Bauwerk
Verwaltungsgebäude Karl Köhler
wittfoht architekten bda - Besigheim (D) - 2015
Wenn der Bauherr selber baut
Das vorhandene Gebäude des Bauunternehmens Karl Köhler wurde im Laufe der Zeit zu klein — eine Erweiterung musste her. Nun hätte man einfach möglichst schnell und möglichst günstig einen Standardbau errichten können. Glücklicherweise haben sich die Bauherren aber gegen diesen einfachen Weg entschieden: Das Ergebnis ist eine gebaute Visitenkarte aus Beton – und arbeiten kann man darin auch.
5. Dezember 2016 - Anke Lieschke
Rund 25 km nördlich von Stuttgart liegt Besigheim, eine beschauliche Kleinstadt mit knapp 12 000 Einwohnern. Der Ort liegt an der Württemberger Weinstraße und der Südroute der Deutschen Fachwerkstraße. Die Hänge an Neckar und Enz sind eine wichtige Weinlage der Region. Ebenfalls sehr beliebt sind die Hessigheimer Felsengärten. Auf genau diese schaut man aus den Fenstern des Bauunternehmens Karl Köhler, das am Rande Besigheims direkt am Neckar liegt. Nähert man sich dem Grundstück sieht man von Weitem schon die Felsengärten, aber auch Fahrzeuge und einen Baukran, die eindeutige Indizien für ein Bauunternehmen sind. In diesem Umfeld rechnet man nicht unbedingt mit einem Sichtbeton-Bau mit vielen Details und Raffinessen – dennoch wirkt das Gebäude nicht fremd, sondern steht selbstbewusst und selbstverständlich da.
Die Firma wurde 1923 von Karl Köhler gegründet und wird heute in dritter Generation von den Brüdern Karl und Horst Köhler geführt. Das Leistungsspektrum reicht vom Industrie- und Gewerbebau über den Wohnungsbau bis hin zum Ingenieurbau. Horst Köhler vergleicht die Palette mit dem Sortiment einer Bäckerei: »Wir als Rohbauer machen alles, von Schwarzbrot bis zu süßen Stückle.« Qualitativ hochwertig ausgeführter Sichtbeton hat sich mit den Jahren zu einer ihrer Spezialitäten entwickelt. Denn warum auch immer – wirklich gut ausgeführte Sichtbetonbauten sind in Deutschland leider immer noch eine Rarität. Karl Köhler scheint das aber gut zu gelingen, daher stammen Rohbau und Fassade des Neubaus selbstverständlich aus Bauherrn-Hand. Wie beim gesamten Bauvorhaben wählten die Bauherren ihren eigenen, nicht immer einfachen Weg. Statt einen befreundeten Architekten direkt zu beauftragen, lobten sie einen Wettbewerb mit sechs gesetzten Teilnehmern aus. Zur Jury gehörten neben den Geschäftsführern auch die Architekten Michael Kerker und Alexander Brenner sowie Andreas Janssen vom Stadtbauamt Besigheim. So hatte man technisches und gestalterisches Know-how und gleichzeitig auch schon einen Vertreter der Stadt mit im Boot. Die Jury entschied sich einstimmig für den Wettbewerbsentwurf von Wittfoht Architekten aus Stuttgart. Sieht man das Entwurfsmodell und den fertigen Bau, muss man schon genau hinschauen, um Unterschiede zu entdecken, so nah liegen Entwurf und Realisierung beieinander.
Schlichte Kubatur mit Raffinessen
Zweigeschossig scheint der Baukörper leicht über dem Grundstück zu schweben. Für diese Leichtigkeit sorgt eine deutliche Fuge zwischen Tiefgarage im UG und den beiden Bürogeschossen. Klare Kanten entstehen zum einen durch diesen Abstand und zum anderen durch die saubere Attika, die ohne störende Abdeckungen auskommt – dank des freiwilligen Verzichts auf die Einhaltung der DIN-Norm zugunsten der Gestaltung. An den großen Fenstern lässt sich das Gebäuderaster leicht ablesen. Die Laibungen der Fenster sind jeweils zu einer Seite hin abgeschrägt, sodass der Blick Richtung Felsengärten bzw. Neckar und Weinberge erweitert wird. Auf den ersten Blick fallen solche Feinheiten kaum auf, doch sind es gerade diese kleinen Details, die den Charme und die Qualität des Verwaltungsbaus ausmachen. Kiste ist eben nicht gleich Kiste.
