Bauwerk

Haus neben der Schmiede
Walter Pichler - Unterbirchabruck (I) - 2002
Haus neben der Schmiede, Foto: Elfi Tripamer
Haus neben der Schmiede, Foto: Elfi Tripamer
27. April 2002 - newroom
Nach einer Ausstellung in der Galerie Museum in Bozen, 1994 – ich hatte die Ausstellung gemacht, um meinen Verwandten und Freunden in Südtirol die Frage nach der Art meiner Tätigkeit zu beantworten – hat mich mein Cousin Walter Pichler gefragt, ob ich nicht an die Schmiede, in der unsere gemeinsamen Vorfahren im Eggental lange Zeit gearbeitet hatten, einen Raum anbauen möchte.

In der Ausstellung in Bozen hingen Zeichnungen, in denen ich mich schon einmal mit einem Gebäude im Eggental befasst hatte: Geplant war ein Turm aus zwei übereinander gelagerten kubischen Räumen an einer sehr entlegenen Stelle der alten verfallenen Strasse. Zur selben Zeit hatte ich gerade mein Projekt „Türmchen“ in St. Martin begonnen. Beide Projekte mögen wohl der Anlass für den Vorschlag meines Vetters gewesen sein.

Die Schmiede unseres gemeinsamen Grossvaters wurde zu dieser Zeit unter Denkmalschutz gestellt und renoviert. Walter hatte die Schmiede geerbt und mein anderer Cousin Ferdinand das dazugehörige Wohnhaus. Ihr Vater, Onkel Eugen, war der letzte, der in der Schmiede gearbeitet hatte.

Ich weiss nicht wie lange die Vorfahren meines Vaters auf diesem Platz gelebt haben, ich habe aber viele Geschichten darüber gehört, und sie haben mir alle gefallen.

Meine Familie hat das Tal 1941 verlassen (Hitler-Mussolini-Abkommen, Option) und sind nach Nordtirol ausgewandert. Ich war damals fünf Jahre alt und darüber sehr unglücklich, nur meine Mutter, wenn ich mich recht erinnere, war noch unglücklicher.
Ich bin als Kind in dieses Tal zurückgekehrt, und die Schmiede war immer ein besonderer Ort, ich habe es sehr geliebt, in dieser Werkstätte zu sein. Heute noch finde ich eine Werkstätte den mir am besten zustehenden Ort.

Zurück zum Vorschlag meines Cousins. Die Schmiede steht unter Denkmalschutz, schaut also aus, wie sie nie vorher ausgesehen hat: das Leben, und das heisst die Arbeit, fehlt. Wie immer in solchen Situationen muss man sich etwas einfallen lassen. Meist hat das dann mit Kunst und Kultur zu tun, wir aber wollten nur einen Raum bauen, in dem man sich aufhalten kann: zwei Menschen sollten einige Tage gut darin leben können, Freunde könnten darin feiern oder man könnte darin arbeiten und dabei auf einem Platz sein, der vorher so genau bestimmt war und jetzt seine ursprüngliche Bestimmung verloren hat.

Aber allein die Idee, zu den bestehenden Gebäuden ein neues hinzuzufügen, in Gedanken und Zeichnungen und später im Bauen sich wieder dieser Umgebung zu nähern, war für mich eine Möglichkeit, die Zeitmaschine einzuschalten und nicht nur vage und wie im Traum über diese vergangene Zeit nachzudenken, sondern aus ihr etwas Neues zu machen. Dieses Buch zeigt die Entwicklung des kleinen Hauses, und wenn es mir gelungen ist, das „Hauptmaterial“, aus dem dieses Gebäude gebaut ist, nämlich die Erinnerung, gleichwertig zu den „festen Materialien“ hinzuzufügen, dann ist es mir auch gelungen, eine so sperrige Disziplin wie die Architektur für etwas zu verwenden, was sie normalerweise nicht leisten kann. Das war meine Absicht. (Text: Walter Pichler, 01.03.2002)

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