Zeitschrift
Metamorphose 05/11
Low Budget
Fokus: Low Budget
„Billig ist nicht ein Ziel an sich, sondern eine Möglichkeit, anderswo mehr Qualität zu bieten.“
(Anne Lacaton, Lacaton & Vassal, 2008 [1])
Enge Budgets sind nicht nur bei kommunalen Bauten inzwischen die Regel. Der geschickte Umgang mit wenig Geld erfordert eine ganz eigene Art von Können, das Architekten in ihrer Ausbildung selten vermittelt wird. Gerade beim Bauen im Bestand mit seinen vielen Unwägbarkeiten ist es wichtig, stets den Überblick über die Kosten zu behalten.
Viele Menschen schrecken davor zurück, für einen Neu- oder Umbau einen Architekten zu engagieren. Schuld daran ist unter anderem das Vorurteil, dass ein Architekt viel Geld koste und wenig bringe, da er mit dem vorgegebenen Budget nicht umgehen könne. Der Grund dafür, wieso sich diese Meinung hartnäckig hält, mögen einige wenige schwarze Schafe der Branche oder aber Baustellen mit unvorhergesehenen Komplikationen sein. Tatsächlich ist ein erfahrener Architekt in der Regel eher ein Garant dafür, dass das Budget eingehalten werden kann – und dass auch mit wenig Geld noch architektonische Qualität erreicht wird.
Nicht nur der Auftragslage unserer Branche schadet es, wenn Architektur von weiten Teilen der Bevölkerung mit Luxus assoziiert wird. Wenn das Geld knapp ist – und das ist es in den Kommunen fast immer – leidet auch die Baukultur, Rathäuser, Schulen oder Theater werden nur notdürftig geflickt und technisch instandgesetzt. Bei einem Bauwerk, das der Öffentlichkeit dient und dessen Erscheinungsbild zum Ausdruck bringt, welchen Wert Kultur in der Gesellschaft hat, wünscht man sich jedoch ein ganzheitliches Konzept, bei dem auch die gestalterische Qualität berücksichtigt wird. Oft lässt sich schon durch eine geschickte Umverteilung der Gelder viel erreichen.
Das Pariser Büro Lacaton & Vassal ist für seinen Umgang mit niedrigen Budgets bekannt geworden. Für Anne Lacaton steht auch bei Bauten, die nur wenig Geld kosten dürfen, die architektonische und räumliche Qualität an erster Stelle. Gerade im Wohnbau besteht für sie die Herausforderung darin, dort zu sparen, wo es die Menschen in ihrem täglichen Leben am wenigsten einschränkt. Rohe Wände und Böden oder günstige Materialien sind in Ordnung, doch das Sparen an diesen Standards sollte nicht als Selbstzweck dienen, sondern sich anderswo durch zusätzliche Flächen und Räume mit besonderen Qualitäten bemerkbar machen.
Lacaton trennt die Faktoren Kosten und Fläche: Die Komplexität eines Bauwerks trägt ihrer Meinung nach viel stärker dazu bei, ob ein Gebäude zu einem günstigen Preis verwirklicht werden kann oder nicht, als die Größe. Je einfacher gebaut wird – also je stärker auf vorgefertigte bzw. industrielle Lösungen zurückgegriffen wird, je weniger Materialien ins Spiel kommen und je weniger die Handwerker leisten müssen –, desto günstiger kann ein Bau entstehen. Kosteneinsparungen ergeben sich dabei oft auch an unvermuteter Stelle: Etwa, wenn ein Gebäude während des Umbaus dank einer speziellen Strategie durchgehend genutzt werden kann.
Dass mit niedrigen Budgets architektonisch anspruchsvoll umgebaut werden kann, zeigen auch die Beispiele in diesem Heft. Beim temporären Sitz des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe (S. 28) wurde eine günstige, aber dennoch repräsentative Übergangslösung für drei Jahre gefunden. Im hoch verschuldeten Berlin sind die Budgets traditionell stark begrenzt – der in einer ehemaligen Typenschule untergebrachten Bezirksbibliothek Friedrichshain-Kreuzberg (S. 34) merkt man das jedoch nicht an. Kleine Projekte wie der Anbau an das Haus Kuhnert in Berlin (S. 42) und „Selective Insulation“ in Allenheads (S. 40) belegen, wie mit minimalem Aufwand eine maximale Wirkung erzielt werden kann: Die Berliner Hauserweiterung nimmt sich durch das golden glänzende, aber äußerst kostengünstige Fassadenmaterial selbst auf die Schippe; der Raum-in-Raum in Allenheads zoniert ein Künstleratelier in einen beheizten und einen unbeheizten Bereich, was dabei hilft, Heizkosten zu sparen. Dieses Prinzip findet sich auch bei den Gewerbelofts „Evergreen“ in Köln (S. 44) wieder. Roh belassene Oberflächen und gebrauchte Container inszenieren hier zudem die neue Nutzung.
