Zeitschrift
Metamorphose 02/08
Schulen umbauen
Fokus Schulen umbauen
„Den traditionellen Schultyp mit seinen unwirtlichen meilenlangen Korridoren, die nur als Verkehrswege dienen und vor Kleiderhaken geradezu bersten, gibt es leider immer noch, und sogar gefeierte Star-Architekten gehen in dieser Hinsicht mit schlechtem Beispiel voran.“ (Herman Hertzberger, 2000[3])
Der Ganztagsbetrieb von Schulen soll dem deutschen Bildungssystem auf die Sprünge helfen: Der dadurch nötige Umbau bestehender Schulgebäude eröffnet Architekten ein neues Betätigungsfeld. Neben der Frage, welche Räume ein zeitgemäßer Unterricht erfordert, geht es aber häufig auch darum, denkmalwerte Bauwerke mit ihren gestalterischen Qualitäten zu schützen.
Schulen, die über ihre Funktion als Lernort hinaus auch als Lebensraum akzeptiert werden können, sind keine neue Erfindung: Nicht nur Herman Hertzberger, auch Architekten wie Günther Behnisch oder Hans Scharoun haben versucht, mit ihren Schulbauten dieses Ideal zu verwirklichen. In vielen unserer Bildungsstätten finden sich als räumlicher Grundakkord dennoch die von Hertzberger verschmähten monofunktionalen Korridore ohne Aufenthaltsqualität. Seit die PISA-Studie dem deutschen Bildungssystem gravierende Mängel bescheinigte (siehe Seite 3), hat ein großflächiger Umbau unserer Schulen begonnen – damit eröffnet sich auch die Chance, deren räumliche Qualitäten zu verbessern. Trotz des pädagogischen Willens zur Erneuerung muss bei der Transformation bestehender Schulgebäude aber auch berücksichtigt werden, dass man es häufig mit Bauwerken von hoher gestalterischer Qualität zu tun hat. Etwa die Hälfte der rund 50.000 Schulbauten in Deutschland wurde vor 1960 errichtet, viele davon genießen Denkmalschutz. Bei einem Umbau, der im Inneren dieser Gebäude neue Räume schaffen soll, ist daher eine sensible Hand gefragt – auch Erhalt und Pflege des architektonischen Erbes sind ein Beitrag zur Bildung des Nachwuchses.
Über die jüngeren Bildungsstätten, die zur „Boomzeit“ des Schulbaus in den 1960er und 1970er Jahren errichtet wurden, hält der Denkmalschutz bisher nur selten seine schützende Hand – oft werden hier sogar explizit Eingriffe gefordert. Die damals verbreitete Systembauweise bediente sich häufig schadstoffhaltiger Baumaterialien, die nun mühsam wieder entfernt werden müssen. Auch der Klimawandel lässt die Schulen nicht kalt: Um die energetische Sanierung der „sozialen Infrastruktur“ – und hier vor allem der besonders problematischen Fälle aus den 1960er und 1970er Jahren – voranzutreiben, stellt der Bund im Jahr 2008 finanzschwachen Kommunen Fördergelder zur Verfügung. Mit einer Summe von 600 Millionen Euro ließen sich rein rechnerisch – so das Bauministerium – etwa 600 Schulen energetisch sanieren. Ein Blick in die leeren Kassen der meisten Städte und Gemeinden sowie die Zahl von etwa 10.000 Schulen, die zwischen 1960 und 1970 errichtet worden sind, wirken allerdings ernüchternd. Viele Schulen aus dieser Zeit haben darüber hinaus auch eine räumliche Generalüberholung im Sinne Hertzbergers nötig. Doch eine bauliche Veränderung, die sich nicht direkt mit den allmächtigen Schreckgespenstern PISA und Klimawandel begründen lässt, hat bei der Verteilung von Fördergeldern eher schlechte Karten.
Das liegt auch daran, dass Schul(um)bau im Zusammenhang mit der Entwicklung der schwankenden Schülerzahlen steht, und somit dem Phänomen des „Schweinezyklus“ unterworfen ist. Bis zum Jahr 2020 rechnet das Kultusministerium mit einem Rückgang der Schülerzahlen um etwa 19 Prozent. Um spätere Leerstände zu vermeiden, ist es sinnvoll, über Alternativen zu Neubauten und Ergänzungen nachzudenken. Mit Konzepten, die etwa die Gebäude im Umfeld einer Schule in die Planungen mit einbeziehen, oder mit Erweiterungen, die bei einem Absinken der Schülerzahlen in eine andere Nutzung überführt werden können, lassen sich unter Umständen effiziente Lösungen erarbeiten. Wird durch die geforderte Multifunktionalität die Bauaufgabe Schule in Zukunft sogar ganz verschwinden?