Getragen wird das Gebäude vom regelmäßigen Stützenraster an den Außenkanten.
Unterzugsfreie Flachdecken und wenige innenliegende Kernwände tragen zur Aussteifung bei. Die Fassade ist als Außenschale vor dem Gebäude schwimmend gelagert und ohne Fugen ausgeführt, was den monolithischen Charakter unterstreicht. Die Oberflächen entsprechen der höchsten Sichtbetonklasse SB 4.
Damit keine Fallrohre die Außenansicht stören, sind die Gesimse mit einem leichten Innengefälle ausgestattet. Dies verhindert außerdem, dass stehendes Wasser an der Fassade herunterläuft und die Oberfläche beeinträchtigt. Um diese Gefälle auszubilden wurden die Schalungsabschnitte so gewählt, dass die Oberkanten der Gesimse die Oberkante des jeweiligen Abschnitts bilden.
Eines der zahlreichen Details findet sich auch direkt am Haupteingang: Tagsüber setzt sich des leicht stilisierte Firmenlogo in Sichtbeton dezent ab, abends bringen 7189 Lichtleitfasern unterschiedlicher Dicke das Logo im Betonfertigteil zum Leuchten. Wie auch im übrigen Gebäude wirkt dieser Effekt qualitativ hochwertig, aber nicht protzig, wie Bauherr und Architekt betonen. Gerade für ein schwäbisches mittelständisches Familienunternehmen scheint dieser Spagat zwischen hochwertiger Ausführung und Bescheidenheit sehr wichtig zu sein und ist hier durchaus geglückt. Dazu trägt auch die reduzierte Materialwahl aus Beton, Eiche und Crailsheimer Muschelkalk bei. Letzter kam im EG als Bodenbelag sowie für die Treppe am Haupteingang zum Einsatz. Damit sich der Ton des Muschelkalks nicht mit dem Sichtbeton beißt, erhielt der Fassadenbeton einen Zuschlag aus gemahlenem Muschelkalk.
Auf der Dachterrasse, die nur einen Teil der ansonsten extensiv begrünten Dachfläche einnimmt, bildet eine Pergola einen definierten Raum. Solche reinen »Gestaltungsentscheidungen« kommen heutzutage immer weniger vor. Was nicht unbedingt nötig ist, wird oftmals gestrichen. Eine weitere Überraschung erlebte Projektleiter Thomas Kindsvater bei der Planung dieser Pergola: »Im ersten Entwurf hatten wir mehr Stützen vorgesehen. Die Tragwerksplaner meinten dann, das ginge auch mit nur vier Stützen. Da haben wir natürlich nicht nein gesagt.«
Konsequente Materialwahl
Im Innern setzen sich die klare Formensprache und die Reduzierung auf wenig Material fort. Als Besonderheit wurden hier die Außenseite der Kerne gespitzt, also steinmetzmäßig bearbeitet. Dieses Beschlagen bringt eine völlig andere Oberfläche zum Vorschein, zudem sorgt ein Jura-Zuschlag im Beton für eine wärmere Atmosphäre als zuschlagsfreier Beton. Damit die Farbigkeit in jedem Betonierabschnitt gleich ist, musste u.a. sichergestellt werden, dass die Betonsilos jedes Mal gereinigt wurden und keine fremden Zuschläge in die Mischung gelangten.