Claudia Hildner
Anmerkungen:
[1] Über den Luxus günstiger Bauten. Lacton und Vassal, Anne Lacaton im Gespräch mit Susanne Stacher. In: Werk Bauen Wohnen 12/2008, S. 12
Bestandsaufnahme
06-09 | Hühner statt Hüte: Mendelsohns ehemalige Hutfabrik in Luckenwalde
10-17 | Aktuelles
18 | Bücher
19 | Termine
20-21 | Low Budget
22-23 | Schön billig: Strategien des günstigen Umbaus
24-27 | „Differenzierte Planung ist das A und O“: Kostenfaktoren beim Bauen im Bestand
28-33 | 01 Sparsam, nicht spartanisch: Temporärer Amtssitz Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe
34-39 | 02 Typenprojekt mit Überraschungen: Bezirksbibliothek Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin
40-41 | 03 Warme Zelle: Gastkünstleratelier in Allenheads/Hexham (GB)
42-43 | 04 Goldstück: Erweiterung des Hauses Kuhnert in Berlin
44-47 | 05 Ort in Bewegung: Gewerbelofts „Evergreen“ in Köln
Technik
48-51 | Energetische Sanierung – Home, smart Home: Gebäudeautomation im Bestand
52-54 | Technik aktuell – Schiefe Ebene: Die Qual der Wahl – Trocken- oder Nassestrich?
55-57 | Historische Bautechnik – Vom Stock zur Sprosse: Konstruktion und Form historischer Fenster
Produkte
58-59 | Dämmstoffe
60-61 | Innenausbau
62-63 | Neuheiten
Rubriken
64-65 | Verkannte Perlen – „Von einer fast zarten Form“: Kramers Philosophikum in Frankfurt droht zu verschwinden
66 | Vorschau
66 | Impressum
66 | Bildnachweis
„Billig ist nicht ein Ziel an sich, sondern eine Möglichkeit, anderswo mehr Qualität zu bieten.“
(Anne Lacaton, Lacaton & Vassal, 2008 [1])
Enge Budgets sind nicht nur bei kommunalen Bauten inzwischen die Regel. Der geschickte Umgang mit wenig Geld erfordert eine ganz eigene Art von Können, das Architekten in ihrer Ausbildung selten vermittelt wird. Gerade beim Bauen im Bestand mit seinen vielen Unwägbarkeiten ist es wichtig, stets den Überblick über die Kosten zu behalten.
Viele Menschen schrecken davor zurück, für einen Neu- oder Umbau einen Architekten zu engagieren. Schuld daran ist unter anderem das Vorurteil, dass ein Architekt viel Geld koste und wenig bringe, da er mit dem vorgegebenen Budget nicht umgehen könne. Der Grund dafür, wieso sich diese Meinung hartnäckig hält, mögen einige wenige schwarze Schafe der Branche oder aber Baustellen mit unvorhergesehenen Komplikationen sein. Tatsächlich ist ein erfahrener Architekt in der Regel eher ein Garant dafür, dass das Budget eingehalten werden kann – und dass auch mit wenig Geld noch architektonische Qualität erreicht wird.
Nicht nur der Auftragslage unserer Branche schadet es, wenn Architektur von weiten Teilen der Bevölkerung mit Luxus assoziiert wird. Wenn das Geld knapp ist – und das ist es in den Kommunen fast immer – leidet auch die Baukultur, Rathäuser, Schulen oder Theater werden nur notdürftig geflickt und technisch instandgesetzt. Bei einem Bauwerk, das der Öffentlichkeit dient und dessen Erscheinungsbild zum Ausdruck bringt, welchen Wert Kultur in der Gesellschaft hat, wünscht man sich jedoch ein ganzheitliches Konzept, bei dem auch die gestalterische Qualität berücksichtigt wird. Oft lässt sich schon durch eine geschickte Umverteilung der Gelder viel erreichen.
