Bauwerk

Wochentagskapelle in der Pfarrkirche Mariä Geburt
freistil Architektur - Neudörfl (A) - 2021
Wochentagskapelle in der Pfarrkirche Mariä Geburt, Foto: Emanuel Nitsch
Wochentagskapelle in der Pfarrkirche Mariä Geburt, Foto: Emanuel Nitsch
Eine kleine Seitenkapelle direkt neben dem Hauptaltar einer unter Denkmalschutz stehenden Kirche sollte saniert und für Feiern im Winter thermisch fit gemacht werden.

Wie vielerorts ist auch hier in Neudörfl die Kirchengemeinde an Wochentagen nicht mehr allzu zahlreich vorhanden und bei den vielen leeren Reihen vor sich stellte der Pfarrer die Grundsatzfrage, ob ein ständiges Beheizen des Hauptschiffs heute noch Sinn macht. Darüber hinaus wäre ein moderneres Setting für Feiern im kleinen Rahmen durchaus willkommen. Die Seitenkapelle bot zwar seit Jahren eine Reservefläche für zusätzliche Stuhlreihen zu Weihnachten und zu Ostern - wie sie im restlichen Jahr genutzt oder besser aktiviert werden könnte sollte im Zuge des Projekts geklärt werden.

Nach ersten Recherchen zeigte sich, dass die Seitenkapelle der älteste Teil der Kirche ist - sie stammt vermutlich bereits aus dem frühen Mittelalter und war der Ausgangspunkt aller späteren Bauphasen. Somit stand außer Frage, dass diesem Raum zukünftig eine neue, gewichtige Rolle im Gesamtgefüge zukommen sollte. Im Zuge der parallel durchgeführten Generalsanierung der Kirche wurde durch Spezialisten anhand von historischen Farbachsen und in Abstimmung mit dem Denkmalamt ein Farbkonzept für die gesamte Kirche konzipiert. Das charakteristische Erscheinungsbild des Kirchenraums sollte auch in der Seitenkapelle gewahrt bzw. wo nötig wiederhergestellt werden.

Ein Band umspannt die gesamte Kapelle und gibt durch seine Bewegung dem Raum eine neue innere Logik. Wie ein Fingerzeig ragt das hinterleuchtete Metallband am linken Rand des Zugangs in den Hauptraum, während sich das rechte Ende sanft nach innen wölbt und somit die Feiernden subtil umfasst. Durch das angedeutete Schließen des Raums verwandelt sich die Seitenkapelle zu einem auf sich bezogenen, eigenständigen Ort der Andacht und Stille, in dem man sich geradezu verlieren kann.

Die unterschiedlich starke Lochung des Metallbands lässt das Licht dahinter unterschiedlich stark durchscheinen und weckt Assoziationen an einen Sternenhimmel. Steht man länger in der Kapelle, flirren schnell die Augen und es macht sich ein Gefühl der Entmaterialisierung des Raums breit - die Umgebung beginnt in den Hintergrund zu rücken, meditative Stille tritt ein. Fokussiert der Blick wieder aufs Material, erkennt man stückweise eine in der Lochung abstrahierte Inschrift. Der Schriftsatz ist bewusst so groß gewählt, dass nur beim Durch-den-Raum-Schreiten der ganze Satz gelesen werden kann. So wird das für die Pfarre sehr wichtige Matthäus-Zitat aus dem alten Altarbild nicht nur inhaltlich, sondern auch räumlich zum verbindenden Element - die Kapelle ist eigenständig und doch ein Teil des Ganzen.

Um die Seitenkapelle künftig nicht nur für Messfeiern, sondern auch für weitere Zwecke nutzen zu können, wurde gemeinsam mit der Pfarre und der Diözese das bisher im Burgenland wohl einzigartige Konzept eines mobilen Altars entwickelt. Dieser kann versetzt werden, wenn die Kapelle anderweitig genutzt wird – er bleibt aber im Raum um den liturgischen Anforderungen an einen Altar gerecht zu werden.
Die ovale Ausführung des Altars verstärkt den Effekt des unendlichen Raumflusses und ermöglicht zugleich ein modernes zentral orientiertes Setting für die Messe. Seine dünnen Metallstäbe erzeugen einen ähnlich entmaterialisierenden Effekt, wie das Band an der Wand - mal sieht man hindurch und der Raum fließt endlos weiter, mal wirkt er undurchsichtig und massiv. Ein Sessio sowie ein Beistelltisch können aus dem simplen Volumen herausgelöst und für die Messfeier verwendet werden.

Im Zuge der Sanierungsarbeiten wurde eine elektrische Wandheizung eingeputzt. Das gelochte Metallband wirkt hierbei wie ein Verstärker für die Heizung, so dass den Feiernden während der Messe von allen Seiten warm wird. Aufgrund ihrer raschen Wirkung genügt es diese punktuell für die Messe in Betrieb zu nehmen und hilft somit effizient und nachhaltig mit Ressourcen umzugehen. Neben der Heizung wurden auch die elektrischen Installationen für Beleuchtung und Akustik auf den neuesten Stand der Technik gebracht.

Die neue Kapelle bietet einerseits den gesuchten Halt und die Beständigkeit für Messfeiern im kleinen Rahmen, kann aber flexibel und dynamisch auf die Wünsche und Anforderungen der Pfarre an einen modernen multifunktionalen Sakralraum reagieren. (Architekt:innen, bearbeitet)

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Für den Beitrag verantwortlich: ARCHITEKTUR RAUMBURGENLAND

Ansprechpartner:in für diese Seite: Nikolaus Gartnerng[at]raumburgenland.at

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