Für die Schalungslöcher hat der Rohbauer Konen aus exakt der gleichen Mischung gegossen. Durch das Spitzen sind die Übergänge von Fläche und Zylinder kaum erkennbar. Die Innenseite der Kerne, z.B. die Treppenhauswände oder die Nebenräume, sind unbearbeitet glatt. Den Mittelpunkt des Gebäudes bildet ein zweigeschossiges Foyer, das über Oberlichter vom Dach großzügig belichtet wird. Mit schweren Vorhängen kann das Foyer vom Rest des EGs abgeteilt und beispielsweise für Veranstaltungen genutzt werden. Die Akustik ist dank der gespitzten Betonoberflächen, einer Holzlamellendecke und den Vorhängen angenehm. Um das Foyer herum sind die Arbeitsplätze in Zweibüros angeordnet. Lediglich die Geschäftsführer haben etwas mehr Raum zur Verfügung, was auch in der Fassade als einzige größere Fenster ablesbar ist. Die Büros sind ähnlich konsequent gestaltet wie der gesamte Bau: Betonwände, Fußboden und Fensterprofile aus Eiche, Glastrennwände zum Flur. Durch halbhohe Regale an den Schreibtischseiten bleibt Privatsphäre trotz der Glaswände gewahrt. Eine kleine Hommage an das Tätigkeitsfeld der Firma sind die Kleiderhaken im Einbauschrank: Hier hängt die Jacke an einem Stück Bewehrungsstahl. Akustikpaneele sorgen für Ruhe und ein wenig Farbe. Die Dämmebene ist innenseitig mit Eichenholzblindstützen verblendet, in denen auch die EDV-Unterverteiler sowie die Frischluftnachströmung integriert sind. Als eines der ersten Sichtbetonobjekte wird das Gebäude über eine oberflächennahe Betonkernaktivierung temperiert. Die vorgefertigten Kunststoffrohre liegen nur wenige Zentimeter über der Deckenunterseite, wodurch kurze Reaktionszeiten und eine unmittelbare Wirkung gewährleistet sind. Die Masse des Betons trägt ebenfalls zum guten Klima bei. Durch die Nutzung von Geothermie wird der geforderte EnEV-Wert um 20 % unterschritten.
Enge Abstimmung von Anfang an
Auch hier zeigt sich der Vorteil, wenn der Rohbauer schon früh in die Planung eingebunden wird. Laut Köhler kommen die ausführenden Gewerke meist viel zu spät dazu, sodass manche Dinge gar nicht mehr umgesetzt werden können, obwohl sie prinzipiell möglich wären. Bei diesem Projekt wäre vermutlich diese Variante der Kühlung kaum realisiert worden, wenn der ausführende Betrieb nicht gleichzeitig der Bauherr gewesen wäre.
Ein weiteres Detail, das bereits frühzeitig in der Planung und v.a. beim Bau berücksichtigt werden musste sind die Brandschutztüren, die an beiden Seiten des Treppenhauses zwischen EG und OG die Brandabschnitte trennen. Im Normalfall sind diese Türen um 180 ° geöffnet, dank der Eichen-Oberfläche passen sie ins Gesamtkonzept und fallen nicht weiter auf. Schließen sich die Türen, werden die exakten Aussparungen im Beton für die Türblätter und deren Beschläge sichtbar, sodass die Türen im geöffneten Zustand bündig mit der Wand sind – kleiner Eingriff mit großer Wirkung. So sind nahezu alle Elemente integriert, lediglich die Leuchten sind additiv.
Einen kleinen Wermutstropfen bildet die Fassade des Bestandsgebäudes, das im Zuge des Neubaus ebenfalls modernisiert wurde. Es wurde neu gedämmt und erhielt u. a. den gleichen Eichenfußboden wie der Neubau, sodass der Bodenbelag eine nahtlose Verbindung bildet. Wie schon vor der Sanierung sollte die Fassade zweigeteilt sein.
Durch die Leichtbauweise kam eine Betonfassade nicht infrage, daher entschied man sich für eine Holzbekleidung im OG und Klinker im EG. Die Holzpaneele passen gut zum Neubau, während die Klinkerfassade etwas fehl am Platz wirkt. Die Entscheidung für das gewohnte Material ist anderseits verständlich und bei allem Einsatz und Engagement sicher auch eine Kostenfrage – bitte nicht protzen. Dass es nicht überall funkeln muss und an manchen Stellen eben auch geringe Betonqualitäten ausreichen, zeigt z.B. das Fluchttreppenhaus, das durch Absturzsicherungen aus Draht und Betonfertigteilen einen etwas raueren Charakter als das restliche Gebäude hat.
