Bauwerk

Zentrum für zeitgenössische Oper und Musik
Gewers Kühn und Kühn - Berlin (D) - 2001

Solitär oder Insel?

Baupläne der Berliner «Zeitgenössischen Oper»

29. November 2001 - Georg-Friedrich Kühn
Drei Opernhäuser hat Berlin - und damit nicht immer nur Freude. Nun soll ein viertes hinzukommen. Ein ganz besonderes. So jedenfalls wünscht es sich die «Zeitgenössische Oper», eine Gruppe junger Enthusiasten, die sich vor vier Jahren konstituierte und deren Vorsatz es ist, nur Musiktheaterwerke aufzuführen, die nach 1945 entstanden sind. Begonnen hatten sie einst mit Henze und Kagel. Ihre letzte Produktion galt Adriana Hölszky und deren Musiktheater ohne Theater «Tragödia - der unsichtbare Raum», einem Werk nach der Art von Wagners unsichtbarem Theater, bei dessen Erklingen der Hörer selber «dramatische Situationen» imaginieren soll und das von der Gruppe als eine Art Wachtraum-Theater auf Liegen im abgedunkelten Raum auf der Bühne des Hebbel-Theaters aufgeführt wurde.

Mit diesem musste die Truppe bisher vorlieb nehmen, einem in der Tat für modernes Musiktheater nicht gerade geeigneten Raum. Das Modell, das sie sich jetzt für ihr neues «Zentrum» hat entwerfen lassen, stammt von dem Architekturbüro Gewers Kühn & Kühn, das den Bertelsmann-Pavillon für die Expo entwarf und auch den soeben begonnenen Bau des Probengebäudes für die Bayerische Staatsoper.

Bei einer Pressekonferenz und anschliessender öffentlicher Diskussion stellten sie es jetzt vor. Der Aufführungssaal ist als Raum im Raum angelegt, multifunktional nutzbar. Blick- oder Hörrichtung sind nicht festgelegt. Das Orchester kann, wie Stockhausen es etwa forderte, unter der Zuschauertribüne spielen oder in der «äusseren Hülle» über der Spielfläche. Werkstattbühne, Mediathek, Räume für Klanginstallationen und Forschungslabors sollen das Angebot abrunden.

Als Ort hat man ein Bahngrundstück ausgewählt nahe dem Lehrter Bahnhof, wo dereinst das europäische Eisenbahnkreuz die Menschenströme aus Ost und West, Nord und Süd kanalisieren soll, wo aber auch das Regierungsviertel und der zum Museum umfunktionierte Hamburger Bahnhof Schnittflächen bieten und wo einst Otto Klemperers Kroll-Oper der Avantgarde der zwanziger Jahre den Weg bahnte. Das Haus mit seinem begehbaren geschwungenen Dach haben die Architekten - analog der Stuttgarter Staatsgalerie - so entworfen, dass man ohne Ticket das Gebäude durchschreiten, aber auch teilhaben kann an Aufführungen im Inneren.

Über Finanzen schweigt man sich vorerst aus. Man will den Boden sondieren für den Bedarf. Aber 50 bis 75 Millionen Euro für den Bau dieses «Solitärs mit Symbolcharakter», so der Sprecher der «Zeitgenössischen Oper», Andreas Rocholl, und mindestens 10 Millionen Euro für den Betrieb mit Gastspielen der wichtigsten europäischen Ensembles der neuen Musik und Eigenproduktionen wird man wohl anpeilen müssen. Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin habe wohlwollendes Interesse bekundet. Er braucht «Software» für seine voraussichtlich Ende Dezember startende Bundeskulturstiftung. Sein Staatssekretär Knut Nevermann allerdings dämpft die Erwartungen. Der Bund könne hier nicht initiativ werden, es bedürfe der Kommune oder eines Landes als Träger. Und warum solle man die etablierten Musiktheaterinstitutionen aus ihrer Verantwortung auch für das Zeitgenössische entlassen mit einer solchen «Insellösung».

Auf einen Paradigmenwechsel hofft der Architekt Oliver Kühn, sowohl was die Finanzierung anlangt wie auch das Raumkonzept; als verkleinerte Mischung aus IRCAM und Cité de la musique darf man sich das Ganze wohl denken. Man müsse für die zeitgenössische Musik und das zeitgenössische Musiktheater offene Räume der Entfaltung schaffen wie bei den Museen der Moderne. Und man müsse nicht immer nur nach dem Staat fragen, sondern privates Engagement stimulieren, siehe Fondation Beyeler. Knut Nevermann war sich denn auch sicher: Drei Voraussetzungen brauche es für einen Erfolg: eine faszinierende Idee, eine Gestalt, die neu ist und überzeugt, und eine Gruppe «engagierter Idioten», die mit Herz und Verstand sich für etwas einsetzten. Das alles sei hier der Fall.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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