Zeitschrift
tec21 2006|19
Kunst als Pflaster
Braucht es Kunst am Bau?
Sowohl Architektur- als auch Kunstauffassungen schwanken zwischen Zweckgebundenheit und Autonomie. Ihre Begegnung funktioniert nur dann, wenn beide Disziplinen in etwa von den gleichen Voraussetzungen ausgehen.
Wir sehen Architektur nicht als autonome Disziplin, die hermetische Werke schafft. Auch der Begriff Gesamtkunstwerk liegt uns fern – Work in Progress trifft da schon eher den Kern der Sache. Unser Architekturverständnis wird täglich neu verhandelt. Es konfiguriert sich, bedingt durch ständig wechselnde Rahmenbedingungen, immer wieder neu und ist damit reflexiv. Ein solch prozesshaftes Verständnis von Architektur führt dazu, dass sich unter anderem die Beziehung zur Kunst und insbesondere zu Kunst am Bau von Fall zu Fall neu definiert. Immer jedoch verstehen wir Bauen als eine kulturelle Tätigkeit, was indirekt auch ein Bekenntnis zur Notwendigkeit von Kunst im öffentlichen Raum ist. Kunst am Bau ist notwendigerweise situative Kunst. Sie reagiert auf den vorgefundenen Ort, verändert ihn eventuell oder übt sich in bewusster Verweigerung, in jedem Fall bezieht sie Position. Kunst am Bau, die Architektur ignoriert, ist bestenfalls noch Kunst, schlimmstenfalls jedoch einfach Dekoration, also auswechselbar. Wenn man Kunst am Bau als Behübschung mittelmässiger Bauwerke versteht, können wir mit gutem Gewissen auf sie verzichten. Im Idealfall jedoch bereichern sich Kunst und Architektur gegenseitig. Dies setzt allerdings voraus, dass beides von gewisser Qualität ist.
Bei der Siedlung Hegianwandweg, einem Wohnungsbauprojekt, zu dem vier Künstler eingeladen wurden, haben uns zwei Aspekte interessiert: einerseits der des Gebrauchs und der Wahrnehmung der Kunst im täglichen Leben einer Wohnsiedlung, die Bewohnbarkeit der Kunst gewissermassen. Andererseits der Aspekt der Integration der Kunst in die Architektur. Wir wollten etwas Spezifisches, eine Synthese, gewissermassen Bau-Kunst und nicht Kunst am Bau. Die Kunstinterventionen finden an den Schnittstellen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit statt: auf den Siedlungsplätzen, in der Garage, in den Treppenhäusern und auf den Balkonen. Da wird die Kunst täglich vom Bewohner «gebraucht» und «benötigt», und damit formuliert sie auch einen möglichen Widerspruch zur oft postulierten Zweckfreiheit der Kunst.
Diese Arbeitsweise setzt eine ausgesprochen enge und möglichst frühzeitige Zusammenarbeit mit den Künstlern voraus, da sich die beiden Aufgabenbereiche zu einem grossen Teil überschneiden. Das Budget für die Kunst wird durch die Vereinnahmung von gebundenen Baukosten erhöht, was auch sehr grossmassstäbliche Eingriffe ermöglicht und die Architektur damit massgeblich prägt. In gewissem Sinne verbünden sich Künstler und Architekt, und es werden Dinge machbar, welche ein jeder für sich alleine weder konzipieren noch realisieren könnte. Die Kunst agiert subtil, sie wird konsumiert wie Alcopops und sickert in die Architektur und den Alltag der Bewohner ein. So hinterlässt sie hoffentlich kleine, dafür umso nachhaltigere Irritationen in der täglichen Wahrnehmung des Lebensumfeldes.
Mathias Müller, Daniel Niggli, EM2N Architekten
Kulisse
Lilian Pfaff
Kunst im öffentlichen Raum als Stadtreperatur - Der rote Teppich der Videokünsterlin Pippilotti Rist und dem Architekten Carlos Martinez inszeniert in St. Gallen einen künstlichen Ort als neuen Platz.
Baukunst oder Kunst am Bau?
Urs Hess-Odoni
Das Schweizerische Urheberrecht unterscheidet zwischen Baukunst und Kunst am Bau bezüglich des immaterialgüterrechtlichen Integritätsschutzes, definiert
die beiden Begriffe aber nicht. Der Versuch einer Abgrenzung.
Neuer Auftritt für das Lochergut
Katja Hasche
Die Wohnungen im 1966 gebauten Zürcher Hochhauskomplex Lochergut waren immer beliebt. Im Gegensatz dazu funktionierte das Sockelgeschoss mit Ladenpassage nie. Nun haben es pool Architekten aus Zürich umgebaut.
Blickpunkt Wettbewerb
Neue Ausschreibungen und Preise / Zusammenhängen: Wohnüberbauung «Tägelmoos» in Winterthur / Weitblick am Wohlensee
Magazin
Mitholztunnel: Fehlerhafte Bemessung / Energie fressende Bildschirmschoner / Algen gegen Metalle / Raumplanungs-Publikation / Dachorganisation Geothermie / BSA gewinnt / Schützenswerte Industriekultur / Jugendpreis / Fachhochschule ausgezeichnet / In Kürze / Reaktionen auf «Patentierte
Architektur» / Offener Brief zum Spendenaufruf Stadt-Casino Basel
Aus dem SIA
Zusätzliche Aufgabe für das REG / Aufnahme von FH-Absolventen in den SIA / SIA-Auszeichnung Umsicht: klare Kriterien / BG Technik/Industrie: Beratungszentrum gegründet
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Impressum
Veranstaltungen
Sowohl Architektur- als auch Kunstauffassungen schwanken zwischen Zweckgebundenheit und Autonomie. Ihre Begegnung funktioniert nur dann, wenn beide Disziplinen in etwa von den gleichen Voraussetzungen ausgehen.
