Bauwerk
Yokohama International Port Terminal
Foreign Office Architects - Yokohama (J) - 2002
Eine Stadt setzt auf das Fremde
Yokohama und der neue Osanbashi Pier von FOA
Die japanische Hafenstadt Yokohama ist stolz auf ihre Weltoffenheit. Diese spiegelt sich vermehrt auch in der Architektur. So wurde das jüngste Wahrzeichen der Stadt, der im Hinblick auf die Fussball-WM in Auftrag gegebene Osanbashi Pier, vom jungen Londoner Architekturbüro Foreign Office Architects (FOA) errichtet.
7. Juni 2002 - Martin Hablesreiter
Am 30. Juni 2002 werden gut 70 000 Menschen live im International Stadium von Yokohama das Finale der Fussball-WM zusammen mit Millionen von Zuschauern vor den Fernsehbildschirmen mitverfolgen. Dass dieses Grossereignis in der Nachbarstadt von Tokio und nicht in der Hauptstadt stattfindet, lenkt das Interesse auf die drei Millionen Einwohner zählende Metropole. Yokohama spielt eine Sonderrolle seit dem Aufstieg des ehemaligen Fischerdörfchens zum bedeutendsten Hafen Japans, der um 1850 einsetzte. Der Einfluss fremder Kulturen prägt noch heute das Stadtbild. Dieses ist wie nirgends sonst auf dem Archipel von der europäischen Architektur des 19. Jahrhunderts geprägt. Yokohamas Stadtväter sind nach wie vor darauf bedacht, den Ruf einer modernen, internationalen Metropole zu bewahren. So steht der alten Uferpromenade mit ihren ehrwürdigen, an Pariser Vorbilder erinnernden Hotels heute eine neue Küstenlinie mit Hochhäusern, Einkaufszentren und dem höchsten Gebäude Japans gegenüber. Hier soll das ehrgeizige, Minato Mirai 21 - Hafen der Zukunft 21 - genannte Projekt entstehen, das auf neu gewonnenem Land dereinst Arbeitsplätze für 190 000 Menschen bieten soll.
Zukunftsweisende Architektur
Rechtzeitig zur Weltmeisterschaft konnte am 30. Mai ein neuer Passagierterminal für den Fährverkehr mit Südkorea eröffnet werden, der in den nächsten Wochen vor allem dem Transport der Fussballfans zwischen den Austragungsorten dienen wird. Der neue, Osanbashi Pier genannte Terminal mit seinen aussergewöhnlichen Formen soll Yokohamas architektonisches Wahrzeichen werden, ganz ähnlich wie Jørn Utzons Opernhaus in Sidney. Schon das Ergebnis des anonymen Architekturwettbewerbs von 1995 war eine Sensation. Das bis dahin unbekannte Londoner Büro FOA gewann gegen internationale Stars wie Kazuyo Sejima oder das Team von Future Systems. Die 1965 geborene Iranerin Fashid Moussavi und der zwei Jahre ältere Spanier Alejandro Zaera- Polo hatten gerade ihre Bürogemeinschaft gegründet und an der renommierten Architectural Association in London zu lehren begonnen, als sie der Wettbewerbsentscheid plötzlich ins Rampenlicht rückte. Der Juryvorsitzende Arata Isozaki, ein Altmeister der japanischen Architekturszene, zeigte sich sogleich überzeugt vom Ansatz des jungen Teams, den Computer in den Entwurfsprozess einzubeziehen und damit geometrische Formen zu entwickeln, die bis dato für unrealisierbar gegolten hatten.
Der zukunftsweisende Einsatz des Computers war als Auswahlkriterium ebenso entscheidend wie der Wunsch der Stadt Yokohama, mit einem architektonischen Zeichen ihre Rolle als internationales Zentrum zu unterstreichen. Isozaki selbst soll beim Öffnen des Verfasserbriefes entzückt gewesen sein, dass der Name des Siegerteams FOA - Foreign Office Architects - lautete. In einer Zeit, in der Fremdenfeindlichkeit wieder salonfähig zu werden droht, entschieden sich zwei fremde Architekten in London, ihre gesellschaftliche Randposition gezielt für die Benennung ihres Büros zu verwenden. Der wohl auch ironisch verstandene Name hat sich als glückliches Omen erwiesen, denn in der Stadt Yokohama hat FOA eine Auftraggeberin gefunden, die das Fremde als Qualität betrachtet. Sowohl für FOA als auch für die Bauherrschaft hat die bewusste Aufnahme von äusseren Einflüssen besondere Bedeutung. Das Fremde und das Fremdsein werden gesucht, um daraus genau das zu schöpfen, was in Europa gerne als Trend bezeichnet wird. Insofern benützten die Architekten und die Klientin einander gegenseitig, um ihre jeweilige Position perfekt einzubringen.
