Bauwerk

Streckhof mit Schnapsbrennerei
Juri Troy - Weingraben (A) - 2018
Streckhof mit Schnapsbrennerei, Foto: Markus Bstieler

Preisträger Bauherrenpreis 2019

9. November 2019 - newroom
Der burgenländische Hakenhof ist ein organisches Gebilde. Raum um Raum streckt er sich in die Tiefe der schmal-langen Grundstücke – je nachdem über Generationen gediehen. Dort und da wachsen ihm Quertrakte, die den Straßenraum fassen oder das „Hintaus“. In Weingraben, beim großelterlichen Hof, fand man eine besondere Situation vor: Beim Nachbarn liegt die hintere Scheune verdoppelt da. Erst dahinter erstrecken sich malerische Streuobstwiesen, die wiederum zur offenen Landschaft vermitteln. Von dieser Konstellation ließ man sich beim eigenen Wochenenddomizil inspirieren, das als zweigeschossige Neuninterpretation dieses Typus gelingt. Vieles an diesem Projekt ist mustergültig – mitunter, dass der oft fatale Wunsch des Städters, auf dem Land Ruhe zu finden, ein „Häusl mit Ausblick“ zu errichten, diesmal mehr als gut ausgeht. Die Hausherrin war sensibilisiert für das Alte, stammt aus dem Dorf, ihr Mann bringt aus Vorarlberg den Architekten mit. Der ist wesentlich dafür verantwortlich, Lebens-Wünsche zu konkretisieren, ohne Kapriolen zu schlagen. Kein Wunder geriet man doch gemeinsam ins Schwärmen über die gekalkten Wände der umgbenden Baukultur. Hier wollte man sich einfügen. Die angrenzende Scheune verhalf dabei zur zündenden Idee: einem Weiterbauen ohne Anbiederung. Ziegelwand, Ausfachung, Ziegelwand – dieser karge, doch poetische Rhythmus wird übernommen und setzt sich in der Organisation des neuen Grundrisses fort: Raum, Treppe, Raum, ein Dreitakter zwischen halbmeterdicken Mauerklammern, die umlaufend Stauraum bieten und Loggien als dienstbare Pufferräume ausbilden. In diesen Mauerzug wurde eine Massivholzstruktur eingesetzt. Oben zieht man sich zurück, ganz oben, im Spitzboden, blickt man über die Dächer. Ein Leben am Rande zur Natur, ermöglicht durch die Fortschreibung der dörflichen Textur, die zeitgemäße Aneignung einer landwirtschaftlichen Typologie. Entstanden ist ein strenges und ebenso sympathisches, beidseitig durchlässiges Wohnhaus mit optimiertem Zuschnitt für eine junge Familie. Darüber hinaus ein Lehrbeispiel, welch ungehobenen und anregenden Schatz alte Formen noch heute böten – und dabei doch so viel Raum zur Anverwandlung. Dass Idylle Realität werden kann ohne falschen Schein, aus dem uneitlen Zusammenspiel von Geschichte und Gegenwart – gibt es ein gewichtigeres Argument für dieses Projekt? Vielleicht nur jenes, dass man sich einig darin war, hier am liebsten gleich das ganze Wochenende zu verweilen. (Jurytext Bauherrenpreis 2019)

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: newroom

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at