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Metamorphose 05/09
Landleben
Metamorphose 05/09
zur Zeitschrift: Metamorphose
Fokus: Auf dem Land

„Achte auf die Formen, in denen der Bauer baut. Denn sie sind der Urväterweisheit geronnene Substanz. Aber suche den Grund der Form auf. Haben die Fortschritte der Technik es möglich gemacht, die Form zu verbessern, so ist immer diese Verbesserung zu verwenden. Der Dreschflegel wird von der Dreschmaschine abgelöst.“ (Adolf Loos, 1913 [1])


Die Frage drängt: Was soll mit all den Bauernhäusern, Scheunen und Ställen geschehen, die heute leerstehen? Sie erzählen wortreich von traditioneller regionaler Baukultur. Doch die Zahl landwirtschaftlicher Betriebe sinkt rapide. Lassen sich ihre Bauwerke für neue Zwecke so umgestalten, dass sie auch als Geschichtszeugnis bewahrt bleiben?

Von der Agrar- zur Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft: Der Fortschritt hat der traditionellen Landwirtschaft die Basis entzogen und verändert den ländlichen Raum. Wird bald der Vergangenheit angehören, was einst einen großen Teil unserer Kulturlandschaft ausmachte – das offene Land mit seinen Äckern, Wiesen, Weinbergen, mit seinen Dörfern oder Streusiedlungen? In manchen Regionen sieht es ganz danach aus, vor allem dort, wo traditionell kleine Höfe üblich waren. Seit in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Umstrukturierung der Landwirtschaft zu großen Wirtschaftseinheiten voranschritt – von EU-Politikern durch Subventionen und Kontingente planmäßig befeuert – musste die überwältigende Mehrheit bäuerlicher Familienbetriebe aufgeben. In Baden-Württemberg etwa gab es 1949 noch 400.000 landwirtschaftliche Betriebe, 1989 nur noch 120.000, und bis 2005 schrumpfte die Zahl auf 20.000 [2]. Im Schwarzwald ist stellenweise das Landschaftsbild in Gefahr, weil Weideflächen, die nicht mehr bewirtschaftet werden, sich wieder in Wald verwandeln. Als Gegenmaßnahme erhalten Bergbauern finanzielle Unterstützung, um die Landschaft zu pflegen. Manche können nur auf diese Weise ihren Hof am Leben erhalten.

In der Nähe von Großstädten haben sich Dörfer zu Schlafstädten gewandelt. Die Aussiedlerhöfe, die in der Nachkriegszeit neu errichtet wurden, um die Landwirtschaft aus den Dörfern hinauszuverlegen, trugen zum Leerfall der innerörtlichen Höfe bei, überlastete Durchfahrtsstraßen und staatlich geförderte Neubaugebiete führten zur Verödung alter, landwirtschaftlich geprägter Ortskerne.

Was wird aus all den Bauernhäusern, Scheunen und Ställen? Gruppiert um Kirche und Rathaus oder als typische Ortsrandbebauung, sind es gerade diese alten Bauwerke, die die Identität eines Dorfes prägen. Wo sie noch nicht abgerissen wurden, sollte ihr Erhalt im öffentlichen Interesse liegen. Gut überliefert sind vor allem diejenigen Gebäude, bei denen aufgrund von Armut in den vergangenen fünfzig Jahren wenig verändert wurde. Doch gerade sie sind besonders gefährdet, weil bei ihnen der Instandsetzungsbedarf besonders hoch ist. Landwirte können den Erhalt der Bauwerke häufig nicht finanzieren, und staatliche Hilfen für den Schutz der Gebäude fließen kaum noch. Erhöhte steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für Maßnahmen, die nach §7i EStG „dem Erhalt und der sinnvollen Nutzung von Kulturdenkmalen dienen“, unterstützen bei dieser Aufgabe gut verdienende Bevölkerungsschichten, jedoch helfen sie den von mageren Renten lebenden Altbauern ebenso wenig wie Jungbauern, die bei Instandsetzungen ihre Arbeitskraft einbringen können, aber in der Regel über ein nur geringes zu versteuerndes Einkommen verfügen [2].

In strukturschwachen Regionen stehen daher viele landwirtschaftliche Bauten einfach leer und verfallen allmählich, in strukturstarken Gebieten finden sich Käufer, die sie umbauen und für neue Zwecke transformieren – stadtflüchtige Familien etwa verwandeln sie in ihr neues Zuhause. Optimal für ein Denkmal ist die Umnutzung zum Ferienhaus, die aber natürlich nur an touristisch attraktiven Orten sinnvoll ist. Sie ermöglicht einen besonders schonenden Umgang mit der alten Bausubstanz. Aufwändige Dämmmaßnahmen erübrigen sich, da das Gebäude nur im Sommer genutzt wird, und die vielen kleinen Unzulänglichkeiten wie steile Treppen, geringe Raumhöhen, niedrige Türstürze oder kleine Fensteröffnungen werden im Urlaub für ein paar Tage oder Wochen toleriert, vielleicht sogar als Erlebnis empfunden, während sie von einem Nutzer, der ein Haus ganzjährig bewohnen will, als unzumutbar betrachtet werden und zu umfangreichen Eingriffen in das Bauwerk führen.

Egal, ob ein Gebäude nun Denkmalstatus genießt oder nicht: Das Höfesterben der vergangenen Jahrzehnte hat eine große Zahl landwirtschaftlicher Bauten freiwerden lassen, die noch immer auf Instandsetzung, Umbau oder Umnutzung warten. Es gibt viel zu tun.

Christian Schönwetter


Anmerkungen:
[01] Adolf Loos: Über Architektur. Ausgewählte Schriften, Wien 1995, S.121
[02] nach Petra Wichmann: Höfesterben und baulicher Verfall unserer Dörfer, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, Ausgabe 4/2007, S.204-210. Die Zeitschrift kann kostenlos über das Landesamt für Denkmalpflege bezogen werden (per E-Mail: nachrichtenblatt-LAD@rps.bwl.de).

Bestandsaufnahme
06-09 | per aspera ad astra: Zugang zum Südturm des Kölner Doms
10-17 | Baupolitik, Projekte, Bücher, Termine

18-19 | Auf dem Land
20-23 | Fünf vor zwölf: Scheunen zwischen Abriss und Umnutzung
24-29 | Feines Gespür fürs Massive: Umbauten traditioneller Engadiner Häuser
30-33 | 01 Halle in der Hülle: Angelika Kauffmann Museum in Schwarzenberg (A)
34-37 | 02 Helle Haut: Büro- und Atelierhaus in Röthis (A)
38-43 | 03 Präzision und Einfühlung: Haus von Moos in Malans (CH)
44-47 | 04 In letzter Sekunde: Wohn- und Atelierhaus in Waiblingen-Neustadt

Technik
48-51 | Wurm drin? Wie sich Holzschädlinge erkennen, entfernen und dauerhaft vermeiden lassen
52-53 | Eins aufs andere: Doppelt dämmt besser: die Sanierung von WDVS

Produkte
54-55 | Dach
56-57 | Rund ums Fenster
58-59 | Neuheiten

Fortbildung
60-61 | In großem Maßstab: Masterstudium „Sanierung und Revitalisierung“ in Krems

Verkannte Perlen
64-65 | Wohnen im Unesco-Steinbruch: Hufeisensiedlung in Berlin droht zu verfallen

Rubriken
66 | Vorschau, Impressum, Bildnachweis

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