Bauwerk

Haus St. Peter in der Au
Bogenfeld Architektur - St. Peter/Au (A) - 2016
Haus St. Peter in der Au, Foto: Violetta Wakolbinger
Haus St. Peter in der Au, Foto: Violetta Wakolbinger
28. September 2017 - ORTE
Einer jungen Familie setzten bogenfeld Architektur ein smartes, langes Haus aus Holz auf ein idyllisches Grundstück. Es ist so geplant, dass man es künftig auch teilen könnte.

Die Großmutter von Bauherrin Andrea P. war eine weise Frau: Sie kaufte ein Grundstück am nördlichen Ortsrand von St. Peter in der Au und gab es nicht mehr her. Die Parzelle hat ihre ganz eigene Aura. Früher hatte sich hier nämlich der Pfarrhof befunden. Neben seinem alten Tor errichtete sie einen kleinen, urigen Holzschuppen, im Westen grenzt ein altes Herrenhaus an. Im Norden an der Straße schirmte eine Reihe hoher Tannen die Parzelle wunderbar ab. Sie war als Bauland gewidmet.
Die Enkelin wuchs in Stadt Haag auf, wo sie mit ihrem Mann zufrieden in einer modernen Wohnung lebte. Dann kam ihr erster Sohn Viktor zur Welt und eroberte mit frischem Bewegungsdrang die Umgebung. Seine Eltern begannen darüber nachzudenken, ihren Lebensmittelpunkt in ein grünes Umfeld zu verlegen. Grundstücke in und um Haag waren kaum verfügbar, von der Größe der großmütterlichen Parzelle ganz zu schweigen. So wurde St. Peter an der Au wieder attraktiv. Ihr Grundstück liegt heute in einer neu parzellierten Siedlung: Das Einfamilienhaus gegenüber frönt einem kubistischen Stil mit Flachdach, die anderen haben mehrheitlich ausladende Krüppelwalmdächer.
Die Bauherren gingen bedächtig vor. Manfred P. beschäftigte sich intensiv mit Architektur. „Die Vorarlberger Holzbauten habe ich bewundert.“ Gemeinsam fuhren sie auf Baustellen, nahmen an geführten Touren zu ausgesuchten Häusern teil und absolvierten einen Lehrgang zum „Bauen mit der Sonne.“ Sie erfuhren, wie wichtig die richtige Orientierung eines Baukörpers für den Sonneneintrag und die Energieersparnis ist, konnten mit ihrem neuen Wissen aber auch das angedachte Vorhaben eines Passivhauses gelassen ad acta legen. Je mehr Architektur sie vor Ort erlebten, umso klarer zeigte sich eine Präferenz für Holz. „In Holzhäusern haben wir uns auf Anhieb wohlgefühlt.“ Außerdem wollten sie ihr Grundstück keinesfalls zu stark verbauen: Am besten, es bliebe teilbar. Zuerst wandte sich der Bauherr an den jungen Vorarlberger Architekten Bernardo Bader. Sein Werk zeichnet sich durch klare Konzepte, konsequente Reduktion und durchdachte Details aus. Bader lehnte höflich ab: Die Distanz zwischen St. Peter und Dornbirn war ihm zu groß, um die Baustelle mit gebührender Sorgfalt überwachen zu können.
Die Bauherren fragten bei bogenfeld Architektur aus Linz an, deren sensibler Umbau eines Hausruckhofes für drei Generationen und Nominierung zum Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2014 ihnen nicht entgangen war. Schließ­lich wollten sie mit ihrem Haus auch den niederösterreichischen Holzbaupreis gewinnen. bogenfeld kamen. „Wir sind durch diese Siedlungsgasse voller Neubauten gefahren und waren ziemlich verzagt: Was sollen wir da machen?“, erinnert sich Birgit Kornmüller von bogenfeld. „Dann landeten wir bei diesem wunderschönen Grundstück, lernten die Bauherren kennen und wussten: Da gibt es schon eine ganz, ganz gute Basis.“

