Bauwerk

Wohnen am Hauptplatz
Dietmar Gasser - Pinkafeld (A) - 2020
Wohnen am Hauptplatz, Foto: Gábor Máté
Wohnen am Hauptplatz, Foto: Gábor Máté
10. Januar 2024 - ARCHITEKTUR RAUMBURGENLAND
Im Jahr 1532 wurde das Pinkatal von den türkischen Scharen Suleimans überschwemmt, wodurch Pinkafeld dem Erdboden gleichgemacht wurde. Sofort begannen die Einwohner mit dem Wiederaufbau der Stadt. Der neue Standort wurde vom Hange des Pielfeldes am rechten Ufer der Pinka auf das linke Ufer verlegt, wo sich angeblich ein Nonnenkloster auf einer Anhöhe befand, wie es in der Chronik von Vorau festgehalten ist. Frühzeitig war Pinkafeld aufgrund begrenzter Ländereien dazu gezwungen, sich auf Handwerks- und Gewerbetätigkeiten zu konzentrieren. Die älteste verfügbare historische Karte stammt aus dem Jahre 1852 und stammt vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen. Ebenfalls einsehbar ist eine Vermessungsfeldskizze von etwa 1922 und alle darauf folgenden planlichen Dokumentationen.

Der Hauptplatz präsentiert sich als ein Ensemble von Gebäuden aus dem 16. Jahrhundert. Keines der Gebäude zieht mehr Aufmerksamkeit auf sich als das andere. Alle fügen sich in die Kulisse des Hauptplatzes ein und harmonieren miteinander. Diese Homogenität wird von den Einwohnern geschätzt. Die Bebauung bildet eine weitgehend geschlossene Straßenfront mit einem schmalen langen Innenhof, der von Wirtschaftsgebäuden begrenzt wird, die an die Nachbargrenze gebaut sind. Diese Wirtschaftsgebäude sind in kurze, durch Brandwände gestaffelte Abschnitte unterteilt. Der Innenhof kann offen oder teilweise geschlossen sein und zu den Gärten führen. Ein Beispiel solcher Innenhöfe liegt auf dem Weg von der Lisztgasse zum „Durchgang“ zum Hauptplatz. Seit etwa 2000 hat sich die Nutzung der Gebäude am Hauptplatz radikal verändert. Die gewerbliche Nutzung im Erdgeschoss wurde aufgegeben, während die oberen Stockwerke weiterhin bewohnt wurden. Die Nebengebäude, die den Innenhof bildeten, wurden zu Lagerflächen. Mit der Pensionierung der Betriebsinhaber und den einhergehenden Betriebsschließungen verwaisten die Gebäude zuerst erdgeschossig. Später, mit dem Tod der Eigentümer, verfielen auch die oberen Etagen. Einige Gebäude wurden nach eingehender Überlegung verkauft und erhielten die nötige Renovierung. Trotzdem blieb Leerstand in der Geschäftszone vorherrschend, begünstigt durch den gesellschaftlichen Strukturwandel, der seit 2002 von der Lokalpolitik im Sinne einer gesellschaftlichen Modernisierung unterstützt wird.

Dieses Schicksal widerfuhr auch der gegenständlichen Liegenschaft. Einst kleine Bäckerei, dann Modernisierung durch Errichtung einer neuen, größeren Betriebsstätte in den 70er Jahren auf der zugekauften Nachbarliegenschaft, dann Schließung und darauf folgender Leerstand wie oben beschrieben in genannter Reihenfolge. Die Ausgangslage für das Grundstück war eine alte, massiv geschädigte Bäckerei aus dem 17. Jahrhundert, die teilweise auf Fremdgrund stand, sowie ein geschichtsloses Haus aus den 1970er Jahren mit einer einsturzgefährdeten Betriebsstätte. Durch die Zusammenführung der beiden Grundstücke war eine wohnbauliche Nutzung des Innenhofs unter Einhaltung der Baugesetze möglich. Die gestalterischen Vorgaben beschränkten sich im Wesentlichen auf die Höhenanpassung, während für andere Aspekte keine festen Richtlinien vorgegeben wurden. Die Wahl, die bestehenden Strukturen weitgehend im Einklang mit der Bauaufgabe nachzubilden und dabei ein gewisses Maß an Anonymität in der Fassade des Hauptplatzes zu bewahren, wurde von der oben beschriebenen Sichtweise des Ortes inspiriert. Weitere Überlegungen in der Planung beinhalteten das Abrücken zu einer Grundstücksgrenze, um eine Querlüftung für die Wohnungen zu ermöglichen. Dies dient nicht nur der Belüftung der Räume, sondern gewährleistet auch eine effektive Kühlung im Sommer. Die Staffelung der Baukörper in der Höhe wurde entsprechend der umliegenden Bebauung und der Geländebeschaffenheit sorgfältig geplant. Die Hervorhebung der Achse zwischen dem Hochwechsel und der Pfarrkirche, die klare Darstellung dieser einzigartigen Lage des Gebäudes sowie die Integration von Ornamenten und Strukturen als gestalterische Elemente wurden ebenfalls in die Planung integriert. (Text: Architekt)

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Für den Beitrag verantwortlich: ARCHITEKTUR RAUMBURGENLAND

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