Zeitschrift

dérive 47
Ex-zentrische Normalität: Zwischenstädtische Lebensräume
dérive 47
zur Zeitschrift: dérive
Herausgeber:in: Christoph Laimer
Mit dieser Ausgabe von dérive feiern wir ein kleines Jubiläum: Manfred Russos Serie Geschichte der Urbanität ist vor genau zehn Jahren in Heft 7 zum ersten Mal erschienen. Der Titel der ersten Folge lautete »Die hellenische Entdeckung des Urbanen«. Die Serie, mit der wir mittlerweile bei Folge 36 halten, zählt zu den beliebtesten Bestandteilen von dérive wie uns zahlreiche Reaktionen aus der Leserschaft immer wieder bestätigen. Seit letztem Sommer entfaltet sie ihr komplexes Netzwerk des Urbanen zudem auch bei dérive - Radio für Stadtforschung regelmäßig – in komprimierter Fassung für alle Liebhaber des Auditiven zum Online-Hören oder zum Download für Unterwegs. In den Printausgaben von dérive ist Manfred Russo mittlerweile in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts angelangt, in der aktuellen Folge ist bereits von Ereignissen der 1990er-Jahre die Rede, die Gegenwart ist also nicht mehr fern. Doch keine Sorge: Es sind bestimmt noch einige Umwege, Abschweifungen und damit Folgen zu erwarten, bis die Geschichte irgendwann an ihr unweigerliches Ende kommen wird. An dieser Stelle jedenfalls ein großes Dankeschön an Manfred Russo für die ersten zehn ebenso spannenden wie erkenntnisreichen Jahre. Die aktuelle Folge der Geschichte der Urbanität widmet sich das zweite Mal dem Thema Postmoderne – Stadt und Angst. Diesmal geht es um die Edge City.

Den Schwerpunkt dieser Ausgabe von dérive mit dem schönen Titel Ex-zentrische Normalität: Zwischenstädtische Lebensräume verdanken wir einer Gruppe von Architektinnen und Architekturwissenschaftlerinnen (Andrea Benze, Carola Ebert, Julia Gill, Saskia Hebert), die sich mit dieser Thematik schon längere Zeit umfassend beschäftigen. Der Hauptteil des Schwerpunkts besteht aus Texten der vier Schwerpunktredakteurinnen, von denen zwei einen städtebaulich-räumlichen Ansatz haben und die beiden anderen sich architektonischen Fragestellungen (Bungalow, Fertighaus) widmen. »Allen ist gemein, dass sie jeweils einen spezifischen Teilbereich dieses Themenfeldes ebenso baulich-räumlich wie im Hinblick auf seine gesellschaftliche Relevanz detailliert betrachten.« In einem zweiten Teil thematisieren Susanne Hauser und Iris Reuther »die Untersuchungen (nicht-)städtischer Orte und Bautypologien im Kontext übergeordneter Diskurse«. Mehr und genaueres über Ex-zentrische Normalität: Zwischenstädtische Lebensräume erfahren Sie im Einleitungstext ab Seite 4.

Zwei Artikel aus unserer letzten Ausgabe haben Leser und Leserinnen veranlasst, uns schriftliche Reaktionen zu schicken, denen wir gerne Platz einräumen: Ein Auslöser waren Andreas Rumpfhubers kritische Anmerkungen zu Baugruppen in seinem Text »Vienna’s Housing Apparatus and Its Contemporary Challenges: Superblock turned Überstadt«, der Teil des Schwerpunkts zum Wiener Wohnbau war. Die Reaktion von Ernst Gruber, Vorstandsmitglied der im Artikel erwähnten Initiative für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen, finden Sie auf unserer Website. Anlass zur Diskussion gab unter anderem die Frage, ob die von Baugruppen behauptete soziale Verantwortung für Gesellschaft und Stadt mehr ist als schmückendes Beiwerk und mehr als der Versuch sozial relativ homogener Gruppen, ihre individuellen Wohnträume möglichst günstig umzusetzen. Ein weiterer umstrittener Aspekt ist die Rolle, die Architekten und Architektinnen als Initiatoren von Baugruppen einnehmen.

Die zweite Reaktion auf die letzte Ausgabe von dérive ist eine Replik auf Florian Hubers Artikel »Gentrifizierung: Reflexionen über einen kritischen Begriff in der Krise«: Roman Seidl, Justin Kadi und Mara Verlic sehen in Ihrer Replik auf Hubers Artikel, die im Magazinteil zu lesen ist, dessen Versuch einer Entpolitisierung des Begriffs der Gentrifizierung. Ich vermute und hoffe, dass zu beiden Themen noch nicht das letzte Wort gesprochen und geschrieben ist, und empfehle in beiden Fällen, auch die jeweils kritisierten Artikel in dérive 46 (noch einmal) zu lesen. Wir freuen uns über eine Fortsetzung der Diskussionen.

