Zeitschrift

TEC21 2008|36
Transformiert
TEC21 2008|36
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
«die form eines gegenstandes halte so lange, das heisst sei so lange erträglich, solange der gegenstand physisch hält. Ich will das zu erklären suchen: ein anzug wird seine form häufiger wechseln als ein wertvoller pelz.»[1] Um mit Adolf Loos zu sprechen, handelt es sich bei den in diesem Heft thematisierten Bauten um wertvolle Pelze, deren Physis an sich intakt war. Doch sei es, dass sich Motten einnisteten («Asbest: Risiko abklären»), dass die Nähte nicht mehr stark genug waren («Hohe Promenade») oder dass sie aus der Mode gekommen waren («Kunst elektrisiert», «Dreibein, Korsett und Regenschirme»): Die Bauten wurden einer Transformation unterzogen.

Das Titelbild illustriert ein anderes Kleidungsstück, das noch bis vor Kurzem démodé war (dass es heute wieder en vogue ist, ist eine andere Geschichte). Das Korsett ist vielfach negativ konnotiert. Dem modischen Accessoire, das den Zwang symbolisiert, sich einzuschnüren, um ein zweifelhaftes Schönheitsideal zu erfüllen, brach erst das Verdikt der Mediziner, die drastisch auf die Verformung des Knochenkostüms verwiesen, das Genick bzw. das Fischbein.

Auch auf dem Gebiet der Architektur hat es sich keinen guten Namen gemacht. Sah sich die Moderne im Korsett der Stile gefangen, aus dem sich das Neue Bauen zu befreien trachtete, hadern heutige Architekten mit dem konstruktiven Korsett, das ihnen die Schwerkraft und die Gesetze der Baustatik auferlegen. Die Zerstörung von Baukultur wird ebenso unter «Architektur im Korsett» subsumiert wie umgekehrt Bauvorschriften, Kostenrahmen und Auflagen des Denkmalschutzes.

Wenn «Kürschner» am Werk sind, die ihr Fach meisterlich beherrschen, schöpfen sie aus der Beschränkung das Potenzial: Sie rücken dem Schädlingsbefall vorzeitig zu Leibe, verstärken die Nähte, ehe auch das Fell berieben ist, und arbeiten den Pelz so um, dass ihn die Modeströmung nicht hinwegfegt. Das Korsett im übertragenen Sinn – beim Caixa Forum die beschränkte Tragfähigkeit der Umfassungsmauern – ausgerechnet mit einem Korsett im wörtlichen Sinn – der Konstruktion – zu sprengen, mithin das Korsett zum Clou der Lösung zu machen, ist Homöopathie: Similia similibus curantur (Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt).
Rahel Hartmann Schweizer

Anmerkung
[1] Adolf Loos, «Ornament und Verbrechen», 1908, in: Ulrich Conrads: Programme und Manifeste zur Architektur des 20. Jahrhunderts. Vieweg. Braunschweig/Wiesbaden, 1981, S.15ff .

05 WETTBEWERBE
Architektur in Worten – Thesenkonkurrenz

14 MAGAZIN
Historischer Anker im Stadtfluss | Leserbrief: Rollen eines Ingenieurs | FLS: Entscheidende Phase

24 DREIBEIN, KORSETT UND REGENSCHIRME
Heinrich Schnetzer Ingenieurwesen: Die Integration der Umfassungsmauern des Madrider Elektrizitätswerks in das neue Caixa Forum gelang den Ingenieuren WGG Schnetzer Puskas mit einem ebenso diskreten wie anspruchsvollen Tragwerkskonzept.

29 KUNST ELEKTRISIERT
Klaus Englert Architektur: Die architektonische Attraktion des Caixa Forum von Herzog & de Meuron sind die gusseisernen, perforierten Fassadenplatten, die das auf die Ziegelfassade des Elektrizitätswerks aufgepfropfte Gehäuse wie eine Aussenhaut abschirmen.

34 ASBESTRISIKO ABKLÄREN
Daniel Bürgi Umwelt: Die Mehrheit aller Bauten aus den 1950er- bis 1980er-Jahren enthält Asbest. Kommen diese ins Sanierungsalter, werden mit einer Asbestabklärung vor Baubeginn Gesundheitsrisiken vermieden.

38 HOHE PROMENADE
Anna Ciari, Carlo Bianchi Denkmalpflege: Um die Erdbebensicherheit nachzuweisen, wurde ein neues, verformungsbasiertes Verfahren für Mauerwerksbauten für die Anwendung an einem Altbau – der Zürcher Kantonsschule Hohe Promenade – adaptiert.

44 SIA
Geschäftslage im 2. Quartal 2008 | Kurse Projektmanagement | Innovation unter Tage

49 PRODUKTE

61 IMPRESSUM

62 VERANSTALTUNGEN

teilen auf

Weiterführende Links:
Verlags-AG der akademischen technischen Vereine

Tools: