Zeitschrift
TEC21 2007|21
Retro
Editorial
Der Begriff «Retro» ist ein Behelf, um verschiedene Spielarten von Renaissance und Revival zu umschreiben. Dass das mit «Retro» Klassifizierte an sich nichts Neues ist, liegt in der Natur des Wortes, haftet ihm doch die Betonung des Rückbezüglichen an. In der Architektur sind Retro, Revival, Renaissance wiederkehrende Bewegungen. In der Konsumindustrie ist Retro dagegen eher ein jüngeres Phänomen – vielleicht mit Ausnahme der Mode, die alle paar Jahre den Fundus der Klamottenkiste des 20. Jahrhunderts plündert.
Über die Gründe ist schon manches gefachsimpelt worden. Dass das Jahrzehnt vor der Jahrtausendwende besonders anfällig war für retrospektivischen Hang, liess sich salopp mal mit der verbreiteten Weltuntergangsstimmung, mal mit der in Verruf geratenen Fortschrittsgläubigkeit oder auch mit der Besinnung auf die natürlichen Ressourcen erklären. Retro bahnt sich immer dann an, wenn sich eine Epoche abnutzt, wenn ihre Höhenflüge im Ikarus-Absturz enden, wenn das Vokabular sich erschöpft, sich auf Floskeln reduziert und zu Dogmen erstarrt, wenn Motive zu blossem Zierrat werden und neue Ideen in der ständigen Repetition sich banalisieren.
Dann treten die einen die Flucht nach vorne an: Höher, weiter, schneller wird zum Selbstzweck und generiert Ausgeburten wie paramilitärische Geländewagen, aufgeständert wie jene Riesenameisen, die im Film «Formicula» von 1954 unter dem Einfluss der Strahlung eines Atomtestgeländes mutierten. Andere fördern mit Retro-Versionen Vertrautes ins Rampenlicht: vom Austin Mini (1959) zum BMW Mini (2001), vom VW Käfer (1946) zum VW New Beetle (1999). Alfa Romeo hat sich dieses Jahr am Automobilsalon in Genf mit der Retro-Studie «8C Competizione» präsentiert. Und Fiat will Mitte 2007 eine Replik des Cinquecento lancieren. Retro-Fahren ist schick, vorausgesetzt die PS stimmen – auch wenn sich unter der Haube eine Fälschung verbirgt: Nicht nur war der VW-Käfer-Motor ein luftgekühlter Vierzylinder-Boxermotor, der im Heck untergebracht war und nicht wie beim New Beetle als Frontmotor konzipiert, der nunmehr ausserdem wassergekühlt wird, auch lässt sich der Keilriemen heute nicht mehr durch ein Strumpfband ersetzen.
Eine der wenigen aussergewöhnlichen Entwicklungen auf dem Retro-Markt ist das Revival der Röhrenverstärker. Obwohl durchaus auch optisch inszeniert, ist er nicht bloss Design-Gadget – Musikliebhaber schwören auf die gegenüber «traditionellen», digitalen Modellen bessere Qualität: Röhrenverstärker- oder Beetle-Prinzip? Das ist die Frage. Sie wird im ersten Artikel thematisiert. Beantwortet wird sie mit Giraudi & Wettsteins «casa le terrazze» in Lugano und Peter Märklis Bürogebäude am Picassoplatz in Basel. Beide Bauten illustrieren, wie retrospektivische Motive zu eigenständigen Werken komponiert werden.
Christian Holl, Rahel Hartmann Schweizer
Wettbewerbe
Gefangen in Zimmer mit Aussicht | Dreieckig wohnen
Magazin
30 Jahre Centre Pompidou | Livio Vacchini | «Roter Nagel» in Appenzell AR
Motiv oder Cliché?
Christian Holl, Rahel Hartmann Schweizer
Retro: von der typologischen Anleihe bis zur «Kopie» eines Gebäudes, von der erklärten Hommage bis zur versteckten Analogie
Kaskade und Sporn
Rahel Hartmann Schweizer
Sandra Giraudi und Felix Wettstein haben mit einem Einfamilienhaus oberhalb von Lugano Hans Scharoun und Vittoriano Viganò die Reverenz erwiesen.
Unauffällige Präsenz
Lilian Pfaff
Das neue Bürogebäude am Picassoplatz in Basel von Peter Märkli erinnert durch seine elegante Stahlfassade an amerikanische Hochhäuser.
