Zeitschrift
Zuschnitt 27
Zweite Lesung
Wann in den Redaktionssitzungen die Idee aufgetaucht ist, einen Zuschnitt über „Klassiker“ des Holzbaus zu machen, lässt sich nicht einmal mehr anhand der Protokolle einwandfrei feststellen. Tatsache ist, dass das Thema wieder und wieder besprochen, verworfen und vertagt wurde, trotzdem nie ganz aus der Diskussion geriet und schließlich als Inhaltsschwerpunkt für diese Ausgabe gewählt wurde.
Dabei war die Frage nach der Relevanz eines Hefts über längst abgeschlossene und (in den meisten Fällen) oft publizierte Projekte schnell beantwortet: Die Wurzeln aktueller Holzarchitektur zu thematisieren, Entwicklungen darzustellen, die zum Teil in erstaunlicher Linearität, zum Teil über diverse Umwege ArchitektInnen und Arbeiten hervorgebracht haben, die heute bauen bzw. verwirklicht werden, bedeutet, einen großen Zusammenhang herzustellen, der vielen bewusst sein mag, aber selten konkret dargestellt wird.
Schwieriger war es, eine Auswahl zu treffen, sowohl was den zu betrachtenden Zeitraum als auch was die Entscheidung für bestimmte Projekte betrifft. Die Geschichte des modernen Holzbaus in Österreich beginnt schon vor dem Zweiten Weltkrieg, trotzdem haben wir uns dazu entschlossen, nur Arbeiten, die nachher entstanden sind, zu besprechen. Das hat einerseits schlichtweg Platzgründe, andererseits bestand nur so die Möglichkeit, Bauten zu zeigen, die großteils nach wie vor unverändert genutzt werden und deren Architekten zu Planungs- und Umsetzungsbedingungen befragt werden können.
Nach einiger Recherche und beraten von Otto Kapfinger entschieden wir uns dafür, sieben Projekte einer „zweiten Lesung“ zu unterziehen, die zwischen 1962 und 1979 entstanden sind und eine gewisse typologische Bandbreite abdecken. Denn die Auswahl auf nur eine Bauaufgabe zu reduzieren, schien in zweifacher Hinsicht problematisch: Erstens müsste man dann mit einem Anspruch auf Vollständigkeit an die Arbeit herangehen, der inhaltlich zwar zu bewältigen wäre, für den die begrenzte Seitenanzahl eines Zuschnitts aber immer noch lange nicht reichen würde. Zweitens würden viele Aspekte verloren gehen, die zwar etwa im Industrie- oder Kirchenbau eine wesentliche Rolle spielten, nicht aber im Wohnbau. Eine Auswahl dieser Gesichtspunkte sei hier noch einmal anhand der besprochenen Bauten zusammengefasst:
Die Siedlung Halde in Bludenz von Hans Purin verkörpert gesellschafts- und sozialpolitische Fragestellungen der Zeit, u. a. ging es um den Kampf gegen die Zersiedelung, um Partizipation, Selbstbau und die Frage, ob „Holz einmal so etwas wie lange Haare“ (zit. W. Pöschl) war. Die Messehalle 3 in Klagenfurt steht nach wie vor für eine Pionierleistung auf dem Gebiet des Holzleimbaus und übte lange Jahre eine starke Vorbildwirkung in Europa aus. Ähnlich technisch-konstruktiv wurde an das Haus Fischer von Konrad Frey und Florian Beigel in Grundlsee herangegangen, wiewohl seine Größe nur einem Bruchteil jener der Halle von Klagenfurt entspricht. Hier stand die Energiefrage im Vordergrund, und das kleine Ferienhaus wurde oft als „erstes Sonnenhaus Österreichs“ in den Medien vorgestellt. Bei der Schule in Egg, 1962 von Jakob Albrecht geplant, geht es um Fragen der Typologie auf der einen und des damals unüblichen Einsatzes von Holz in öffentlichen Bauten auf der anderen Seite. Das Haus und Atelier Garstenauer in Aigen ist als besonders sorgfältig geplantes und detailliertes, flaches, weitläufiges, fast unsichtbar in die Natur eingebettetes Bauwerk ebenfalls hinsichtlich seiner Typologie interessant und nimmt damit die Gegenposition zum Haus Kolig ein, das Manfred Kovatsch zeitgleich am Ossiachersee errichtete. Dieses spielt zwar mit der Tradition der anonymen Bauten der Region, ist aber in seiner provokanten, turmartigen Zeichenhaftigkeit und verspielten Unbekümmertheit das Gegenteil angepasster Architektur. Schließlich wurde die Montagekirche von Ottokar Uhl in Wien 10 als Beispiel aus einer Reihe von Kirchenbauten gewählt, das, obwohl immer noch an Ort und Stelle, das Thema temporärer Bauten behandelt sowie die Verwendung moderner Materialien und Techniken, wie etwa die Vorfertigung von Holzbauteilen.