Architektur als Landschaft
In einem vor kurzem geführten Gespräch mit Alejandro Zaera-Polo meinte dieser, Fashid Moussavi und er hätten den Nerv der Zeit im exakt richtigen Moment getroffen. In der Tat enthielt der Entwurf von FOA konzeptuelle Komponenten, die 1995 gerade den Diskurs in zukunftsorientierten Architektenkreisen bestimmten. Der Einsatz des Computers, Analysen der Bewegungen der künftigen Benutzer oder auch die Gestaltung von urbanen Landschaften galten damals als ebenso neu wie trendy.
In Yokohama hat die Offenheit gegenüber dem Fremden Tradition, wurde doch in dieser Stadt nach jahrhundertelanger Isolation der erste internationale Hafen Japans eröffnet. Gesandte und Geschäftsleute aus dem Westen lebten hier neben Seidenhändlern aus China. Noch heute befindet sich die grösste Chinatown Japans im ehemaligen Ausländerviertel. Aber auch das unweit davon gelegene höchste Gebäude des Landes, eine Arbeit des Amerikaners Hugh Stubbins, zeugt von der immer wieder praktizierten Extravertiertheit der Stadt. Internationale Einflüsse und Bauten ausländischer Architekten sind in Japan immer noch etwas Besonderes. Doch in Yokohama kennt man keine Berührungsängste.
Die Küstenlinie, an der nun der Passagierterminal von FOA liegt, ist schon seit längerem ein Ort des Staunens, weil man urbane Imagepflege in Japan nur selten findet. Im Fall von Yokohama aber spielt sie eine wesentliche Rolle. Sonntag für Sonntag kommen Menschenmassen aus dem benachbarten Tokio, um zu flanieren und um sich umzusehen. Wirkt die Szenerie aus Shopping- Center, Vergnügungspark und internationalen Hotels auf europäische Betrachter eher gewöhnlich, so ist sie für Japaner in dieser Art etwas Besonderes. Allerdings sind sie sich der Vergänglichkeit dieses Stadtbildes bewusst. Denn da die derzeitige architektonische Ufergestaltung dem Diktat des Marktes folgt, ist es durchaus möglich, dass sie sich in zehn Jahren ganz anders präsentieren wird.
Internationale Resonanz
Selbstverständlich will sich Zaera-Polo von dieser Art Stadtraum abgrenzen, doch eine Verwandtschaft im Geiste bleibt. Jede Art von Einfluss wird aufgesogen und sofort umgesetzt, denn Flexibilität ist wichtig, um den Anforderungen der Zeit zu entsprechen. Die beiden Architekten sind seit langem in Bewegung, haben in Amerika und London studiert, bei Koolhaas in Rotterdam gearbeitet, und Zaera-Polo beharrt mit Nachdruck darauf, keine ersichtlichen spanischen Einflüsse in seiner Arbeit zu haben. Als Erste einer ganzen Architektengeneration waren Foreign Office Architects in der Lage, ihre Ideen in einem derart grossen Massstab umzusetzen, und man darf gespannt sein, ob das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen der weltoffenen Stadtregierung Yokohamas und den fremden Jungstars auch nach Ende der Fussball-WM die gewünschte internationale Resonanz bringen wird.
Zukunftsweisende Architektur
Rechtzeitig zur Weltmeisterschaft konnte am 30. Mai ein neuer Passagierterminal für den Fährverkehr mit Südkorea eröffnet werden, der in den nächsten Wochen vor allem dem Transport der Fussballfans zwischen den Austragungsorten dienen wird. Der neue, Osanbashi Pier genannte Terminal mit seinen aussergewöhnlichen Formen soll Yokohamas architektonisches Wahrzeichen werden, ganz ähnlich wie Jørn Utzons Opernhaus in Sidney. Schon das Ergebnis des anonymen Architekturwettbewerbs von 1995 war eine Sensation. Das bis dahin unbekannte Londoner Büro FOA gewann gegen internationale Stars wie Kazuyo Sejima oder das Team von Future Systems. Die 1965 geborene Iranerin Fashid Moussavi und der zwei Jahre ältere Spanier Alejandro Zaera- Polo hatten gerade ihre Bürogemeinschaft gegründet und an der renommierten Architectural Association in London zu lehren begonnen, als sie der Wettbewerbsentscheid plötzlich ins Rampenlicht rückte. Der Juryvorsitzende Arata Isozaki, ein Altmeister der japanischen Architekturszene, zeigte sich sogleich überzeugt vom Ansatz des jungen Teams, den Computer in den Entwurfsprozess einzubeziehen und damit geometrische Formen zu entwickeln, die bis dato für unrealisierbar gegolten hatten.
