Bauwerk
Prada-Store
OMA - New York (USA) - 2001
Schauen, shoppen, draussen bleiben
Der New Yorker Prada-Store des Architekten Rem Koolhaas kitzelt mit Strategien der Kunst die Schaulust der Besucher. Eine Kunstgalerie öffnet nur für exklusive Kunden.
14. April 2002 - Gerhard Mack
Das Abenteuer erträgt keine Schilder. Schon gar nicht in der Mode. Keine Namenstafel verunstaltet die Schaufronten des Prada-Store, der Anfang des Jahres in New Yorks Boutiquenviertel Soho eröffnet hat. Wer zu Prada will, weiss, wie er Prada findet. Wer das für Selbstgefälligkeit der Trendsetter hält, wird jedoch schnell eines Besseren belehrt. Der Shop ist voll von Leuten. Wer die exklusiven Preise nicht bezahlen kann, schaut sich einfach um. Denn zu sehen gibt es einiges. Stararchitekt Rem Koolhaas hat geplant, 40 Millionen Dollar hat die Modekette investiert.
Ein paar Kilometer westlich trifft der Stadtwanderer aufs Gegenteil: Im trendigen Galerienviertel West Chelsea beschränkt sich der Galerist Matthew Marks, einer der Stars der Szene, auf ein Schaufenster, durch das der Blick in einen fast leeren Raum fällt: an den Wänden ein spätes Gemälde und Zeichnungen Willem de Koonings, eines zentralen Künstlers des abstrakten Expressionismus, im Raum eine seiner Bronzeskulpturen, dazu zwei Stühle und ein Tischchen mit Notizblock und Stift für die Wünsche und Bedingungen der Kunden, die hier Einlass finden. Beide Orte zusammen erzählen vom Konflikt und vom Wandel der Präsentationsformen in Mode und Kunst, die mit sozialem Prestigewert nicht zuletzt den Verkauf ankurbeln sollen.
Die Bühne der Waren
Koolhaas inszeniert für Prada ein jazziges Schaustück aus allen erdenklichen visuellen Formen, die die Künste entwickelt haben; sein Store ist eine riesige Installation über zwei Geschosse, die mit ihrer Leere eher an die minimalistischen Galerieräume Sohos erinnern als an die barocke Üppigkeit herkömmlicher Modeboutiquen. Im Zentrum schwingt eine Holzwelle in die untere Etage; auf der einen Seite gleicht sie einer Skateboard-Halfpipe, auf der anderen einem Amphitheater. Am Tag werden auf den Sitzstufen Schuhe probiert. Am Abend finden bis zu 150 Besucher Platz, um den Performances beizuwohnen, die auf einer aufklappbaren Bühne spielen können. Das hatten der Architekt und das Guggenheim-Museum zumindest bei der Planung 1999 im Sinn; immerhin hatte sich Museumsdirektor Thomas Krens damals der «Erforschung der Kultur als ganzer» verschrieben und betrieb mit Motorrad- und Armani-Ausstellungen nonchalantes culture crossing. Doch selbst wenn nach dem Rückzug des Museums aus finanziellen Gründen daraus nichts wird, macht der Showeffekt atemlos. Alles ist hier auf Ausstellen, Sich-Zeigen und Gesehen-Werden angelegt. Der runde, gläserne Lift ist eine transparente Bühne, in der selbst müde Shopper neben sündhaft teuren Täschchen die Augen der Wartenden beschäftigen. Die eleganten Kleidchen aus erlesenen Stoffen schaukeln sanft in Metallgitterkästen, die an der Decke aufgehängt sind, als wären sie Akteure eines Modern-Dance- Stücks, in dem sich die Kundinnen unverbindlich ein- und ausklinken können. Die Regale für Accessoires und Kleidungsstücke sind ohnehin Vitrinen, wie der Photograph Andreas Gursky sie erfunden haben könnte. Oder das kostbare Verkaufsgut ist auf Rollenschränken präsentiert, die sich in der Tiefe des Untergeschosses als Geschäftslager fortsetzen und eine Art «Schaulager» bilden, wie es in Basel gerade für die Kunstwerke der Emanuel-Hoffmann-Stiftung entsteht.
Der Kunde als Voyeur
Zwischen die Waren sind überall Videoschirme placiert, auf denen gelegentlich Bilder aus Godard-Filmen, Modeschauen und Sexszenen gemixt sind. Der Voyeurismus liefert das Prinzip für die Begegnung zwischen Menschen und Objekten, die durchaus auch andere Shopper sein können. Im Untergeschoss wechseln sich Kabinette wie private Chambres séparées ab. Die Umkleidekabinen sind nach vorne zu durch transparentes Glas abgeschlossen. Doch ein Druck mit dem Fuss im Innern macht es opak, ein anderer gibt den Blick wiederum auf alles frei, was der Benutzer oder die Benutzerin zeigen möchte. Daneben wird man gefilmt, und die Bilder werden auf einen Videoschirm projiziert. Kaum sind bisher narzisstische Zurschaustellung, Schutzbedürfnis und Verführungslust enger miteinander verschmolzen worden. Dass in diesen Räumen zuvor das Guggenheim-Museum Ausstellungen zeigte, passt ebenso zum Anspruch wie sein baldiger, von tiefen Besucherzahlen diktierter Rückzug zur prekären Finanzlage des derzeitigen Nutzers Prada. Ob Kunst oder Mode, der Rhythmus wird hier ganz durch Lifestyle und seine Flüchtigkeit gesetzt. Vielleicht gerade weil hier alles so sehr auf den Blick ausgerichtet ist und die Selbstinszenierung die Bewunderung der vielen braucht, will im neuen Store des exklusiven Labels Exklusivität nicht so recht aufkommen. Das VIP-Lounge- Gefühl der happy few verschafft dagegen die Präsentation der Kunst.
