Bauwerk

Markthalle
Miller & Maranta - Aarau (CH) - 2002

Wie kommt das Holz in die Stadt?

Gespräch mit Quintus Miller

18. Dezember 2005
Zuschnitt Warum haben Sie sich bei der Markthalle in Aarau für Holz als Baumaterial entschieden? Das ist im Zentrum einer Stadt doch ungewöhnlich?

Quintus Miller Finden Sie das?

Zuschnitt Ja, schon. Finden Sie das nicht?

Quintus Miller Eigentlich nicht, aber für Aarau ist das keine Frage, die so einfach zu beantworten wäre. Die Entscheidung war insgesamt in einen komplexen Prozess eingebettet. Ursprünglich gab es durchaus die Absicht, ein massives Bauwerk zu schaffen. Die Vorgaben des Wettbewerbs forderten allerdings eine leichte Struktur, eigentlich nur ein schützendes Dach. Wir haben uns dann aus städtebaulichen Überlegungen dazu entschlossen, ein Gebäude mit Wänden zu entwerfen. Und weil wir uns in unserer Entwurfsarbeit für unsere menschliche Wahrnehmung interessieren, für die verschiedenen Zustände von Dingen, für ihr Wesen und die möglichen Sichtweisen davon, haben wir etwas gemacht, was zugleich auch etwas anderes ist.

Zuschnitt Wie kann man das verstehen?

Quintus Miller Auf einer Ebene kann das ganz direkt verstanden werden: Das Gebäude ist zugleich offen und geschlossen, die Durchsicht wird durch die Lamellenkonstruktion zugleich gewährt und verwehrt. Aber es gibt natürlich noch weitere Aspekte. Das Gebäude liegt nicht direkt an der Hauptstraße, sondern etwas abseits, im ehemaligen Gewerbeareal. Die Wahl des Materials hat auch mit diesem historischen Kontext zu tun und damit, dass wir die Halle auch als etwas Provisorisches betrachten; nicht im wörtlichen Sinn, aber gedanklich.

Zuschnitt Es geht also um die Tradition des Ortes?

Quintus Miller Ja, aber nicht um die formale Anbiederung an eine Tradition, sondern um die Erinnerungen, die die mittelalterliche Stadt in uns hervorruft. Es geht um die Dinge und Assoziationen, die im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert sind, um eine Art der Vertrautheit, die vielleicht nicht bewusst vorhanden ist, aber bei gewissen Themen mitschwingt. In diesem Fall war das für uns die Erinnerung an Holzgewerbebauten aus dem 18. und 19.Jahrhundert. Diese Vertrautheit wird aufgegriffen und in die Arbeit eingebunden, zugleich findet aber auch die Umkehrung des Vertrauten statt, der Bruch, der das Bauwerk aus der Tradition löst und zu etwas absolut Zeitgemäßem macht.

Zuschnitt Wodurch entsteht dieser Bruch in Aarau?

Quintus Miller Er entsteht durch die Art der Ausführung des Bauwerks, durch seine extrem präzise Form und Umsetzung und natürlich durch die metallisch wirkende Oberfläche. Das hat nichts mehr zu tun mit provisorischen Gewerbeschuppen und entzieht dem Holz in der Wahrnehmung seine Vergänglichkeit. Das Material beinhaltet die Anknüpfung an Vertrautes, an die Wurzeln eines Ortes. Seine Anwendung und Verarbeitung lassen die formale und konstruktive Tradition jedoch weit hinter sich und stellen das Gebäude ganz deutlich in einen modernen, eigenständigen Zusammenhang.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: zuschnitt

Ansprechpartner:in für diese Seite: Kurt Zweifelzweifel[at]proholz.at

Akteure

Architektur

Tragwerksplanung