SIA
Planungsbüros: hoher Auftragsbestand | Vernehmlassung SIA 2031 «Energieausweis für Gebäude»
Produkte
Impressum
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Der Begriff «Retro» ist ein Behelf, um verschiedene Spielarten von Renaissance und Revival zu umschreiben. Dass das mit «Retro» Klassifizierte an sich nichts Neues ist, liegt in der Natur des Wortes, haftet ihm doch die Betonung des Rückbezüglichen an. In der Architektur sind Retro, Revival, Renaissance wiederkehrende Bewegungen. In der Konsumindustrie ist Retro dagegen eher ein jüngeres Phänomen – vielleicht mit Ausnahme der Mode, die alle paar Jahre den Fundus der Klamottenkiste des 20. Jahrhunderts plündert.
Über die Gründe ist schon manches gefachsimpelt worden. Dass das Jahrzehnt vor der Jahrtausendwende besonders anfällig war für retrospektivischen Hang, liess sich salopp mal mit der verbreiteten Weltuntergangsstimmung, mal mit der in Verruf geratenen Fortschrittsgläubigkeit oder auch mit der Besinnung auf die natürlichen Ressourcen erklären. Retro bahnt sich immer dann an, wenn sich eine Epoche abnutzt, wenn ihre Höhenflüge im Ikarus-Absturz enden, wenn das Vokabular sich erschöpft, sich auf Floskeln reduziert und zu Dogmen erstarrt, wenn Motive zu blossem Zierrat werden und neue Ideen in der ständigen Repetition sich banalisieren.
Dann treten die einen die Flucht nach vorne an: Höher, weiter, schneller wird zum Selbstzweck und generiert Ausgeburten wie paramilitärische Geländewagen, aufgeständert wie jene Riesenameisen, die im Film «Formicula» von 1954 unter dem Einfluss der Strahlung eines Atomtestgeländes mutierten. Andere fördern mit Retro-Versionen Vertrautes ins Rampenlicht: vom Austin Mini (1959) zum BMW Mini (2001), vom VW Käfer (1946) zum VW New Beetle (1999). Alfa Romeo hat sich dieses Jahr am Automobilsalon in Genf mit der Retro-Studie «8C Competizione» präsentiert. Und Fiat will Mitte 2007 eine Replik des Cinquecento lancieren. Retro-Fahren ist schick, vorausgesetzt die PS stimmen – auch wenn sich unter der Haube eine Fälschung verbirgt: Nicht nur war der VW-Käfer-Motor ein luftgekühlter Vierzylinder-Boxermotor, der im Heck untergebracht war und nicht wie beim New Beetle als Frontmotor konzipiert, der nunmehr ausserdem wassergekühlt wird, auch lässt sich der Keilriemen heute nicht mehr durch ein Strumpfband ersetzen.
Eine der wenigen aussergewöhnlichen Entwicklungen auf dem Retro-Markt ist das Revival der Röhrenverstärker. Obwohl durchaus auch optisch inszeniert, ist er nicht bloss Design-Gadget – Musikliebhaber schwören auf die gegenüber «traditionellen», digitalen Modellen bessere Qualität: Röhrenverstärker- oder Beetle-Prinzip? Das ist die Frage. Sie wird im ersten Artikel thematisiert. Beantwortet wird sie mit Giraudi & Wettsteins «casa le terrazze» in Lugano und Peter Märklis Bürogebäude am Picassoplatz in Basel. Beide Bauten illustrieren, wie retrospektivische Motive zu eigenständigen Werken komponiert werden.
Christian Holl, Rahel Hartmann Schweizer
Wettbewerbe
Gefangen in Zimmer mit Aussicht | Dreieckig wohnen
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30 Jahre Centre Pompidou | Livio Vacchini | «Roter Nagel» in Appenzell AR
Motiv oder Cliché?
Christian Holl, Rahel Hartmann Schweizer
Retro: von der typologischen Anleihe bis zur «Kopie» eines Gebäudes, von der erklärten Hommage bis zur versteckten Analogie
Kaskade und Sporn
Rahel Hartmann Schweizer
Sandra Giraudi und Felix Wettstein haben mit einem Einfamilienhaus oberhalb von Lugano Hans Scharoun und Vittoriano Viganò die Reverenz erwiesen.
Unauffällige Präsenz
Lilian Pfaff
Das neue Bürogebäude am Picassoplatz in Basel von Peter Märkli erinnert durch seine elegante Stahlfassade an amerikanische Hochhäuser.
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Planungsbüros: hoher Auftragsbestand | Vernehmlassung SIA 2031 «Energieausweis für Gebäude»
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