Insgesamt wirkt der Neubau trotz der Details und Sonderlösungen angemessen und maßhaltig. Diese begehbare Visitenkarte ist wohl das Gegenteil von Investorenarchitektur, in der die Planer, Bauherren und Ausführenden nur selten Hand in Hand arbeiten. Gefragt, in welche Backwarenkategorie dieses Gebäude fällt, antwortet Horst Köhler übrigens nicht ohne Stolz auf das gelungene Projekt: »Torte«.
Die Firma wurde 1923 von Karl Köhler gegründet und wird heute in dritter Generation von den Brüdern Karl und Horst Köhler geführt. Das Leistungsspektrum reicht vom Industrie- und Gewerbebau über den Wohnungsbau bis hin zum Ingenieurbau. Horst Köhler vergleicht die Palette mit dem Sortiment einer Bäckerei: »Wir als Rohbauer machen alles, von Schwarzbrot bis zu süßen Stückle.« Qualitativ hochwertig ausgeführter Sichtbeton hat sich mit den Jahren zu einer ihrer Spezialitäten entwickelt. Denn warum auch immer – wirklich gut ausgeführte Sichtbetonbauten sind in Deutschland leider immer noch eine Rarität. Karl Köhler scheint das aber gut zu gelingen, daher stammen Rohbau und Fassade des Neubaus selbstverständlich aus Bauherrn-Hand. Wie beim gesamten Bauvorhaben wählten die Bauherren ihren eigenen, nicht immer einfachen Weg. Statt einen befreundeten Architekten direkt zu beauftragen, lobten sie einen Wettbewerb mit sechs gesetzten Teilnehmern aus. Zur Jury gehörten neben den Geschäftsführern auch die Architekten Michael Kerker und Alexander Brenner sowie Andreas Janssen vom Stadtbauamt Besigheim. So hatte man technisches und gestalterisches Know-how und gleichzeitig auch schon einen Vertreter der Stadt mit im Boot. Die Jury entschied sich einstimmig für den Wettbewerbsentwurf von Wittfoht Architekten aus Stuttgart. Sieht man das Entwurfsmodell und den fertigen Bau, muss man schon genau hinschauen, um Unterschiede zu entdecken, so nah liegen Entwurf und Realisierung beieinander.
Schlichte Kubatur mit Raffinessen
Zweigeschossig scheint der Baukörper leicht über dem Grundstück zu schweben. Für diese Leichtigkeit sorgt eine deutliche Fuge zwischen Tiefgarage im UG und den beiden Bürogeschossen. Klare Kanten entstehen zum einen durch diesen Abstand und zum anderen durch die saubere Attika, die ohne störende Abdeckungen auskommt – dank des freiwilligen Verzichts auf die Einhaltung der DIN-Norm zugunsten der Gestaltung. An den großen Fenstern lässt sich das Gebäuderaster leicht ablesen. Die Laibungen der Fenster sind jeweils zu einer Seite hin abgeschrägt, sodass der Blick Richtung Felsengärten bzw. Neckar und Weinberge erweitert wird. Auf den ersten Blick fallen solche Feinheiten kaum auf, doch sind es gerade diese kleinen Details, die den Charme und die Qualität des Verwaltungsbaus ausmachen. Kiste ist eben nicht gleich Kiste.
Getragen wird das Gebäude vom regelmäßigen Stützenraster an den Außenkanten.
Unterzugsfreie Flachdecken und wenige innenliegende Kernwände tragen zur Aussteifung bei. Die Fassade ist als Außenschale vor dem Gebäude schwimmend gelagert und ohne Fugen ausgeführt, was den monolithischen Charakter unterstreicht. Die Oberflächen entsprechen der höchsten Sichtbetonklasse SB 4.