Claudia Hildner
Weiterführende Informationen:
[1] Wüstenrot Stiftung (Hrsg.): Schulen in Deutschland. Neubau und Revitalisierung; Karl Krämer Verlag, Stuttgart 2004
[2] Reinhard Kahl: Treibhäuser der Zukunft – Wie in Deutschland Schulen gelingen; Archiv der Zukunft, 2004
[3] Herman Hertzberger: Space and the architect – Lessons in architecture 2; 010 Publishers, Rotterdam 2000
Bestandsaufnahme
06-15 | Projekte, Bücher, Termine
18-19 | Schulen umbauen
20-23 | Das offene Klassenzimmer: Neue Konzepte für die Gestaltung von Lernbereichen
24-29 | 01 Platte, umflochten: Umbau und Erweiterung einer Grundschule in Schulzendorf
30- 33| 02 Neuer Kopf für alten Körper: Erweiterung der Sachsenwald-Grundschule in Berlin
34-37 | 03 Stahl über Stein: Erweiterung des Gymnasiums Klosterschule, Hamburg
38-43 | 04 Puzzle in 3D: Umbau der Wingertschule in Dreieich-Offenthal
44-45 | 05 Farbe in durchdachter Dosis: Umbau der Herzog-Ulrich-Grundschule in Lauffen am Neckar
46-51 | 06 Raum kennt kein Neu oder Alt: Modernisierung und Ergänzung des Schulhauses Kronenwiese, Adliswil
52-59 | 07 Überraschend gut erhalten: Modernisierung der ehemaligen Bundesschule des ADGB, Bernau
Baukosten
60-63 | Kalkulation des Unberechenbaren: Kostenplanung im Bestand
Produkte
64-67 | Produkt im Objekt
68-69 | Boden, Wand, Decke
70-72 | Schulmöbel
Ausbildung
74-75 | Aufbaustudium in Hildesheim
Rubriken
78 | Vorschau, Impressum, Bildnachweis
„Den traditionellen Schultyp mit seinen unwirtlichen meilenlangen Korridoren, die nur als Verkehrswege dienen und vor Kleiderhaken geradezu bersten, gibt es leider immer noch, und sogar gefeierte Star-Architekten gehen in dieser Hinsicht mit schlechtem Beispiel voran.“ (Herman Hertzberger, 2000[3])
Der Ganztagsbetrieb von Schulen soll dem deutschen Bildungssystem auf die Sprünge helfen: Der dadurch nötige Umbau bestehender Schulgebäude eröffnet Architekten ein neues Betätigungsfeld. Neben der Frage, welche Räume ein zeitgemäßer Unterricht erfordert, geht es aber häufig auch darum, denkmalwerte Bauwerke mit ihren gestalterischen Qualitäten zu schützen.
Schulen, die über ihre Funktion als Lernort hinaus auch als Lebensraum akzeptiert werden können, sind keine neue Erfindung: Nicht nur Herman Hertzberger, auch Architekten wie Günther Behnisch oder Hans Scharoun haben versucht, mit ihren Schulbauten dieses Ideal zu verwirklichen. In vielen unserer Bildungsstätten finden sich als räumlicher Grundakkord dennoch die von Hertzberger verschmähten monofunktionalen Korridore ohne Aufenthaltsqualität. Seit die PISA-Studie dem deutschen Bildungssystem gravierende Mängel bescheinigte (siehe Seite 3), hat ein großflächiger Umbau unserer Schulen begonnen – damit eröffnet sich auch die Chance, deren räumliche Qualitäten zu verbessern. Trotz des pädagogischen Willens zur Erneuerung muss bei der Transformation bestehender Schulgebäude aber auch berücksichtigt werden, dass man es häufig mit Bauwerken von hoher gestalterischer Qualität zu tun hat. Etwa die Hälfte der rund 50.000 Schulbauten in Deutschland wurde vor 1960 errichtet, viele davon genießen Denkmalschutz. Bei einem Umbau, der im Inneren dieser Gebäude neue Räume schaffen soll, ist daher eine sensible Hand gefragt – auch Erhalt und Pflege des architektonischen Erbes sind ein Beitrag zur Bildung des Nachwuchses.
