Bauwerk

Sozialzentrum Zell am Ziller
riccione architekten, Rudolf Palme - Zell am Ziller (A) - 2023
Sozialzentrum Zell am Ziller, Foto: Gregor Graf
Sozialzentrum Zell am Ziller, Foto: Gregor Graf
Die Marktgemeinde Zell am Ziller bildet ein historisches Zentrum. Hier weitet sich das Tal zu einem lichten Kessel, die alten Saumpfade führen nach Osten und Süden. Seit Jahrhunderten verbindet der Gerlospass die westlichste Dekanatspfarre der Erzdiözese Salzburg mit der Bischofsstadt, über das Tuxer Joch wurde das Vieh nach Bozen getrieben, im Austausch gegen Öl, Gewürze und Wein.

Bereits im Jahr 1187 entstand im heutigen Dorfkern das Sankt-Johannes-Spital, um die zahlreichen Pilger und Reisenden zu versorgen. Aus der geschichtsträchtigen Stätte ging schließlich das ursprüngliche Altersheim der Kaiser-Franz-Josef-Stiftung hervor, zu der sich 17 Gemeinden des hinteren Zillertals zusammengeschlossen haben.

An diesem Ort soll der Lebensabend für Senior:innen aus der Region eingebettet in eine lebendige Gemeinschaft ausklingen, denn das neu geschaffene Sozialzentrum bietet nicht nur 70 Pflegezimmer und 15 Einheiten für betreutes Wohnen. Das Angebot für unterschiedliche Altersgruppen reicht vom Sozial- und Gesundheitssprengel, über eine Einrichtung zur Tagespflege, bis hin zum Eltern-Kind Zentrum. Das öffentlich zugängliche Café und ein großzügiger Saal, der für Veranstaltungen gemietet werden kann, ergänzen das vielschichtige Spektrum und schaffen Bezüge zum Dorfgeschehen.

Der L-förmige Baukörper ist mit Bedacht in das dichte Gefüge des Bestandes eingewoben. Seine Setzung erlaubt die Bewahrung der neogotischen Spitalskapelle, welche der Bevölkerung seit Generationen vertraut ist und dem Ensemble als Anker dient. Auch die kleine Parkanlage, unter deren altem Baumbestand die Nachbarskinder spielen, konnte als Begegnungsort von Alt und Jung erhalten bleiben. Eine gedeckte Passage zwischen den Gebäudeflügeln bildet einen witterungsgeschützten Eingangsbereich und garantiert die Durchfahrt zu den beiden Häusern, welche hinter dem Komplex in der Spitalgasse liegen.

Das Untergeschoss ist in Ortbeton ausgeführt und umfasst Lager, Technikräume und eine weiträumige Tiefgarage, die fast 100 PKWs Platz bietet. Darüber wurden drei weitere Stockwerke aus gebranntem Hochlochziegeln aus Ton errichtet. Das Herzstück der Sockelzone bildet der von Laubengängen gefasste Mehrzwecksaal. Er ist direkt vom Eingangs- und Erschließungsbereich aus zugänglich, ihm gegenüber liegt der kleine Sakralraum. Im Südosten der Anlage ist eine lichtdurchflutete Großküche eingerichtet, deren Team nicht nur die Bewohner des Hauses versorgt, sondern auch Menschen im Dorf durch „Essen auf Rädern“ unterstützt. Dort werden zudem kleine Speisen für das behaglich ausgestattete Bistro zubereitet, dessen schattiger Gastgarten sich zur Grünanlage orientiert. Im Westen und Norden liegen die Büros der Verwaltung, die Räumlichkeiten der Sozialeinrichtungen und die hauseigene Wäscherei.

In den beiden darüber liegenden Geschossen sind die geräumigen Zimmer der Senior:innen angelegt, welche jeweils mit eigenen Bädern ausgestattet wurden. Großflächige Fenster und opake Lüftungsflügel mit französischen Balkonbrüstungen versorgen die Räume mit Tageslicht und bieten Blickverbindungen in die Umgebung. Um das Zusammenleben möglichst kurzweilig und unterhaltsam zu gestalten, sind für die Bewohnerinnen und Bewohner Teeküchen und gemütliche Sitzbereiche eingerichtet; bei angenehmen Temperaturen findet das Gemeinschaftsleben auf den Loggien und Terrassen statt. Da sich kurze Wege für die inneren Abläufe als wichtig erweisen, sind die zentralen Pflegestationen im Gelenk zwischen den beiden Trakten angeordnet, wo sich auch die Erschließungszonen befinden.

Ein viertes Geschoss akzentuiert die Nordspitze des Gebäudes und bildet sie als Kopfbau aus. Dort stehen pro Etage fünf individuell gestaltete Pflegeapartments zur Verfügung, die sich zur Morgen- oder Abendsonne orientieren und über private Außenbereiche in Form von halbrunden Balkons verfügen. In einem separaten Volumen im Südwesten des Komplexes wurde im Erdgeschoss eine Arztpraxis eingerichtet, um die optimale gesundheitliche Versorgung der Bewohner zu garantieren. In den drei Etagen darüber sind 14 zweckmäßig geschnittene Wohnungen für Mitarbeitende angelegt.

Die Materialisierung und die Ausstattung des gesamten Ensembles schaffen eine Anmutung von unbeschwerter Zeitlosigkeit und Gediegenheit. Während die Böden der öffentlich zugänglichen Bereiche mit Terrazzo Fliesen belegt sind, wurde für den großen Saal und die Zimmer ein klassischer Fischgrat Parkett gewählt. Hohlkehlen an den Decken, Fenster- und Türrahmen aus dunklem Holz sowie Lüftungsflügel in hell eloxiertem Metall bereiten ein Gefühl von Geborgenheit und Vertrautheit. Denn sorgfältig geplante Detaillösungen und durchdacht gewählte Gestaltungselemente ermöglichten es, auch mit begrenztem Budget (die Kriterien der Wohnbauförderung waren einzuhalten) eine außergewöhnlich hohe Aufenthaltsqualität zu schaffen. Es wurde grundsätzlich darauf geachtet, dass der Anteil an verbautem Kunststoff so gering wie möglich gehalten wurde. Also kein Vollwärmeschutz, keine Kunststofffenster, etc..

Das großzügige Ensemble verleiht der Ortsmitte von Zell eine fast urbane Dichte, es strahlt eine heitere Atmosphäre der Gelassenheit und Selbstverständlichkeit aus. Der Süden ist hier nicht mehr weit, der leise plätschernde Brunnen im Hof erzählt von einer kleinen mediterranen Piazza. (Text: Tina Mott)

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Für den Beitrag verantwortlich: aut. architektur und tirol

Ansprechpartner:in für diese Seite: Claudia Wedekindclaudia.wedekind[at]aut.cc

Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Kaiser-Franz-Josef-Stiftung

Tragwerksplanung

Fotografie