Das Pariser Büro Lacaton & Vassal ist für seinen Umgang mit niedrigen Budgets bekannt geworden. Für Anne Lacaton steht auch bei Bauten, die nur wenig Geld kosten dürfen, die architektonische und räumliche Qualität an erster Stelle. Gerade im Wohnbau besteht für sie die Herausforderung darin, dort zu sparen, wo es die Menschen in ihrem täglichen Leben am wenigsten einschränkt. Rohe Wände und Böden oder günstige Materialien sind in Ordnung, doch das Sparen an diesen Standards sollte nicht als Selbstzweck dienen, sondern sich anderswo durch zusätzliche Flächen und Räume mit besonderen Qualitäten bemerkbar machen.
Lacaton trennt die Faktoren Kosten und Fläche: Die Komplexität eines Bauwerks trägt ihrer Meinung nach viel stärker dazu bei, ob ein Gebäude zu einem günstigen Preis verwirklicht werden kann oder nicht, als die Größe. Je einfacher gebaut wird – also je stärker auf vorgefertigte bzw. industrielle Lösungen zurückgegriffen wird, je weniger Materialien ins Spiel kommen und je weniger die Handwerker leisten müssen –, desto günstiger kann ein Bau entstehen. Kosteneinsparungen ergeben sich dabei oft auch an unvermuteter Stelle: Etwa, wenn ein Gebäude während des Umbaus dank einer speziellen Strategie durchgehend genutzt werden kann.
Dass mit niedrigen Budgets architektonisch anspruchsvoll umgebaut werden kann, zeigen auch die Beispiele in diesem Heft. Beim temporären Sitz des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe (S. 28) wurde eine günstige, aber dennoch repräsentative Übergangslösung für drei Jahre gefunden. Im hoch verschuldeten Berlin sind die Budgets traditionell stark begrenzt – der in einer ehemaligen Typenschule untergebrachten Bezirksbibliothek Friedrichshain-Kreuzberg (S. 34) merkt man das jedoch nicht an. Kleine Projekte wie der Anbau an das Haus Kuhnert in Berlin (S. 42) und „Selective Insulation“ in Allenheads (S. 40) belegen, wie mit minimalem Aufwand eine maximale Wirkung erzielt werden kann: Die Berliner Hauserweiterung nimmt sich durch das golden glänzende, aber äußerst kostengünstige Fassadenmaterial selbst auf die Schippe; der Raum-in-Raum in Allenheads zoniert ein Künstleratelier in einen beheizten und einen unbeheizten Bereich, was dabei hilft, Heizkosten zu sparen. Dieses Prinzip findet sich auch bei den Gewerbelofts „Evergreen“ in Köln (S. 44) wieder. Roh belassene Oberflächen und gebrauchte Container inszenieren hier zudem die neue Nutzung.
Claudia Hildner
Anmerkungen:
[1] Über den Luxus günstiger Bauten. Lacton und Vassal, Anne Lacaton im Gespräch mit Susanne Stacher. In: Werk Bauen Wohnen 12/2008, S. 12
Bestandsaufnahme
06-09 | Hühner statt Hüte: Mendelsohns ehemalige Hutfabrik in Luckenwalde
10-17 | Aktuelles
18 | Bücher
19 | Termine
20-21 | Low Budget
22-23 | Schön billig: Strategien des günstigen Umbaus
24-27 | „Differenzierte Planung ist das A und O“: Kostenfaktoren beim Bauen im Bestand
28-33 | 01 Sparsam, nicht spartanisch: Temporärer Amtssitz Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe
34-39 | 02 Typenprojekt mit Überraschungen: Bezirksbibliothek Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin
40-41 | 03 Warme Zelle: Gastkünstleratelier in Allenheads/Hexham (GB)
42-43 | 04 Goldstück: Erweiterung des Hauses Kuhnert in Berlin
44-47 | 05 Ort in Bewegung: Gewerbelofts „Evergreen“ in Köln
Technik
48-51 | Energetische Sanierung – Home, smart Home: Gebäudeautomation im Bestand
52-54 | Technik aktuell – Schiefe Ebene: Die Qual der Wahl – Trocken- oder Nassestrich?
55-57 | Historische Bautechnik – Vom Stock zur Sprosse: Konstruktion und Form historischer Fenster
Produkte
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66 | Bildnachweis
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