Damit keine Fallrohre die Außenansicht stören, sind die Gesimse mit einem leichten Innengefälle ausgestattet. Dies verhindert außerdem, dass stehendes Wasser an der Fassade herunterläuft und die Oberfläche beeinträchtigt. Um diese Gefälle auszubilden wurden die Schalungsabschnitte so gewählt, dass die Oberkanten der Gesimse die Oberkante des jeweiligen Abschnitts bilden.
Eines der zahlreichen Details findet sich auch direkt am Haupteingang: Tagsüber setzt sich des leicht stilisierte Firmenlogo in Sichtbeton dezent ab, abends bringen 7189 Lichtleitfasern unterschiedlicher Dicke das Logo im Betonfertigteil zum Leuchten. Wie auch im übrigen Gebäude wirkt dieser Effekt qualitativ hochwertig, aber nicht protzig, wie Bauherr und Architekt betonen. Gerade für ein schwäbisches mittelständisches Familienunternehmen scheint dieser Spagat zwischen hochwertiger Ausführung und Bescheidenheit sehr wichtig zu sein und ist hier durchaus geglückt. Dazu trägt auch die reduzierte Materialwahl aus Beton, Eiche und Crailsheimer Muschelkalk bei. Letzter kam im EG als Bodenbelag sowie für die Treppe am Haupteingang zum Einsatz. Damit sich der Ton des Muschelkalks nicht mit dem Sichtbeton beißt, erhielt der Fassadenbeton einen Zuschlag aus gemahlenem Muschelkalk.
Auf der Dachterrasse, die nur einen Teil der ansonsten extensiv begrünten Dachfläche einnimmt, bildet eine Pergola einen definierten Raum. Solche reinen »Gestaltungsentscheidungen« kommen heutzutage immer weniger vor. Was nicht unbedingt nötig ist, wird oftmals gestrichen. Eine weitere Überraschung erlebte Projektleiter Thomas Kindsvater bei der Planung dieser Pergola: »Im ersten Entwurf hatten wir mehr Stützen vorgesehen. Die Tragwerksplaner meinten dann, das ginge auch mit nur vier Stützen. Da haben wir natürlich nicht nein gesagt.«
Konsequente Materialwahl
Im Innern setzen sich die klare Formensprache und die Reduzierung auf wenig Material fort. Als Besonderheit wurden hier die Außenseite der Kerne gespitzt, also steinmetzmäßig bearbeitet. Dieses Beschlagen bringt eine völlig andere Oberfläche zum Vorschein, zudem sorgt ein Jura-Zuschlag im Beton für eine wärmere Atmosphäre als zuschlagsfreier Beton. Damit die Farbigkeit in jedem Betonierabschnitt gleich ist, musste u.a. sichergestellt werden, dass die Betonsilos jedes Mal gereinigt wurden und keine fremden Zuschläge in die Mischung gelangten.