Wir sehen Architektur nicht als autonome Disziplin, die hermetische Werke schafft. Auch der Begriff Gesamtkunstwerk liegt uns fern – Work in Progress trifft da schon eher den Kern der Sache. Unser Architekturverständnis wird täglich neu verhandelt. Es konfiguriert sich, bedingt durch ständig wechselnde Rahmenbedingungen, immer wieder neu und ist damit reflexiv. Ein solch prozesshaftes Verständnis von Architektur führt dazu, dass sich unter anderem die Beziehung zur Kunst und insbesondere zu Kunst am Bau von Fall zu Fall neu definiert. Immer jedoch verstehen wir Bauen als eine kulturelle Tätigkeit, was indirekt auch ein Bekenntnis zur Notwendigkeit von Kunst im öffentlichen Raum ist. Kunst am Bau ist notwendigerweise situative Kunst. Sie reagiert auf den vorgefundenen Ort, verändert ihn eventuell oder übt sich in bewusster Verweigerung, in jedem Fall bezieht sie Position. Kunst am Bau, die Architektur ignoriert, ist bestenfalls noch Kunst, schlimmstenfalls jedoch einfach Dekoration, also auswechselbar. Wenn man Kunst am Bau als Behübschung mittelmässiger Bauwerke versteht, können wir mit gutem Gewissen auf sie verzichten. Im Idealfall jedoch bereichern sich Kunst und Architektur gegenseitig. Dies setzt allerdings voraus, dass beides von gewisser Qualität ist.
Bei der Siedlung Hegianwandweg, einem Wohnungsbauprojekt, zu dem vier Künstler eingeladen wurden, haben uns zwei Aspekte interessiert: einerseits der des Gebrauchs und der Wahrnehmung der Kunst im täglichen Leben einer Wohnsiedlung, die Bewohnbarkeit der Kunst gewissermassen. Andererseits der Aspekt der Integration der Kunst in die Architektur. Wir wollten etwas Spezifisches, eine Synthese, gewissermassen Bau-Kunst und nicht Kunst am Bau. Die Kunstinterventionen finden an den Schnittstellen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit statt: auf den Siedlungsplätzen, in der Garage, in den Treppenhäusern und auf den Balkonen. Da wird die Kunst täglich vom Bewohner «gebraucht» und «benötigt», und damit formuliert sie auch einen möglichen Widerspruch zur oft postulierten Zweckfreiheit der Kunst.
Diese Arbeitsweise setzt eine ausgesprochen enge und möglichst frühzeitige Zusammenarbeit mit den Künstlern voraus, da sich die beiden Aufgabenbereiche zu einem grossen Teil überschneiden. Das Budget für die Kunst wird durch die Vereinnahmung von gebundenen Baukosten erhöht, was auch sehr grossmassstäbliche Eingriffe ermöglicht und die Architektur damit massgeblich prägt. In gewissem Sinne verbünden sich Künstler und Architekt, und es werden Dinge machbar, welche ein jeder für sich alleine weder konzipieren noch realisieren könnte. Die Kunst agiert subtil, sie wird konsumiert wie Alcopops und sickert in die Architektur und den Alltag der Bewohner ein. So hinterlässt sie hoffentlich kleine, dafür umso nachhaltigere Irritationen in der täglichen Wahrnehmung des Lebensumfeldes.
Mathias Müller, Daniel Niggli, EM2N Architekten
Kulisse
Lilian Pfaff
Kunst im öffentlichen Raum als Stadtreperatur - Der rote Teppich der Videokünsterlin Pippilotti Rist und dem Architekten Carlos Martinez inszeniert in St. Gallen einen künstlichen Ort als neuen Platz.
Baukunst oder Kunst am Bau?
Urs Hess-Odoni
Das Schweizerische Urheberrecht unterscheidet zwischen Baukunst und Kunst am Bau bezüglich des immaterialgüterrechtlichen Integritätsschutzes, definiert
die beiden Begriffe aber nicht. Der Versuch einer Abgrenzung.
Neuer Auftritt für das Lochergut
Katja Hasche
Die Wohnungen im 1966 gebauten Zürcher Hochhauskomplex Lochergut waren immer beliebt. Im Gegensatz dazu funktionierte das Sockelgeschoss mit Ladenpassage nie. Nun haben es pool Architekten aus Zürich umgebaut.
Blickpunkt Wettbewerb
Neue Ausschreibungen und Preise / Zusammenhängen: Wohnüberbauung «Tägelmoos» in Winterthur / Weitblick am Wohlensee
Magazin
Mitholztunnel: Fehlerhafte Bemessung / Energie fressende Bildschirmschoner / Algen gegen Metalle / Raumplanungs-Publikation / Dachorganisation Geothermie / BSA gewinnt / Schützenswerte Industriekultur / Jugendpreis / Fachhochschule ausgezeichnet / In Kürze / Reaktionen auf «Patentierte
Architektur» / Offener Brief zum Spendenaufruf Stadt-Casino Basel
Aus dem SIA
Zusätzliche Aufgabe für das REG / Aufnahme von FH-Absolventen in den SIA / SIA-Auszeichnung Umsicht: klare Kriterien / BG Technik/Industrie: Beratungszentrum gegründet
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