Alle diese Gesichtspunkte – vom sozialen Aspekt über den großmaßstäblichen Ingenieurholzbau bis hin zu Fragen des Energieverbrauchs und der Vorfertigung – spielen nach wie vor eine bedeutende Rolle im Holzbau, alle diese Projekte sind nach wie vor erhalten und werden gemäß ihrer ursprünglichen Konzeption genutzt. Der bittere Umstand, aus Platzgründen (obwohl dieser Zuschnitt vier Seiten mehr als sonst enthält) nicht annähernd alle wegweisenden Architekten und Bauten entsprechend würdigen zu können, nicht alles an Material zeigen zu können, das uns von den Planern und Nutzern großzügig zur Verfügung gestellt wurde, wird zumindest ansatzweise wettgemacht durch den Beitrag von Otto Kapfinger, in dem der österreichische Holzbau von den 1950er bis zu den 1970er Jahren umrissen wird und der den unverzichtbaren Verständnis-Hintergrund für die sieben näher besprochenen Projekte bildet.
Wir möchten uns bei all jenen bedanken, die uns wertvolles – zum Teil privates, unveröffentlichtes – Material zur Verfügung gestellt haben und die für Fragen und Interviews zur Verfügung gestanden sind. Es war ein besonderes Vergnügen, diesen Zuschnitt umzusetzen, und wir hoffen, es ist ein ebensolches, ihn zu lesen! Eva Guttmann
Zum Thema
Editorial | Eva Guttmann
Holz lehrt bauen – Österreichische Beispiele 1952 bis 1970 | Otto Kapfinger
Themenschwerpunkt
Kontinuitäten – Siedlung Halde in Bludenz | Robert Fabach
Bauen in neuer Dimension – Die Messehalle 3 in Klagenfurt | Helmut Stingl
Konstruktiv assoziativ – Haus Fischer am Grundlsee | Eva Guttmann
Holz macht Schule – Hauptschule Egg | Nora G. Vorderwinkler
Wohnen in der Natur – Haus Garstenauer in Aigen | Norbert Mayr
Vom Gerüst zum Etui – Das Haus Kolig über dem Ossiachersee | Arno Ritter
Grundsätzlich fortschrittlich – Montagekirche Wien 10 | Bernhard Steger
Literaturempfehlungen
Dabei war die Frage nach der Relevanz eines Hefts über längst abgeschlossene und (in den meisten Fällen) oft publizierte Projekte schnell beantwortet: Die Wurzeln aktueller Holzarchitektur zu thematisieren, Entwicklungen darzustellen, die zum Teil in erstaunlicher Linearität, zum Teil über diverse Umwege ArchitektInnen und Arbeiten hervorgebracht haben, die heute bauen bzw. verwirklicht werden, bedeutet, einen großen Zusammenhang herzustellen, der vielen bewusst sein mag, aber selten konkret dargestellt wird.
Schwieriger war es, eine Auswahl zu treffen, sowohl was den zu betrachtenden Zeitraum als auch was die Entscheidung für bestimmte Projekte betrifft. Die Geschichte des modernen Holzbaus in Österreich beginnt schon vor dem Zweiten Weltkrieg, trotzdem haben wir uns dazu entschlossen, nur Arbeiten, die nachher entstanden sind, zu besprechen. Das hat einerseits schlichtweg Platzgründe, andererseits bestand nur so die Möglichkeit, Bauten zu zeigen, die großteils nach wie vor unverändert genutzt werden und deren Architekten zu Planungs- und Umsetzungsbedingungen befragt werden können.
