Zeitschrift
archithese 3.2007
Einfamilienhäuser
In Architektenkreisen hat das Einfamilienhaus keinen guten Ruf. Es gilt als spiessig, bieder, kleinkariert und langweilig – keine prestigeträchtige Bauaufgabe also, mit der man sich im internationalen Diskurs positionieren könnte. Hinzu kommt die katastrophale Ökobilanz des Einfamilienhauses, so nullenergetisch es im Einzelfall auch konstruiert sein mag. Der Landverbrauch steigt, das Schweizer Mittelland erstickt im Siedlungsbrei, die Unterschiede zwischen Stadt und Land verwischen sich. Doch nicht genug damit, dass das Eigenheim im Grünen sein eigenes Grün zerstört; es zerstört auch das der anderen, indem es steigenden Pendlerverkehr und einen entsprechenden Ausbau der Verkehrsinfrastruktur nach sich zieht. Höchste Zeit also, sich von diesem unliebsamen Thema zu verabschieden.
Doch das Einfamilienhaus lässt sich nicht totschweigen. Es ist nach wie vor des Schweizers liebste Wohnform – eine Vorliebe, die im europäischen Kontext keine Ausnahme darstellt. Ungeachtet der Kritik seitens der Architekten und Planer, der gravierenden ökologischen Nachteile und der Warnungen der Soziologen vor den Folgen einer Zersplitterung der Lebensbereiche erfreut sich diese Wohnform einer ungebrochenen Popularität. Das Bauland mag knapp sein, die Nachfrage nach Einfamilienhäusern wird weiterhin gedeckt: Solange die Gemeinden kraft ihrer Planungssouveränität immer neue Einfamilienhauszonen ausscheiden können, wird sich daran auch nichts ändern, denn Einfamilienhausbesitzer gelten als gute Steuerzahler.
Über ein Drittel der Wohnungen, die in den letzten dreissig Jahren in der Schweiz gebaut worden sind, waren Einfamilienhäuser. Viele wurden von Architektinnen und Architekten gebaut, und nicht nur von solchen, die rein kommerzielle Ziele verfolgen: Trotz einer grundsätzlichen Ablehnung des Einfamilienhauses findet sich bei genauem Hinsehen kaum ein Architekturbüro, das sich nicht schon mit dieser Bauaufgabe beschäftigt hätte. Das Einfamilienhaus ist nicht nur ein klassisches Erstlingswerk; dank seinem klaren Raumprogramm, seiner überblickbaren Grösse und der Individualität der privaten Bauherrschaft eignet es sich auch hervorragend zum Testen räumlicher und technischer Innovationen.
Ein historischer Rückblick in diesem Heft belegt, dass das Potenzial des Einfamilienhauses als baukünstlerische Versuchsanordnung in der Geschichte der Architektur immer wieder genutzt worden ist. Aktuelle Beispiele aus der Schweiz, Deutschland, den USA und Japan zeigen, dass die Zeit der Experimente noch keineswegs vorbei ist. Im Gegenteil, Neues ist hinzugekommen: Friedrich von Borries und Matthias Böttger berichten über ein Immobilienmarkt-Computerspiel, in dem reale Architekten ihre Dienste anbieten, um skurrilste Wohnträume zu erfüllen. Der Stadtsoziologe Hartmut Häussermann und der Anthropologe Wolfgang Kaschuba denken über die Ursprünge, die Gegenwart und die Zukunft des Einfamilienhauses nach. Dezidiert gegen den Mainstream orientiert, legt Hans Frei ein Einfamilienhaus Manifest vor. Stefan Kurath präsentiert die Ergebnisse eines Forschungsprojekts, welches das Zukunftspotenzial von Einfamilienhaussiedlungen untersucht – und auf Bauernhöfen, an Bachläufen und in ehemaligen Kiesgruben fündig wird. Redaktion
02 Editorial
18 Zwischen Traum und Trauma | Wolfgang Kaschuba
22 Komplexe Einheit | Stefan Kurath
28 Suburbia im Umbruch | Hartmut Häussermann
32 Das Einfamilienhaus Manifest | Hans Frei
34 Pars pro toto | J. Christoph Bürkle
40 Mutants and Weak Experiments | Jesse Le Cavalier
48 Living in the Landscape | agps architecture
52 Findling im Bünztal von Ken Architekten: Einfamilienhaus, Möriken, 2006 | Katja Hasche
56 Ein System, zwei Typen: Siedlung in Herrliberg, 2005 von Burkhalter Sumi | Judit Solt
60 Auffällig unauffällig: Haus Blumenthal, Maienfeld, 2006 von Bearth & Deplazes | Hubertus Adam
64 Teilen macht grösser: Haus in München-Grünwald, 2005 von Lynx Architekten | Oliver Herwig
68 Zwischen temporär und permanent: Shutter House, Tokio, 2003, von Shigeru Ban | Ulf Meyer
72 Atelierhaus, verdichtet: Wohn- und Atelierhaus in Tokio, 2005; VON Atelier Bow-Wow | Judit Solt
76 In der Peripherie der Fantasie: Zweites Leben im virtuellen Suburbia | Friedrich von Borries, Matthias Böttger
Architektur aktuell
82 Erweiterung Schulanlage, Rüschlikon, 2006, von Ramser Schmid | Hubertus Adam
86 Wohn- und Geschäftshaus, Düsseldorf, 2006, von Günter Zamp Kelp | Falk Jaeger
Rubriken
90 Bücher
92 Buchrezension
- K. Beelitz, N. Förster: Breslau/Wroclaw | Frank Peter Jäger
- S. Boness, J. Visscher (Hrsg.): Asmara | Frank Peter Jäger
94 Ausstellung
- Möbel von Charles & Ray Eames
- Vitra-Feuerwehrhaus, Weil am Rhein | Hubertus Adam
97 Nekrologe
- Jacques Schader (1917–2007) | Hubertus Adam
- Peter Blake (1920–2006) | Michael Kasiske
100 Neues aus der Industrie
105 fsai
111 Lieferbare Hefte
112 Vorschau und Impressum
Doch das Einfamilienhaus lässt sich nicht totschweigen. Es ist nach wie vor des Schweizers liebste Wohnform – eine Vorliebe, die im europäischen Kontext keine Ausnahme darstellt. Ungeachtet der Kritik seitens der Architekten und Planer, der gravierenden ökologischen Nachteile und der Warnungen der Soziologen vor den Folgen einer Zersplitterung der Lebensbereiche erfreut sich diese Wohnform einer ungebrochenen Popularität. Das Bauland mag knapp sein, die Nachfrage nach Einfamilienhäusern wird weiterhin gedeckt: Solange die Gemeinden kraft ihrer Planungssouveränität immer neue Einfamilienhauszonen ausscheiden können, wird sich daran auch nichts ändern, denn Einfamilienhausbesitzer gelten als gute Steuerzahler.