Gleitendes Langhaus

Die Architekten ließen Ort und Briefing auf sich wirken und zogen sich zum Entwerfen zurück. Dort kam ihnen die Idee mit dem großen, steilen Dach und dem weiten Schopf. „Es ist perfekt: Es spendet Schatten, schützt die Fassade und man kann gut draußen sitzen, das war ihnen wichtig.“ Die Bauherren sahen den Entwurf und waren von Anfang an dabei – obwohl die Architekten das Haus fast in die Mitte des Grundstücks setzten: Eindeutig der beste Ort. Und notfalls immer noch teilbar. Während der Planung kündigte sich der kleine Kaspar an: Er hat jetzt unterm Dach sein Extra-­Kinderzimmer.
Knapp zehn Meter breit, fast 24 Meter lang, gleitet das Haus auf einer Fundamentplatte souverän, elegant und luftig von Ost nach West über die Wiese. Als Keller dient der alte Schuppen aus Holz.
Den Nachbarn zuliebe fällte man die Bäume an der Straße: Der Aushub des Fundaments bildet hier nun einen Erdwall, der mit Gras und – auf der gartenseitigen Hügelkuppe – mit Nutzpflanzen bewachsen ist. Von der Straße aus sieht man das steile, anthrazitgraue Dach über einem schmalen Fassadenstreifen auf der Rasennarbe schweben: Das wirkt wie ein Stück Land Art.
Im Norden hat das Haus nur ein Fenster, dafür eine breite Nische aus hellem, geöltem Lärchenholz: In diesem weich und warm in die dunkle Außenfassade eingekerbten, witterungsgeschützten Raum steht auf dem Fundament ein einladender Holztisch mit drei Sesseln. Hier kann man gut ankommen, bewusst eintreten oder sich beim Abschied noch Zeit lassen.
Die Außenfassade ist aus vertikalen Fichtenlatten: Sie sind eigens mit dem Sä­geblatt geschwadert und mit dunkelbrauner Lasur eingelassen, dadurch schimmert die Maserung sehr schön. „Manchmal sieht das aus wie ein glänzendes Pferdefell“, sagt der Bauherr begeistert, der mit Familie und Freunden jedes Brett selbst gestrichen hat. Außerdem lassen sich die dunklen Latten unauffällig austauschen, wenn eine schadhaft ist.
Man betritt das Haus durch die Tür in der Nische und wird von einer Garderobe nach Maß empfangen: Im Fenster zur Landschaft kann man bequem Schuhe ausziehen oder Taschen abladen. Gegen­über ist in den Sichtbetonkern, der ein WC und die Speisekammer beherbergt, ein Waschbecken mit sehr schönen Fliesen eingelassen. Der zweite Sichtbetonkern liegt hinter der Wohnküche in der Mitte: In ihm stecken Waschküche und Treppe. Davor – am östlichen Ende des Hauses, direkt an der Morgensonne – hat sich der Bauherr im Technikraum einen Arbeitsplatz eingerichtet.

Wohnen unterm Dach

Beide Stahlbetonkerne sind statisch notwendig, wirken mit dem Fundament als Speichermasse und ermöglichen, dass man das Haus spä­ter auch in zwei autonome Einheiten teilen könnte. „Wir sehen das Wohnen immer temporär: Kinder wachsen, Menschen werden älter, ein Haus sollte mehr aushalten als nur eine Bespielung“, sagt Birgit Kornmüller von bogenfeld. Die Architekten planten auch das Interieur: Alle Schränke haben horizontal verlaufende, liegende Deckbretter, selbst die Küche ist – bis auf die Arbeitsplatte aus dunklem, indischem Stein – aus Holz. Im frei stehenden Herdblock ist am Eck ein Sitzplatz ausgespart, der von beiden Söhnen eifrig genutzt wird. Innovation passiert hier ganz beiläufig: Noch nie hatte der Tischler aus Dreischichtplatten aus Fichte Maßmö­bel gefertigt – es funktionierte wunderbar. Die Küche ist mit einer raumhohen Glasfassade nach Süden zum Garten orientiert, zwei Türen führen direkt auf die umlaufende Terrasse. Runde, mit Büffelwachs eingelassene Stahlstützen lassen die Glasfront transparent und filigran wirken, auf dem Umgang sorgt das steile, vorgezogene Satteldach für Geborgenheit und Schatten. Im Westen ragt es als groß­zügiger Schopf 4,80 Meter weit vor: Hier geht der über Eck verglaste Wohnbereich direkt auf die witterungsgeschützte Terrasse über. Wieder tragen zarte, runde Stützen aus verzinktem Stahl die weit vorstehende Dachkonstruktion. Breite Fensterbretter und eine Bank, die auch Stauraum ist, bieten sich als Sitzmöglichkeiten an. Hier kann man entspannt die Seele baumeln lassen, die Obstbäume betrachten und den Vögeln lauschen. Mehr als die Hälfte des Wohnraums ragt bis zum First und wirkt so extrem großzügig.
Die Galerie, die als Verlängerung des Spielflurs bis ans Ende des Hauses vorgezogen ist, macht diese Höhe noch deutlicher spürbar und ermöglicht auch direkte Kommunikation. Mit Oberlichtbändern zwischen Zimmer und Gang, einer über neun Meter langen, durchgehenden Gaube, die von Süden noch Licht und Ausblick hereinholt, sowie einem Elternschlafzimmer an der Morgensonne mit Blick auf den Kirchturm ist auch die Dachebene räumlich sehr anspruchsvoll.
Das Haus wurde bei „best architects 18“ prämiert. Ein gutes Omen für den Niederösterreichischen Holzbaupreis. (Text: Isabella Marboe, erschienen im morgen 4/17)

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: ORTE architekturnetzwerk niederösterreich

Ansprechpartner:in für diese Seite: Heidrun Schlöglbaudatenbank[at]orte-noe.at