Die Galerie Matthew Marks lockt mit ihrem prächtigen Ensemble de Koonings die Passanten an und hält sie dann auf Distanz. Der Ausstellungsraum ist «privat». Kunst wird hier gezeigt als verlockendes Gut, das nur für diejenigen erreichbar ist, die zum Verkaufsgespräch antreten können. Damit übernimmt der findige Galerist eine Strategie der Exklusivität, die sich beispielsweise bei den letzten Kunst- biennalen in Venedig angekündigt hat: Zum Theater der Kanadierin Janet Cardiff, zu den Isolationskammern des Deutschen Gregor Schneider, zu der zart-filigranen Auslegeordnung im japanischen Pavillon ein paar Jahre zuvor hatten stets nur wenige Zutritt. Die Warteschlangen vor den Pavillons erinnerten an die Lebensmittellage im ehemaligen Ostblock.
Exklusivität der Gedanken
Die Tendenz ist allerdings nicht so neu, wie sie scheint. Kunst war stets eher eine Sache der wenigen als der Menge. Selbst seit sie mit dem Bildgut der Massenkultur arbeitete und zu einem Teil der umfassenden Kulturbewegung des Pop wurde, täuschen die Erfolge von Kunstmessen und Museumsausstellungen darüber hinweg, dass sozialer Prestigewert noch lange nicht eigentlichen Zugang bedeutet. Wer kennt schon die Fragen nach der Darstellung und Wahrnehmung von Fläche und Raum, auf die die knalligen Bilder eines Warhol oder die scheinbar so einfachen Formen der «minimal»- Künstler antworten. Und ohne solche Kenntnis lässt sich die Qualität ihrer Antworten, ihrer Werke also, kaum angemessen beurteilen. Exklusivität ist hier eine der Gedanken und Entwürfe. Die Erfolge am Markt haben diese bestenfalls verdeckt. Sie kehrt in Form individueller Mythologien, um ein Schlagwort Harald Szeemanns zu benützen, und emblematischer Erzählweisen seit geraumer Zeit auch auf die Oberflächen der Werke zurück. Wer diese nicht versteht, bleibt aussen vor. Die Abenteuer spielen im Kopf. Dahinter bleiben selbst die auffälligsten Inszenierungen des Designs zurück.
Ein paar Kilometer westlich trifft der Stadtwanderer aufs Gegenteil: Im trendigen Galerienviertel West Chelsea beschränkt sich der Galerist Matthew Marks, einer der Stars der Szene, auf ein Schaufenster, durch das der Blick in einen fast leeren Raum fällt: an den Wänden ein spätes Gemälde und Zeichnungen Willem de Koonings, eines zentralen Künstlers des abstrakten Expressionismus, im Raum eine seiner Bronzeskulpturen, dazu zwei Stühle und ein Tischchen mit Notizblock und Stift für die Wünsche und Bedingungen der Kunden, die hier Einlass finden. Beide Orte zusammen erzählen vom Konflikt und vom Wandel der Präsentationsformen in Mode und Kunst, die mit sozialem Prestigewert nicht zuletzt den Verkauf ankurbeln sollen.
Die Bühne der Waren
Koolhaas inszeniert für Prada ein jazziges Schaustück aus allen erdenklichen visuellen Formen, die die Künste entwickelt haben; sein Store ist eine riesige Installation über zwei Geschosse, die mit ihrer Leere eher an die minimalistischen Galerieräume Sohos erinnern als an die barocke Üppigkeit herkömmlicher Modeboutiquen. Im Zentrum schwingt eine Holzwelle in die untere Etage; auf der einen Seite gleicht sie einer Skateboard-Halfpipe, auf der anderen einem Amphitheater. Am Tag werden auf den Sitzstufen Schuhe probiert. Am Abend finden bis zu 150 Besucher Platz, um den Performances beizuwohnen, die auf einer aufklappbaren Bühne spielen können. Das hatten der Architekt und das Guggenheim-Museum zumindest bei der Planung 1999 im Sinn; immerhin hatte sich Museumsdirektor Thomas Krens damals der «Erforschung der Kultur als ganzer» verschrieben und betrieb mit Motorrad- und Armani-Ausstellungen nonchalantes culture crossing. Doch selbst wenn nach dem Rückzug des Museums aus finanziellen Gründen daraus nichts wird, macht der Showeffekt atemlos. Alles ist hier auf Ausstellen, Sich-Zeigen und Gesehen-Werden angelegt. Der runde, gläserne Lift ist eine transparente Bühne, in der selbst müde Shopper neben sündhaft teuren Täschchen die Augen der Wartenden beschäftigen. Die eleganten Kleidchen aus erlesenen Stoffen schaukeln sanft in Metallgitterkästen, die an der Decke aufgehängt sind, als wären sie Akteure eines Modern-Dance- Stücks, in dem sich die Kundinnen unverbindlich ein- und ausklinken können. Die Regale für Accessoires und Kleidungsstücke sind ohnehin Vitrinen, wie der Photograph Andreas Gursky sie erfunden haben könnte. Oder das kostbare Verkaufsgut ist auf Rollenschränken präsentiert, die sich in der Tiefe des Untergeschosses als Geschäftslager fortsetzen und eine Art «Schaulager» bilden, wie es in Basel gerade für die Kunstwerke der Emanuel-Hoffmann-Stiftung entsteht.