Nach einiger Recherche und beraten von Otto Kapfinger entschieden wir uns dafür, sieben Projekte einer „zweiten Lesung“ zu unterziehen, die zwischen 1962 und 1979 entstanden sind und eine gewisse typologische Bandbreite abdecken. Denn die Auswahl auf nur eine Bauaufgabe zu reduzieren, schien in zweifacher Hinsicht problematisch: Erstens müsste man dann mit einem Anspruch auf Vollständigkeit an die Arbeit herangehen, der inhaltlich zwar zu bewältigen wäre, für den die begrenzte Seitenanzahl eines Zuschnitts aber immer noch lange nicht reichen würde. Zweitens würden viele Aspekte verloren gehen, die zwar etwa im Industrie- oder Kirchenbau eine wesentliche Rolle spielten, nicht aber im Wohnbau. Eine Auswahl dieser Gesichtspunkte sei hier noch einmal anhand der besprochenen Bauten zusammengefasst:
Die Siedlung Halde in Bludenz von Hans Purin verkörpert gesellschafts- und sozialpolitische Fragestellungen der Zeit, u. a. ging es um den Kampf gegen die Zersiedelung, um Partizipation, Selbstbau und die Frage, ob „Holz einmal so etwas wie lange Haare“ (zit. W. Pöschl) war. Die Messehalle 3 in Klagenfurt steht nach wie vor für eine Pionierleistung auf dem Gebiet des Holzleimbaus und übte lange Jahre eine starke Vorbildwirkung in Europa aus. Ähnlich technisch-konstruktiv wurde an das Haus Fischer von Konrad Frey und Florian Beigel in Grundlsee herangegangen, wiewohl seine Größe nur einem Bruchteil jener der Halle von Klagenfurt entspricht. Hier stand die Energiefrage im Vordergrund, und das kleine Ferienhaus wurde oft als „erstes Sonnenhaus Österreichs“ in den Medien vorgestellt. Bei der Schule in Egg, 1962 von Jakob Albrecht geplant, geht es um Fragen der Typologie auf der einen und des damals unüblichen Einsatzes von Holz in öffentlichen Bauten auf der anderen Seite. Das Haus und Atelier Garstenauer in Aigen ist als besonders sorgfältig geplantes und detailliertes, flaches, weitläufiges, fast unsichtbar in die Natur eingebettetes Bauwerk ebenfalls hinsichtlich seiner Typologie interessant und nimmt damit die Gegenposition zum Haus Kolig ein, das Manfred Kovatsch zeitgleich am Ossiachersee errichtete. Dieses spielt zwar mit der Tradition der anonymen Bauten der Region, ist aber in seiner provokanten, turmartigen Zeichenhaftigkeit und verspielten Unbekümmertheit das Gegenteil angepasster Architektur. Schließlich wurde die Montagekirche von Ottokar Uhl in Wien 10 als Beispiel aus einer Reihe von Kirchenbauten gewählt, das, obwohl immer noch an Ort und Stelle, das Thema temporärer Bauten behandelt sowie die Verwendung moderner Materialien und Techniken, wie etwa die Vorfertigung von Holzbauteilen.
Alle diese Gesichtspunkte – vom sozialen Aspekt über den großmaßstäblichen Ingenieurholzbau bis hin zu Fragen des Energieverbrauchs und der Vorfertigung – spielen nach wie vor eine bedeutende Rolle im Holzbau, alle diese Projekte sind nach wie vor erhalten und werden gemäß ihrer ursprünglichen Konzeption genutzt. Der bittere Umstand, aus Platzgründen (obwohl dieser Zuschnitt vier Seiten mehr als sonst enthält) nicht annähernd alle wegweisenden Architekten und Bauten entsprechend würdigen zu können, nicht alles an Material zeigen zu können, das uns von den Planern und Nutzern großzügig zur Verfügung gestellt wurde, wird zumindest ansatzweise wettgemacht durch den Beitrag von Otto Kapfinger, in dem der österreichische Holzbau von den 1950er bis zu den 1970er Jahren umrissen wird und der den unverzichtbaren Verständnis-Hintergrund für die sieben näher besprochenen Projekte bildet.
Wir möchten uns bei all jenen bedanken, die uns wertvolles – zum Teil privates, unveröffentlichtes – Material zur Verfügung gestellt haben und die für Fragen und Interviews zur Verfügung gestanden sind. Es war ein besonderes Vergnügen, diesen Zuschnitt umzusetzen, und wir hoffen, es ist ein ebensolches, ihn zu lesen! Eva Guttmann
Zum Thema
Editorial | Eva Guttmann
Holz lehrt bauen – Österreichische Beispiele 1952 bis 1970 | Otto Kapfinger
Themenschwerpunkt
Kontinuitäten – Siedlung Halde in Bludenz | Robert Fabach
Bauen in neuer Dimension – Die Messehalle 3 in Klagenfurt | Helmut Stingl
Konstruktiv assoziativ – Haus Fischer am Grundlsee | Eva Guttmann
Holz macht Schule – Hauptschule Egg | Nora G. Vorderwinkler
Wohnen in der Natur – Haus Garstenauer in Aigen | Norbert Mayr
Vom Gerüst zum Etui – Das Haus Kolig über dem Ossiachersee | Arno Ritter
Grundsätzlich fortschrittlich – Montagekirche Wien 10 | Bernhard Steger
Literaturempfehlungen
Weiterführende Links:
proHolz Austria Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Holzwirtschaft
Artikel