kohle evozieren, von dem die gesamte Region seit dem frühen 19. Jahrhundert lebte, taucht gleichzeitig der Querschnitt des Bergwerks mit seinen Gängen, Stollen und Rampen vor dem geistigen Auge auf. Daran gemahnen die beiden «Bandbrücken», die den Freiraum zwischen Alt- und Neubau überspannen und sich dabei dramatisch überkreuzen. Die Architekten sparten gleichwohl nicht mit heiteren Farben, und so behandelten sie sämtliche neuen Erschliessungswege – die beiden Rampen, auf denen man zu den Wechselausstellungen im Anbau gelangt, und das neue Stiegenhaus – mit poppigem Melonengelb, bestehend aus einer Polyurethanbeschichtung des Betons.Benthem Crouwel bevorzugen kräftige Farben: Zu dem Schwarz, das auf die fugenlose raue Putzoberfläche des Museumskubus aufgetragen und mit glitzernden Siliciumcarbid- Splittern vermengt wurde, tritt also das grelle Melonengelb, das sich bestens zum expressionistischen Aspekt des Anbaus gesellt, nämlich den Zickzacklinien des Fensterbandes, die vom Erdgeschoss bis hinauf in die zweite Etage verlaufen. Die schwarze Putzfassade, die vor den tragenden Stahlbetonwänden abgehängt ist, kontrastiert auch mit der Glasfassade des Foyers. Abends, wenn die Beleuchtung angeschaltet ist, kommunizieren die Zickzacklinien mit den schmalen Fensterschlitzen der Verbindungsrampen und sorgen für anregende Farbeffekte. Bei Tageslicht entdecken die Museumsbesucher, dass sich die gezackten Fensterbänder auf dem Dach fortsetzen und den Blick auf den Förderturm freigeben.

«Steife» Box, stützenfreie Räume

Konstruktionstechnisch haben sich Benthem Crouwel von der Idee der «steifen Box» leiten lassen, wobei die Aussen- und die Kernwände die vertikal aussteifenden Tragelemente bilden. Aus der Konstruktion resultiert auch die technische Gebäudeausrüstung – Betonkerntemperierung, die es erlaubt, Wände oder Decken zu heizen oder zu kühlen. Die gewählte Struktur bietet bei Ausstellungen grosse Vorzüge: Weil die Deckenscheiben die horizontale Kopplung der Wände gewährleisten, war es möglich, grosse, stützenfrei überspannte Räume zu gestalten, die bestens für die geplanten Wechselausstellungen im Neubau geeignet sind. Dabei setzten die Architekten darauf, dass die für Sonderausstellungen vorgesehenen Bereiche auf der ersten und der zweiten Ebene möglichst flexibel zu bespielen sind. Beispielsweise möchte man im 6 m hohen ersten Geschoss eine Raumhälfte für Vorträge abtrennen, ohne dabei den Ausstellungsbetrieb zu beeinträchtigen.

Wandelt man das melonengelbe Stiegenhaus hinauf zum obersten, etwas niedrigeren Stockwerk, überrascht nicht nur die freie Sicht auf das Fördergerüst. Ein frei gelassener Deckenausschnitt erlaubt auch den ungehinderten Blick auf die untere Ausstellungsetage, wo Videos über die Bergbauregion zu sehen sind. Wegen dieser spannenden Blickbezüge ist die Raumgestaltung des zweiten Obergeschosses am überzeugendsten gelungen.

Bergbauatmosphäre atmen

Für die Kuratoren stellt sich die Frage, wie man am besten Ausstellungen zwischen den rauen Sichtbetonwänden konzipiert. Offenbar ist die widerständige Materialität der Betonwände bestens geeignet, um die Industriearchäologie des Ruhrgebiets zu zeigen. So sieht man hier nicht nur ein blank geputztes Goggomobil, ein niedliches Wirtschaftswunder auf vier Rädern, sondern auch ein monströses Schaltwerk aus dem Steinkohlenabbau im rheinischen Hückelhoven. Heutzutage bedarf es allerdings einer modernen Projektionsleinwand, um verfolgen zu können, wie das Schaltwerk funktioniert – wie es Kohlenförderung, Pumpen und Belüftung regelt. Die Atmosphäre von Bergbau und Industrialisierung, die für die jüngere Ruhrgebietsgeneration keineswegs mehr eine alltägliche Erfahrung bildet, ist hier sinnlich wahrnehmbar. Im Erdgeschoss, wo der reguläre Parcours endet, befindet sich ein kleinerer Raum für die Dauerausstellung – die St. Barbara-Sammlung des Esseners Rolfroderich Nemitz, der zu Ehren der Schutzpatronin der Bergleute Kunstwerke zusammentrug, die besonders die Freunde des Bergbaus interessieren dürften.

Museumsdirektor Rainer Slotta ist sichtlich stolz über den gelungenen Neubau, der weit über den vorgelagerten Europaplatz hinweg sichtbar ist. Kürzlich weihte man die neuen Räume mit einer Ausstellung über den Steinkohlenbergbau nach 1945 ein, es folgen Präsentationen über den Kupferbergbau der Anden und die Alabastersteinbrüche der Königin von Saba. Slottas letzte Errungenschaft: Auch das «Visitors Center» im Altbau, das über die Aktivitäten von «Ruhr 2010» informiert, ist jetzt fertig gestellt worden.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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