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Metamorphose 03/11
Sportbauten
Metamorphose 03/11
zur Zeitschrift: Metamorphose
Fokus: Sportbauten

„Das Amphitheater ist also das erste bedeutende Monument der alten Zeit, das ich sehe, und so gut erhalten! Als ich […] oben auf dem Rande umherging, schien es mir seltsam, etwas Großes und doch eigentlich nichts zu sehen. Auch will es leer nicht gesehen sein, sondern ganz voll von Menschen.“
(Johann Wolfgang von Goethe über die antike Arena von Verona [1])


Ob unscheinbarer Bolzplatz, geschlossene Mehrzweckhalle oder Freiluftstadion für 80.000 Besucher: Sportstätten üben sowohl auf die Akteure als auch auf deren Zuschauer einen ganz besonderen Reiz aus. Denn vollkommen unabhängig von ihrer Größe und Bauart bieten sie allen Anwesenden eine Bühne, um intensive Emotionen zu durchleben. Dieses Schauspiel blickt auf eine große Tradition zurück, liegt doch der Grundstein nicht nur der Leibesertüchtigung, sondern auch der dazu notwendigen Anlagen bereits in der Antike. Vor allem die römischen Amphitheater dienten in der Neuzeit dann als Basis für den Bau und die kontinuierliche Weiterentwicklung von Großstadien, etwa anlässlich der wiederbelebten Olympischen Spiele. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse wurden aber auch auf die kleineren Sport- und Veranstaltungsstätten übertragen, die flächendeckend bis hinein in ländliche Regionen entstanden. Weitreichende konzeptionelle Änderungen traten erst während der vergangenen beiden Jahrzehnte zutage, verbunden mit dem Wunsch nach mehr Komfort und besserer Vermarktbarkeit. Der Ruf nach optimalen Sichtverhältnissen auf den Tribünen ist dagegen so alt wie manches antikes Bauwerk – und noch immer eine besondere Herausforderung für die Planung.

Viele der nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Stadien sind inzwischen stark sanierungsbedürftig und entsprechen nicht mehr den Anforderungen der Nutzer. Entscheidet sich der Bauherr für „Umbau statt Abriss“, bleibt in vielen Fällen neben anspruchsvoller Architektur auch ein Ort bewahrt, der in der Erinnerung zigtausender ehemaliger Zuschauer eine große Rolle spielt. Gerade die Sportbauten der Sechziger- und Siebzigerjahre zeigen meist hohe gestalterische Qualität, die heute zugunsten von Funktionalität oftmals ins Hintertreffen gerät. Dass sich bei einer Modernisierung beides unter einen Hut bringen lässt, beweisen die ausgewählten Projektbeispiele, die darüber hinaus repräsentativ für das breite Aufgabenspektrum des Sportstättenumbaus stehen:

Damit die Profifußballer noch mehr Unterstützung bekommen und zusätzliche Eintrittskarten verkauft werden können, erhielt das Leverkusener Stadion einen zweiten Rang. Eine neue Dachkonstruktion schirmt die Besucher vor Witterungseinflüssen ab, gewährt dem Rasen aber ausreichend Licht. Bewegung kam auch unter das altehrwürdige Zeltdach im Münchner Olympiapark: Dort galt es zum einen, die in die Jahre gekommene große Sporthalle für den Wettbewerb unter den Veranstaltungsstätten noch konkurrenzfähiger zu machen, zum anderen, die ursprüngliche Klarheit ihres Entwurfsansatzes wiederherzustellen.

Denn schließlich könnte sie schon in absehbarer Zeit wieder im absoluten Fokus der Weltöffentlichkeit stehen – als Austragungsort olympischer Eiswettbewerbe, sollte Deutschland den Zuschlag für die Winterspiele 2018 erhalten. Wesentlich „heißer“ war das Thema dagegen bei der Erweiterung der Göppinger Hohenstaufenhalle. Das unter Handballfans als „Hölle Süd“ bekannte Gebäude hat nun auch Sitzreihen an den beiden Stirnseiten des Spielfelds – und damit einen geschlossenen Tribünenring, auf dem die Zuschauer für feurige Atmosphäre sorgen. Auch bei den anderen Eingriffen in die Substanz konnte die schützenswerte Dachkonstruktion des Altbaus unangetastet bleiben. Abkühlung verspricht die Wuppertaler Schwimmoper, allerdings nur während ihres Regelbetriebs als Freizeitbad. Bei Wettkämpfen steigt zumindest die gefühlte Temperatur dann wieder an – wenn die beiden Tribünen unter dem charakteristischen Hängedach voll besetzt sind und die Besucher den sanierten Fünfzigerjahre-Bau zum „Kochen“ bringen.

Simon Böhm


Anmerkungen:
[01] Goethe, Johann Wolfgang von: Italienische Reise. (Mit einem Nachwort, einer Zeittafel zu Goethe, Anmerkungen und bibliographischen Hinweisen von Peter Sprengel.) München, 1988, S. 38

Bestandsaufnahme
06-09 | Mauerwerk weitergestrickt: Sitz der Bundesstiftung Baukultur, Potsdam
10-15 | Aktuelles
16 | Bücher
17 | Termine

18-19 | Sportbauten
20-23 | Einst Erdmulde, heute Hightecharena: Die Geschichte der Stadionarchitektur im Zeitraffer
24-27 | Sehen und gesehen werden: Planungsempfehlungen für Tribünenanlagen
28-31 | 01 Vom Aschenputtel zum Wahrzeichen: BayArena in Leverkusen
32-39 | 02 Bewegung unterm Zeltdach: Olympiahalle in München
40-43 | 03 Hölle 2.0: Hohenstaufenhalle in Göppingen
44-47 | 04 Wettkampfstätte und Freizeitbad: Schwimmoper in Wuppertal

Technik
48-51 | Energetische Sanierung – Flacher Aufbau, hohe Wirkung: Fußboden- und Wandheizungen im Gebäudebestand
52-54 | Historische Baustoffe – Teppich aus Stein: Vom Ton zur Keramik – die Geschichte der Fliese
55-57 | Technik aktuell – Achtung: Dicht gestrichen! Flachdachinstandsetzung mit Flüssigkunststoffen

Produkte
58-59 | Sanitärräume sanieren
60-61 | Brandschutz im Bestand
62-63 | Neuheiten

Rubriken
64-65 | Verkannte Perlen – Umstrittene Totaloperation: Dem „Alten Krankenhaus“ in Schweinfurt droht der Abriss
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