Über die jüngeren Bildungsstätten, die zur „Boomzeit“ des Schulbaus in den 1960er und 1970er Jahren errichtet wurden, hält der Denkmalschutz bisher nur selten seine schützende Hand – oft werden hier sogar explizit Eingriffe gefordert. Die damals verbreitete Systembauweise bediente sich häufig schadstoffhaltiger Baumaterialien, die nun mühsam wieder entfernt werden müssen. Auch der Klimawandel lässt die Schulen nicht kalt: Um die energetische Sanierung der „sozialen Infrastruktur“ – und hier vor allem der besonders problematischen Fälle aus den 1960er und 1970er Jahren – voranzutreiben, stellt der Bund im Jahr 2008 finanzschwachen Kommunen Fördergelder zur Verfügung. Mit einer Summe von 600 Millionen Euro ließen sich rein rechnerisch – so das Bauministerium – etwa 600 Schulen energetisch sanieren. Ein Blick in die leeren Kassen der meisten Städte und Gemeinden sowie die Zahl von etwa 10.000 Schulen, die zwischen 1960 und 1970 errichtet worden sind, wirken allerdings ernüchternd. Viele Schulen aus dieser Zeit haben darüber hinaus auch eine räumliche Generalüberholung im Sinne Hertzbergers nötig. Doch eine bauliche Veränderung, die sich nicht direkt mit den allmächtigen Schreckgespenstern PISA und Klimawandel begründen lässt, hat bei der Verteilung von Fördergeldern eher schlechte Karten.
Das liegt auch daran, dass Schul(um)bau im Zusammenhang mit der Entwicklung der schwankenden Schülerzahlen steht, und somit dem Phänomen des „Schweinezyklus“ unterworfen ist. Bis zum Jahr 2020 rechnet das Kultusministerium mit einem Rückgang der Schülerzahlen um etwa 19 Prozent. Um spätere Leerstände zu vermeiden, ist es sinnvoll, über Alternativen zu Neubauten und Ergänzungen nachzudenken. Mit Konzepten, die etwa die Gebäude im Umfeld einer Schule in die Planungen mit einbeziehen, oder mit Erweiterungen, die bei einem Absinken der Schülerzahlen in eine andere Nutzung überführt werden können, lassen sich unter Umständen effiziente Lösungen erarbeiten. Wird durch die geforderte Multifunktionalität die Bauaufgabe Schule in Zukunft sogar ganz verschwinden?
Claudia Hildner
Weiterführende Informationen:
[1] Wüstenrot Stiftung (Hrsg.): Schulen in Deutschland. Neubau und Revitalisierung; Karl Krämer Verlag, Stuttgart 2004
[2] Reinhard Kahl: Treibhäuser der Zukunft – Wie in Deutschland Schulen gelingen; Archiv der Zukunft, 2004
[3] Herman Hertzberger: Space and the architect – Lessons in architecture 2; 010 Publishers, Rotterdam 2000
Bestandsaufnahme
06-15 | Projekte, Bücher, Termine
18-19 | Schulen umbauen
20-23 | Das offene Klassenzimmer: Neue Konzepte für die Gestaltung von Lernbereichen
24-29 | 01 Platte, umflochten: Umbau und Erweiterung einer Grundschule in Schulzendorf
30- 33| 02 Neuer Kopf für alten Körper: Erweiterung der Sachsenwald-Grundschule in Berlin
34-37 | 03 Stahl über Stein: Erweiterung des Gymnasiums Klosterschule, Hamburg
38-43 | 04 Puzzle in 3D: Umbau der Wingertschule in Dreieich-Offenthal
44-45 | 05 Farbe in durchdachter Dosis: Umbau der Herzog-Ulrich-Grundschule in Lauffen am Neckar
46-51 | 06 Raum kennt kein Neu oder Alt: Modernisierung und Ergänzung des Schulhauses Kronenwiese, Adliswil
52-59 | 07 Überraschend gut erhalten: Modernisierung der ehemaligen Bundesschule des ADGB, Bernau
Baukosten
60-63 | Kalkulation des Unberechenbaren: Kostenplanung im Bestand
Produkte
64-67 | Produkt im Objekt
68-69 | Boden, Wand, Decke
70-72 | Schulmöbel
Ausbildung
74-75 | Aufbaustudium in Hildesheim
Rubriken
78 | Vorschau, Impressum, Bildnachweis
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