Über ein Drittel der Wohnungen, die in den letzten dreissig Jahren in der Schweiz gebaut worden sind, waren Einfamilienhäuser. Viele wurden von Architektinnen und Architekten gebaut, und nicht nur von solchen, die rein kommerzielle Ziele verfolgen: Trotz einer grundsätzlichen Ablehnung des Einfamilienhauses findet sich bei genauem Hinsehen kaum ein Architekturbüro, das sich nicht schon mit dieser Bauaufgabe beschäftigt hätte. Das Einfamilienhaus ist nicht nur ein klassisches Erstlingswerk; dank seinem klaren Raumprogramm, seiner überblickbaren Grösse und der Individualität der privaten Bauherrschaft eignet es sich auch hervorragend zum Testen räumlicher und technischer Innovationen.
Ein historischer Rückblick in diesem Heft belegt, dass das Potenzial des Einfamilienhauses als baukünstlerische Versuchsanordnung in der Geschichte der Architektur immer wieder genutzt worden ist. Aktuelle Beispiele aus der Schweiz, Deutschland, den USA und Japan zeigen, dass die Zeit der Experimente noch keineswegs vorbei ist. Im Gegenteil, Neues ist hinzugekommen: Friedrich von Borries und Matthias Böttger berichten über ein Immobilienmarkt-Computerspiel, in dem reale Architekten ihre Dienste anbieten, um skurrilste Wohnträume zu erfüllen. Der Stadtsoziologe Hartmut Häussermann und der Anthropologe Wolfgang Kaschuba denken über die Ursprünge, die Gegenwart und die Zukunft des Einfamilienhauses nach. Dezidiert gegen den Mainstream orientiert, legt Hans Frei ein Einfamilienhaus Manifest vor. Stefan Kurath präsentiert die Ergebnisse eines Forschungsprojekts, welches das Zukunftspotenzial von Einfamilienhaussiedlungen untersucht – und auf Bauernhöfen, an Bachläufen und in ehemaligen Kiesgruben fündig wird. Redaktion
02 Editorial
18 Zwischen Traum und Trauma | Wolfgang Kaschuba
22 Komplexe Einheit | Stefan Kurath
28 Suburbia im Umbruch | Hartmut Häussermann
32 Das Einfamilienhaus Manifest | Hans Frei
34 Pars pro toto | J. Christoph Bürkle
40 Mutants and Weak Experiments | Jesse Le Cavalier
48 Living in the Landscape | agps architecture
52 Findling im Bünztal von Ken Architekten: Einfamilienhaus, Möriken, 2006 | Katja Hasche
56 Ein System, zwei Typen: Siedlung in Herrliberg, 2005 von Burkhalter Sumi | Judit Solt
60 Auffällig unauffällig: Haus Blumenthal, Maienfeld, 2006 von Bearth & Deplazes | Hubertus Adam
64 Teilen macht grösser: Haus in München-Grünwald, 2005 von Lynx Architekten | Oliver Herwig
68 Zwischen temporär und permanent: Shutter House, Tokio, 2003, von Shigeru Ban | Ulf Meyer
72 Atelierhaus, verdichtet: Wohn- und Atelierhaus in Tokio, 2005; VON Atelier Bow-Wow | Judit Solt
76 In der Peripherie der Fantasie: Zweites Leben im virtuellen Suburbia | Friedrich von Borries, Matthias Böttger
Architektur aktuell
82 Erweiterung Schulanlage, Rüschlikon, 2006, von Ramser Schmid | Hubertus Adam
86 Wohn- und Geschäftshaus, Düsseldorf, 2006, von Günter Zamp Kelp | Falk Jaeger
Rubriken
90 Bücher
92 Buchrezension
- K. Beelitz, N. Förster: Breslau/Wroclaw | Frank Peter Jäger
- S. Boness, J. Visscher (Hrsg.): Asmara | Frank Peter Jäger
94 Ausstellung
- Möbel von Charles & Ray Eames
- Vitra-Feuerwehrhaus, Weil am Rhein | Hubertus Adam
97 Nekrologe
- Jacques Schader (1917–2007) | Hubertus Adam
- Peter Blake (1920–2006) | Michael Kasiske
100 Neues aus der Industrie
105 fsai
111 Lieferbare Hefte
112 Vorschau und Impressum
Weiterführende Links:
niggli Imprint der Braun Publishing AG