Bauwerk

Villa Jeanneret-Perret
Le Corbusier - La Chaux-de-Fonds (CH) - 1912

Weisses Haus im Jura

Restaurierung von Le Corbusiers Villa Jeanneret-Perret

20. Juni 2003 - Hubertus Adam
Im November 1911 kehrte Charles-Edouard Jeanneret, der sich 1920 in Paris den Namen Le Corbusier zulegen sollte, in seine Heimatstadt La Chaux-de-Fonds zurück. Die lange Reise hatte ihn nach Berlin, wo er mehrere Monate im Büro von Peter Behrens hospitierte, dann über Osteuropa in die Türkei und schliesslich nach Griechenland und Italien geführt. Eine Villa für seine Eltern war der erste Bau, den der junge Architekt eigenständig realisierte und der von einem gewandelten Formempfinden zeugte.

Die ihres weissen Anstrichs und ihres ursprünglichen Eternitdachs wegen auch «Maison Blanche» genannte Villa Jeanneret-Perret, die er innerhalb des Jahres 1912 errichtete, liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu den drei noch dem jurassischen Jugendstil seines Lehrers L'Eplattenier verpflichteten Erstlingswerken und resultiert aus diversen Inspirationen. Erinnert der Rauputz der Fassade an die Gestaltung englischer Landhäuser, so lässt die reduziert-klassizistische Gesamtform das Vorbild Behrens' erkennen. Die Fensterreihe unterhalb der Traufkante, die kubische Gestalt und das zeltartig wirkende Dach rufen überdies jene alten rumänischen Häuser in Erinnerung, die Jeanneret / Le Corbusier in den Skizzenbüchern seiner Orientreise festgehalten hatte und die schon auf die berühmte Aussage aus «Vers une architecture» (1923) vorausweisen, Architektur sei «le jeu savant, correct et magnifique des volumes assemblés sous la lumière».

Vor drei Jahren konnte die in weiten Teilen erhaltene Villa, in deren Obergeschoss der angehende Architekt 1913-1915 sein Büro unterhielt, mit öffentlicher Unterstützung von der «Association Maison Blanche» erworben werden - mit dem Ziel, sie zu restaurieren und einer öffentlichen Nutzung zuzuführen. Nun wurde jüngst eine von dem Architekten Pierre Minder erarbeitete Studie vorgelegt, welche als Grundlage der auszuführenden Arbeiten dient, deren Kosten auf knapp zwei Millionen Franken geschätzt werden. Mit dem Begriff des «laboratoire architectural» wird die Bedeutung des Baus richtig umschrieben: Der junge Architekt experimentierte hier nicht nur mit Materialien und architektonischen Lösungen, sondern nahm Veränderungen auch noch nach Fertigstellung vor. Da sich somit eine «Idealrekonstruktion» verbietet, optiert die Association für eine Rekonstruktion, die sich respektvoll gegenüber der Substanz und dennoch pragmatisch verhält. Die lichte Raumstruktur der in T-Form organisierten Haupträume des Erdgeschosses, die Details der Ausstattung, aber auch die auf die «promenade architecturale» vorausweisende Wegführung im Garten machen das Haus unbedingt besuchenswert.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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