Auf besonderes Interesse sind auch die dérive-Radio­sendungen der letzten Monate gestoßen, was uns sehr freut. Eine Vielzahl von Downloads und Streams pro Sendung zusätzlich zur Ausstrahlung auf mehreren Radiostationen zeigen, dass dérive – Radio für Stadtforschung als eigenständiges Format eine weitere Ebene für die Auseinandersetzung mit dem Urbanen eröffnet hat. Wer unsere Sendungen noch nicht kennt, kann im Online-Archiv (http://cba.fro.at/series/1235) alle Beiträge jederzeit nachhören. Themen der letzten Sendungen waren der Wiener Wohnbau und seine Leistbarkeit, Kairos informelle Siedlungen und ihre Bedeutung für die Revolution im Arabischen Frühling und der Mitschnitt eines urbanize! Festival Vortrages von Klaus Ronneberger über Henri Lefebvre. Tune in!
Zurück zum Heft: Im Magazinteil gibt es nach längerer Zeit wieder einmal ein Stadtporträt zu lesen. Sebastian Prothmann stellt Ghanas Hauptstadt Accra vor, die stark von der Globalisierung geprägt ist, was sich durch Konsumverhalten aber auch in Wohnformen wie Gated Communities zeigt. Der zweite Magazin-Beitrag ist ein Interview mit Luis Fernandez, Autor bzw. Mitautor der Bücher Policing Dissent. Social Control and the Anti-Globalization Movement und Shutting Down the Streets. The Social Control of Global Dissent, deren Titel den Inhalt des Gesprächs, das Volcker Eick und Kendra Briken mit ihm geführt haben, gut umreißen. Eine ausführlichere Version dieses Interviews ist übrigens auf www.derive.at nachzulesen.

Die nächste Ausgabe von dérive, die Anfang Juli erscheinen wird, untersucht die Auswirkungen und Herausforderungen des Klimawandels auf die Stadt. Eine anregende Lektüre wünscht

Christoph Laimer

Schwerpunkt | Ex-zentrische Normalität: Zwischenstädtische Lebensräume
Fragen an die Lebensqualität und Lebensweisen in randständigen Gebieten
Andrea Benze, Carola Ebert, Julia Gill, Saskia Hebert

Bitterfeld-Wolfen zum Beispiel vom Schützenverein aus gesehen ...
Ausflüge zu alltäglichen Orten
Andrea Benze

Ortsverschiebungen
Ein Plädoyer für den Möglichkeitssinn
Saskia Hebert

Privatisierte Landschaft
Westdeutsche ArchitektInnenbungalows 1952-1959 zwischen kalifornischem Traum und (nicht-)städtischer Realität
Carola Ebert

Traumhauskataloge
What happened to the dream of the factory-made house?
Julia Gill

Praktischer Umgang mit dem (Nicht-)Städtischen
Erkenntnisse und Haltungen sind gefragt
Iris Reuther

Räume von unspektakulärer Normalität
Forschung und Theoriebildung im erweiterten Tätigkeitsfeld der Architektur
Susanne Hauser

Kunstinsert:
Kartenhaus
Ulrike Lienbacher

Magazin:
Polizeistrategien gegen aktuelle politische Protestbewegungen
Interview mit Luis Fernandez
Volker Eick und Kendra Briken

Gentrifizierung in der Krise?
Kritische Reflexion einer Reflexion
Justin Kadi, Roman Seidl und Mara Verlic

Der Globalisierung auf der Spur
Stadtporträt Accra
Sebastian Prothmann

Serie | Geschichte der Urbanität: Teil 36
Postmoderne. Stadt und Angst II

Die Geburt der Edge City. Pioniere aus dem Post-Riot-Stress
Manfred Russo

www.derive.at
Zur „Kritik an Baugruppen“
Ernst Gruber

Besprechungen:
Sackgasse Eigenlogik, Briefe zur spektakulären Gesellschaft , Gesellschaft und Siedlungsstruktur in Suburbia, Dichte - Sezierung eines mehrfach reanimierten Begriffes, Städte und ihre Eigenlogik. Ein Handbuch?, Das Grazer Annenviertel! Was Stadt auch sein kann S. 60, Europas Städte im Umbruch, My Winnipeg, From Dusk till dawn in Kreuzberg, Die Gartenzelle, ein ideologisch zerfurchter Ort, Unterschiede und Ähnlichkeiten europäischer Stadtentwicklungen

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Weiterführende Links:
dérive - Verein für Stadtforschung

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