Der Kunde als Voyeur
Zwischen die Waren sind überall Videoschirme placiert, auf denen gelegentlich Bilder aus Godard-Filmen, Modeschauen und Sexszenen gemixt sind. Der Voyeurismus liefert das Prinzip für die Begegnung zwischen Menschen und Objekten, die durchaus auch andere Shopper sein können. Im Untergeschoss wechseln sich Kabinette wie private Chambres séparées ab. Die Umkleidekabinen sind nach vorne zu durch transparentes Glas abgeschlossen. Doch ein Druck mit dem Fuss im Innern macht es opak, ein anderer gibt den Blick wiederum auf alles frei, was der Benutzer oder die Benutzerin zeigen möchte. Daneben wird man gefilmt, und die Bilder werden auf einen Videoschirm projiziert. Kaum sind bisher narzisstische Zurschaustellung, Schutzbedürfnis und Verführungslust enger miteinander verschmolzen worden. Dass in diesen Räumen zuvor das Guggenheim-Museum Ausstellungen zeigte, passt ebenso zum Anspruch wie sein baldiger, von tiefen Besucherzahlen diktierter Rückzug zur prekären Finanzlage des derzeitigen Nutzers Prada. Ob Kunst oder Mode, der Rhythmus wird hier ganz durch Lifestyle und seine Flüchtigkeit gesetzt. Vielleicht gerade weil hier alles so sehr auf den Blick ausgerichtet ist und die Selbstinszenierung die Bewunderung der vielen braucht, will im neuen Store des exklusiven Labels Exklusivität nicht so recht aufkommen. Das VIP-Lounge- Gefühl der happy few verschafft dagegen die Präsentation der Kunst.
Die Galerie Matthew Marks lockt mit ihrem prächtigen Ensemble de Koonings die Passanten an und hält sie dann auf Distanz. Der Ausstellungsraum ist «privat». Kunst wird hier gezeigt als verlockendes Gut, das nur für diejenigen erreichbar ist, die zum Verkaufsgespräch antreten können. Damit übernimmt der findige Galerist eine Strategie der Exklusivität, die sich beispielsweise bei den letzten Kunst- biennalen in Venedig angekündigt hat: Zum Theater der Kanadierin Janet Cardiff, zu den Isolationskammern des Deutschen Gregor Schneider, zu der zart-filigranen Auslegeordnung im japanischen Pavillon ein paar Jahre zuvor hatten stets nur wenige Zutritt. Die Warteschlangen vor den Pavillons erinnerten an die Lebensmittellage im ehemaligen Ostblock.
Exklusivität der Gedanken
Die Tendenz ist allerdings nicht so neu, wie sie scheint. Kunst war stets eher eine Sache der wenigen als der Menge. Selbst seit sie mit dem Bildgut der Massenkultur arbeitete und zu einem Teil der umfassenden Kulturbewegung des Pop wurde, täuschen die Erfolge von Kunstmessen und Museumsausstellungen darüber hinweg, dass sozialer Prestigewert noch lange nicht eigentlichen Zugang bedeutet. Wer kennt schon die Fragen nach der Darstellung und Wahrnehmung von Fläche und Raum, auf die die knalligen Bilder eines Warhol oder die scheinbar so einfachen Formen der «minimal»- Künstler antworten. Und ohne solche Kenntnis lässt sich die Qualität ihrer Antworten, ihrer Werke also, kaum angemessen beurteilen. Exklusivität ist hier eine der Gedanken und Entwürfe. Die Erfolge am Markt haben diese bestenfalls verdeckt. Sie kehrt in Form individueller Mythologien, um ein Schlagwort Harald Szeemanns zu benützen, und emblematischer Erzählweisen seit geraumer Zeit auch auf die Oberflächen der Werke zurück. Wer diese nicht versteht, bleibt aussen vor. Die Abenteuer spielen im Kopf. Dahinter bleiben selbst die auffälligsten Inszenierungen des Designs zurück.
Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung
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