Für die Schalungslöcher hat der Rohbauer Konen aus exakt der gleichen Mischung gegossen. Durch das Spitzen sind die Übergänge von Fläche und Zylinder kaum erkennbar. Die Innenseite der Kerne, z.B. die Treppenhauswände oder die Nebenräume, sind unbearbeitet glatt. Den Mittelpunkt des Gebäudes bildet ein zweigeschossiges Foyer, das über Oberlichter vom Dach großzügig belichtet wird. Mit schweren Vorhängen kann das Foyer vom Rest des EGs abgeteilt und beispielsweise für Veranstaltungen genutzt werden. Die Akustik ist dank der gespitzten Betonoberflächen, einer Holzlamellendecke und den Vorhängen angenehm. Um das Foyer herum sind die Arbeitsplätze in Zweibüros angeordnet. Lediglich die Geschäftsführer haben etwas mehr Raum zur Verfügung, was auch in der Fassade als einzige größere Fenster ablesbar ist. Die Büros sind ähnlich konsequent gestaltet wie der gesamte Bau: Betonwände, Fußboden und Fensterprofile aus Eiche, Glastrennwände zum Flur. Durch halbhohe Regale an den Schreibtischseiten bleibt Privatsphäre trotz der Glaswände gewahrt. Eine kleine Hommage an das Tätigkeitsfeld der Firma sind die Kleiderhaken im Einbauschrank: Hier hängt die Jacke an einem Stück Bewehrungsstahl. Akustikpaneele sorgen für Ruhe und ein wenig Farbe. Die Dämmebene ist innenseitig mit Eichenholzblindstützen verblendet, in denen auch die EDV-Unterverteiler sowie die Frischluftnachströmung integriert sind. Als eines der ersten Sichtbetonobjekte wird das Gebäude über eine oberflächennahe Betonkernaktivierung temperiert. Die vorgefertigten Kunststoffrohre liegen nur wenige Zentimeter über der Deckenunterseite, wodurch kurze Reaktionszeiten und eine unmittelbare Wirkung gewährleistet sind. Die Masse des Betons trägt ebenfalls zum guten Klima bei. Durch die Nutzung von Geothermie wird der geforderte EnEV-Wert um 20 % unterschritten.
Enge Abstimmung von Anfang an
Auch hier zeigt sich der Vorteil, wenn der Rohbauer schon früh in die Planung eingebunden wird. Laut Köhler kommen die ausführenden Gewerke meist viel zu spät dazu, sodass manche Dinge gar nicht mehr umgesetzt werden können, obwohl sie prinzipiell möglich wären. Bei diesem Projekt wäre vermutlich diese Variante der Kühlung kaum realisiert worden, wenn der ausführende Betrieb nicht gleichzeitig der Bauherr gewesen wäre.
Ein weiteres Detail, das bereits frühzeitig in der Planung und v.a. beim Bau berücksichtigt werden musste sind die Brandschutztüren, die an beiden Seiten des Treppenhauses zwischen EG und OG die Brandabschnitte trennen. Im Normalfall sind diese Türen um 180 ° geöffnet, dank der Eichen-Oberfläche passen sie ins Gesamtkonzept und fallen nicht weiter auf. Schließen sich die Türen, werden die exakten Aussparungen im Beton für die Türblätter und deren Beschläge sichtbar, sodass die Türen im geöffneten Zustand bündig mit der Wand sind – kleiner Eingriff mit großer Wirkung. So sind nahezu alle Elemente integriert, lediglich die Leuchten sind additiv.
Einen kleinen Wermutstropfen bildet die Fassade des Bestandsgebäudes, das im Zuge des Neubaus ebenfalls modernisiert wurde. Es wurde neu gedämmt und erhielt u. a. den gleichen Eichenfußboden wie der Neubau, sodass der Bodenbelag eine nahtlose Verbindung bildet. Wie schon vor der Sanierung sollte die Fassade zweigeteilt sein.
Durch die Leichtbauweise kam eine Betonfassade nicht infrage, daher entschied man sich für eine Holzbekleidung im OG und Klinker im EG. Die Holzpaneele passen gut zum Neubau, während die Klinkerfassade etwas fehl am Platz wirkt. Die Entscheidung für das gewohnte Material ist anderseits verständlich und bei allem Einsatz und Engagement sicher auch eine Kostenfrage – bitte nicht protzen. Dass es nicht überall funkeln muss und an manchen Stellen eben auch geringe Betonqualitäten ausreichen, zeigt z.B. das Fluchttreppenhaus, das durch Absturzsicherungen aus Draht und Betonfertigteilen einen etwas raueren Charakter als das restliche Gebäude hat.
Insgesamt wirkt der Neubau trotz der Details und Sonderlösungen angemessen und maßhaltig. Diese begehbare Visitenkarte ist wohl das Gegenteil von Investorenarchitektur, in der die Planer, Bauherren und Ausführenden nur selten Hand in Hand arbeiten. Gefragt, in welche Backwarenkategorie dieses Gebäude fällt, antwortet Horst Köhler übrigens nicht ohne Stolz auf das gelungene Projekt: »Torte«.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel