Bauwerk

Masellahütte
Marte.Marte Architekten - Dafins (A) - 2019
Masellahütte, Foto: Faruk Pinjo
Masellahütte, Foto: Faruk Pinjo
1. Mai 2024 - vai
Bergseitig der Kirche in Dafins führt ein gemächlich abfallender Weg erst über Wiesen, dann durch Wälder in Richtung Frödisch, auf die Schattseite des Voralpendorfes. Der Weg wurde in den 1920er-Jahren von der Talgemeinde Sulz angelegt, um im Winter das Holz mit Pferden und Handschlitten zu Tale zu befördern. Nach 1960 lange Zeit durch Abbrüche unwegbar, ist der alte Holzerweg heute wieder intakt und erschließt Teile des reizvollen Naherholungsraumes am Masellarücken.

Auf der Masella – der Name ist die rätoromanische Flurbezeichnung für Wange – bot eine einfache Holzhütte den Flözern und Holzarbeitern einen Ruhe- und Aufwärmort. An der zentralen Feuerstelle mit umlaufender Sitzbank wärmten sich die Arbeiter und stärkten sich mit Gekochtem und Gebranntem. Das schwere Handwerk ist in dieser Form längst Geschichte, doch an die ebenfalls verschwundene Masellahütte erinnert heute eine manifeste, materialhomogene Raumskulptur. In diesem Objekt, das zwischen Kunstinstallation, Memorial und Raststätte oszilliert, gießen Marte Marte das kollektive Gedächtnis einer postagrarischen Gesellschaft in schwere, klare Formen. Sie platzieren es gering auskragend an einer steilen Böschung.

Zwei harte, nahezu unverwüstliche Materialien – Beton und Chromstahl – speichern im abstrahierten Raumansatz die zu verblassen drohende Erinnerung an schneereiche Winter, harten körperlichen Einsatz von Tier und Mensch, Entbehrung und Einfachheit des Lebens. Die Komposition der räumlichen Figur umschreibt eine scheinbar in die Luft gezeichnete Vorstellung der ehemaligen Winterherberge. Analog zu den imaginierten, durch Kälte gestockten Bewegungen fügen sich Fragmente zu einem neuen Ganzen: von der Wandscheibe aus haptischem Stampfbeton und der trogartigen Feuerstelle über die Bodenplatte mit Aussparungen bis zu einem Teil der umlaufenden Sitzbank. Einer der Einschnitte umfasst eine Tanne und integriert sie ins Ensemble. Der Tiefwurzler schraubt das Objekt symbolisch in den Waldboden, er verankert den räumlichen Winkel gewissermaßen mit dem Masellarücken. Der andere Ausschnitt reagiert auf einen schmalen, steilen Waldweg und erleichtert den Einstieg über eine entsprechend kleine Treppe.

Was es sonst noch auf sich hat mit dem Ort und der Masellahütte erfahren die Wanderer im kunstvoll gefertigten Masellabuch – Erläuterungstexte und Fotos sind auf dicke Chromstahlplatten graviert, Ausführung und Detaillierung verleiten zur umsichtigen Handhabung. Die Fotografien illustrieren die damaligen Arbeitsumstände, zeigen Kleider und Leute zu Zeiten prekärer Lebensumstände. Ohne Romantisierung, jedoch in wertschätzendem Ton und mit großem Gespür für die Abstraktion von Form und Inhalt, erzählt der neu definierte Ort seine erinnerungswürdige Geschichte. (Text: Marina Hämmerle)

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Für den Beitrag verantwortlich: Vorarlberger Architektur Institut

Ansprechpartner:in für diese Seite: Verena Konradvk[at]v-a-i.at

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