Der zukunftsweisende Einsatz des Computers war als Auswahlkriterium ebenso entscheidend wie der Wunsch der Stadt Yokohama, mit einem architektonischen Zeichen ihre Rolle als internationales Zentrum zu unterstreichen. Isozaki selbst soll beim Öffnen des Verfasserbriefes entzückt gewesen sein, dass der Name des Siegerteams FOA - Foreign Office Architects - lautete. In einer Zeit, in der Fremdenfeindlichkeit wieder salonfähig zu werden droht, entschieden sich zwei fremde Architekten in London, ihre gesellschaftliche Randposition gezielt für die Benennung ihres Büros zu verwenden. Der wohl auch ironisch verstandene Name hat sich als glückliches Omen erwiesen, denn in der Stadt Yokohama hat FOA eine Auftraggeberin gefunden, die das Fremde als Qualität betrachtet. Sowohl für FOA als auch für die Bauherrschaft hat die bewusste Aufnahme von äusseren Einflüssen besondere Bedeutung. Das Fremde und das Fremdsein werden gesucht, um daraus genau das zu schöpfen, was in Europa gerne als Trend bezeichnet wird. Insofern benützten die Architekten und die Klientin einander gegenseitig, um ihre jeweilige Position perfekt einzubringen.
Architektur als Landschaft
In einem vor kurzem geführten Gespräch mit Alejandro Zaera-Polo meinte dieser, Fashid Moussavi und er hätten den Nerv der Zeit im exakt richtigen Moment getroffen. In der Tat enthielt der Entwurf von FOA konzeptuelle Komponenten, die 1995 gerade den Diskurs in zukunftsorientierten Architektenkreisen bestimmten. Der Einsatz des Computers, Analysen der Bewegungen der künftigen Benutzer oder auch die Gestaltung von urbanen Landschaften galten damals als ebenso neu wie trendy.
In Yokohama hat die Offenheit gegenüber dem Fremden Tradition, wurde doch in dieser Stadt nach jahrhundertelanger Isolation der erste internationale Hafen Japans eröffnet. Gesandte und Geschäftsleute aus dem Westen lebten hier neben Seidenhändlern aus China. Noch heute befindet sich die grösste Chinatown Japans im ehemaligen Ausländerviertel. Aber auch das unweit davon gelegene höchste Gebäude des Landes, eine Arbeit des Amerikaners Hugh Stubbins, zeugt von der immer wieder praktizierten Extravertiertheit der Stadt. Internationale Einflüsse und Bauten ausländischer Architekten sind in Japan immer noch etwas Besonderes. Doch in Yokohama kennt man keine Berührungsängste.
Die Küstenlinie, an der nun der Passagierterminal von FOA liegt, ist schon seit längerem ein Ort des Staunens, weil man urbane Imagepflege in Japan nur selten findet. Im Fall von Yokohama aber spielt sie eine wesentliche Rolle. Sonntag für Sonntag kommen Menschenmassen aus dem benachbarten Tokio, um zu flanieren und um sich umzusehen. Wirkt die Szenerie aus Shopping- Center, Vergnügungspark und internationalen Hotels auf europäische Betrachter eher gewöhnlich, so ist sie für Japaner in dieser Art etwas Besonderes. Allerdings sind sie sich der Vergänglichkeit dieses Stadtbildes bewusst. Denn da die derzeitige architektonische Ufergestaltung dem Diktat des Marktes folgt, ist es durchaus möglich, dass sie sich in zehn Jahren ganz anders präsentieren wird.
Internationale Resonanz
Selbstverständlich will sich Zaera-Polo von dieser Art Stadtraum abgrenzen, doch eine Verwandtschaft im Geiste bleibt. Jede Art von Einfluss wird aufgesogen und sofort umgesetzt, denn Flexibilität ist wichtig, um den Anforderungen der Zeit zu entsprechen. Die beiden Architekten sind seit langem in Bewegung, haben in Amerika und London studiert, bei Koolhaas in Rotterdam gearbeitet, und Zaera-Polo beharrt mit Nachdruck darauf, keine ersichtlichen spanischen Einflüsse in seiner Arbeit zu haben. Als Erste einer ganzen Architektengeneration waren Foreign Office Architects in der Lage, ihre Ideen in einem derart grossen Massstab umzusetzen, und man darf gespannt sein, ob das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen der weltoffenen Stadtregierung Yokohamas und den fremden Jungstars auch nach Ende der Fussball-WM die gewünschte internationale Resonanz bringen wird.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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